St. Gallen, Graubünden und Glarus: St. Gallen ringt mit dem Heimatschutz
In St. Gallen sind die finanziellen Aussichten wieder etwas besser. Doch im Kanton scheint nicht nur die Sonne, denn aktuell wird über mehreren Punkten mit dem Heimatschutz gestritten. Das vergangene Jahr in finanzieller Sicht gut weggesteckt hat der Kanton Glarus. Auch im Kanton Graubünden stehen die Finanzen auf einem soliden Fundament.
Quelle: Michael Huwiler
Auf der Grossbaustelle für die neue Olmahalle 1 in St. Gallen laufen die Arbeiten auf Hochtouren.
Für die St. Galler Wirtschaft scheint überwiegend die Sonne,
trotz Krieg, explodierenden Energiepreisen und dem noch immer grassierenden
Corona-Virus. So ist die Arbeitslosenquote mit 1,6 Prozent auf einem
Tiefststand angelangt, und der Geschäftslagenindikator des Konjunkturboards
Ostschweiz bleibt auf hohem Niveau.
Doch der Wind könnte sich drehen: Zum ersten Mal seit
Ausbruch der Coronapandemie ist das Stimmungsbarometer des Boards unter den
Nullpunkt gefallen. Hierfür wurden die Unternehmensumfragen der
Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich ausgewertet. Das Ergebnis: Immer mehr
Faktoren sorgen für Unsicherheit, vor allem wegen der unsicheren Versorgung mit
Energie.
Weiter aufwärts geht es hingegen mit den Immobilienpreisen,
wie das Immobilienberatungsunternehmen Wüest Partner ermittelt hat: Um 9,2
Prozent stiegen die Preise für ein Einfamilienhaus in der Ostschweiz übers
vergangene Jahr. Nebst anderen Faktoren trägt das stetige Wachstum der
Bevölkerung dazu bei: Ende 2021 hatten 519 245 Personen ihren ständigen
Wohnsitz im Kanton – 4741 mehr als ein Jahr zuvor, wobei das Tempo des
Wachstums leicht gesunken ist.
Defizit geringer
Ebenfalls ein Jahr zuvor hatte der St. Galler Kantonsrat ein
Sparpaket von 120 Millionen Franken beschlossen, um den hohen budgetierten
Verlust abzufedern. Doch nun teilte die Regierung mit, dass die Aussichten für
die nächsten Jahre besser seien: 2023 rechnet man nur noch mit einem Minus von
42,7 Millionen Franken. Dieses Budget basiert auf dem provisorischen Ergebnis
der laufenden Rechnung, bei welcher die Regierung ein Plus von gut 11 Millionen
Franken erwartet, satte 214 Millionen besser als budgetiert.
Die hohe Gewinnausschüttung der Nationalbank und um sechs
Prozent höhere Steuereinnahmen als erwartet führten zu diesem Ergebnis. Auch
fürs 2023 dürften drei Prozent mehr Steuergelder fliessen als im Budget
vorgesehen. Allerdings sind fürs nächste Jahr Investitionen von 413 Millionen
Franken geplant, üppige 176,5 Millionen mehr als 2022, was vor allem durch die
Unterstützung der St. Galler Spitalverbunde zu erklären ist.
Doch dieses Budget ist umstritten: Angesichts des höheren
Abschlusses will ein bürgerliches Bündnis den Steuerfuss von 110 auf 105
Prozent senken. Dies auch deshalb, weil das vorliegende Budget gegenüber dem Aufgaben-
und Finanzplan 2023 bis 2025 um 28 Millionen verbessert. Bereits auf dieses
Jahr hatte der bürgerlich dominierte Kantonsrat den Steuerfuss von 115 auf 110
Prozent gesenkt.
Auch in den St. Galler Gemeinden ist die finanzielle
Situation entspannt: «In den Gemeinden unseres Kantons ist kein Trend zu
Steuererhöhungen erkennbar», sagt der Leiter des Amtes für Gemeinden und
Bürgerrecht. So hätten letztes Jahr sogar 14 der 77 Gemeinden ihren Steuerfuss
gesenkt und keine einzige erhöht. Fürs kommende Jahr wurden von mehreren
Gemeinden bereits Senkungen angekündigt.
Neue Olmahalle auf Kurs
Auf Hochtouren laufen derzeit die Arbeiten auf der
Grossbaustelle für die neue Olmahalle 1 in St. Gallen. Mit dem Projekt
erweitert die Genossenschaft Olma Messen St. Gallen ihr Areal im Osten um eine
neue Messe- und Eventhalle. Die dazu benötigten, zusätzlichen Flächen entstehen
durch eine Überdeckung der Stadtautobahn. Inzwischen sind die Dimensionen der
neuen Halle bereits gut sichtbar, da die Betonarbeiten des Hochbaus in vollem
Gange sind.
Bis im Februar 2023 sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein. Die Bauarbeiten an sich sind im Zeitplan, wie auf der Projektwebseite www.olma-halle1.ch zu erfahren ist. Die Kosten für die Erweiterung belaufen sich auf insgesamt rund 164 Millionen Franken und werden hauptsächlich von der Genossenschaft getragen. Die Stadt St. Gallen beteiligt sich an der Finanzierung mit 18 Millionen Franken, der Kanton mit 12 Millionen Franken.
Quelle: Kantonsspital. St. Gallen
In St. Gallen streitet man sich ob der Frage, ob das Spitalhochhaus ein schützenswertes Gebäude ist.
Denkmalschutz oder Abbruch?
Brisant gestaltet sich indessen das grösste Bauvorhaben des Kantons, die Erneuerung und Erweiterung des Kantonsspitals, die 2028 abgeschlossen sein soll und mit 540 Millionen Franken budgetiert ist. Zankapfel ist dabei das 1978 eingeweihte Hochhaus, das nach den ursprünglichen Plänen rückgebaut werden soll. Doch nun könnte dies am Denkmalschutz scheitern.
Aktuell befindet sich das mit 78 Metern höchste Gebäude der Stadt nicht im Inventar der schützenswerten Bauten. Ein beauftragter Architekturhistoriker kommt in seinem Gutachten aber zum Schluss, das Hochhaus sei baugeschichtlich von Bedeutung und habe schutzwürdigen Charakter. Ob ein Gebäude ins Inventar schützenswerter Bauten aufgenommen wird, entscheidet am Ende aber die Stadt, und die kantonale Denkmalpflege muss die Aufnahme ins Inventar der schützenswerten Bauten anschliessend genehmigen.
Heimatschutz läuft Sturm
Fortsetzung folgt, und dies womöglich auch auf juristischer Ebene. Der Kanton hat in erster Lesung eine Änderung des Planungs- und Baugesetzes durchgewunken, dass eben diese Entscheidungskompetenz, ob ein denkmalgeschütztes Gebäude abgerissen werden darf, den Gemeinden überträgt. Eine Zustimmung der kantonalen Denkmalpflege ist demnach nicht mehr nötig und die Behörde kann nur noch über eine Beschwerde oder einen Rekurs eingreifen.
Dagegen läuft der Schweizer Heimatschutz Sturm. Gemäss Präsident Martin Killias verfügen vor allem kleinere Gemeinden nicht über genügend Fachkompetenz für einen solchen Entscheid. Stattdessen soll dieser Entscheid bei den Kantonen liegen. «Die Erfahrung zeigt: Dort passieren viel weniger Fehlentscheide.» Mit der neuen kantonalen Regelung, die noch nicht in Kraft ist, würde nach seiner Ansicht auch gegen Bundesrecht verstossen; der Gang vors Bundesgericht scheint deshalb unausweichlich.
Baulobby setzt sich durch
In einem anderen strittigen Punkt hat sich die Baulobby im Kantonsrat durchgesetzt: Mit einer weiteren Gesetzesänderung im Planungs- und Baugesetz sind künftig Neubauten in Weilerzonen möglich, wenn dadurch das bebaute Gebiet nicht ausgedehnt wird. Im Kanton bestehen 59 solcher Kleinsiedlungen, die sich ausserhalb der Bauzonen befinden.
Die Regierung hatte die Anpassung deshalb für bundesrechtswidrig erachtet, muss nun aber doch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag ausarbeiten. Der Kantonsrat denkt sogar darüber nach, mittels einer Standesinitiative das Raumplanungsrecht anzupassen, und der geplanten Gesetzesänderung den Weg durchs Bundesrecht zu bahnen.
Offen ist auch die Zukunft des Quartiers St. Fiden. Dieses wird durch die Stadtautobahn und SBB-Gleise durchschnitten, wobei der Güterbahnhof zugleich zu den wichtigsten Entwicklungsgebieten der Stadt gehört. 2019 wurde deshalb untersucht, ob die Gleise abgedeckt und so Raum für eine Grossüberbauung geschaffen werden könnte. Diese Idee erwies sich als technisch realisierbar, doch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit bestanden Zweifel, würde der Gleisdeckel doch gegen 300 Millionen Franken kosten. Das Projekt wäre deshalb nur mit Beteiligung privater Investoren zu stemmen.
Diesen Sommer aber zogen sich die SBB zurück und gaben bekannt, dass ihre Grundstücke für das Vorhaben nicht zur Verfügung stehen. Damit fällt rund ein Viertel der betroffenen Fläche weg, weshalb eine Gesamtüberbauung nicht mehr möglich ist. Die Stadt hofft nun, zumindest eine Teilabdeckung realisieren zu können und wird das Gespräch mit den Bundesbahnen führen.
Quelle: nightnurse images, Zürich
Das ursprüngliche Projekt für das Klanghaus Toggenburg am Schwendisee in Wildhaus-Alt St. Johann.
Baubeginn beim Klanghaus
Eine heftige Abfuhr erhielt das Projekt Wil West, das der Kanton zusammen mit dem Nachbarn Thurgau realisieren wollte. Auf dem Areal zwischen Wil SG und Münchwilen TG, das mehrheitlich auf Thurgau-er Boden liegt, hätte ein Standort für Gewerbe- und Industriebetriebe entstehen sollen, und damit bis zu 3000 neue Arbeitsplätze. Im Kantonsrat war das Vorhaben deutlich angenommen worden, doch wegen des Kulturlandverschleisses stellten sich SP, Grüne und die SVP gegen das Vorhaben. Nun hat auch das Stimmvolk das Projekt überraschend deutlich abgelehnt.
Doch es gibt auch Projekte im Kanton, die in Umsetzung sind. So wird Ende 2024 das Klanghaus Toggenburg fertiggestellt; die Arbeiten für den Holzbau begannen im Juni, wobei ausschliesslich einheimisches Baumaterial verwendet wird. Kosten wird der Bau auf dem Boden der Gemein-de Wildhaus-Alt St. Johann nach Budget 23,3 Millionen Franken.
Ein Grossprojekt hat auch die Gemeinde Rorschacherberg auf den Weg gebracht: Für den Neubau des Quartiers Neuhus wurde ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt, welches ein Projekt der HRS Investment AG für sich entschied. Das Quartierentwicklungsprojekt sieht Eigentumswohnungen, Reiheneinfamilienhäuser und Mietwohnungen vor. Für den Erwerb des Grundstückes wird die HRS 22 Millionen Franken aufwerfen; das Bauprojekt soll danach weitere rund 80 Millionen Franken kosten. Stimmt das Volk dem Projekt zu, dürften die ersten Wohneinheiten im neuen Quartier 2027 bezugsbereit sein.
Quelle: Technische Betriebe Glarus
Chur West aus der Vogelperspektive: Ein neues Stadtzentrum für 61 Millionen Franken soll entstehen.
Glarner Immobilien begehrt
Die Pandemie hatte vor einem Jahr für eine Verunsicherung auf dem Immobilienmarkt geführt. Dies war das Ergebnis eines entsprechenden Berichts der Wüest Partner AG im Auftrag der Glarner Kantonalbank. Doch das Immobilienberatungsunternehmen konnte zumindest konstatieren: «Deutlich negative Auswirkungen sind bislang ausgeblieben.»
Auch der diesjährige Bericht zum Immobilienmarkt dreht sich noch um das Coronavirus: Da die Leute nach wie vor viel Zeit zu Hause verbrachten, blieb und bleibt das Eigenheim ein begehrtes Gut, was entsprechend die Preise in die Höhe treibt, bei einem gleichzeitig sehr begrenzten Angebot. So sind die Preise für Eigentumswohnungen im letzten Jahr um 6,5 Prozent gestiegen, bei den Einfamilienhäusern sogar um 11,3 Prozent. Und trotz einer «zeitweise recht lebhaften Neubau-tätigkeit» bleibt das Angebot knapp. Als «überversorgt» wird hingegen der Markt für Mietwohnungen bezeichnet: 3,5 Prozent der Mietwohnungen im Kanton stehen leer – ein Wert, von dem das nahe Zürich nur träumen kann.
Finanziell hat der Kanton Glarus das zurückliegende Jahr gut weggesteckt: Trotz Pandemie resultierte aus der Jahresrechnung ein Plus von 3,5 Millionen Franken. Dies zum einen Dank einer sehr hohen Gewinnausschüttung der Nationalbank, und zum anderen dank Steuereinnahmen, die höher ausfielen als erwartet. Der Steuerfuss bleibt deshalb unverändert.
Ideal getimter Ausbau
Der Kanton Glarus hat kürzlich mit den Bauarbeiten zum Ausbau des Wasserkraftwerks ob Luchsingen begonnen. Ziel der Arbeiten ist es, künftig mit derselben Menge Wasser deutlich mehr Strom zu produzieren, was sich die Gemeinde Glarus 30 Millionen Franken kosten lässt. Gemäss den Technischen Betrieben handelt es sich um «kein total neues, sondern ein optimiertes Projekt zur Stromproduktion aus Wasserkraft».
Ab 2023 erhöht sich mit einem stärkeren Turbinenpaar die installierte Leistung von 3,6 auf 5,8 Megawatt. Dadurch lässt sich gegenüber heute rund ein Drittel mehr Strom produzieren – für bis zu 5000 Haushalte. Der Anteil der Strom-Eigen-produktion der Gemeinde steigt damit von 21 auf rund 27 Prozent; angesichts der aktuellen Energiesituation ein ideal getimtes Ausbauprojekt.
Quelle: PD
Visualisierung: So soll das neue Hauptgebäude der Fachhochschule Graubünden dereinst aussehen.
Üppiger Bündner Überschuss
Für die Bündner Wirtschaft zeigt sich ein Hoffnungsschimmer, auch wenn Corona noch lange nicht von der Bildfläche verschwunden ist. So beurteilen 18 Prozent der Firmen in einer Umfrage die Auftragseingänge positiver als vor der Pandemie. Auch die Steuereinnahmen gingen letztes Jahr um zwei Drittel weniger stark zurück als budgetiert.
Dank der Gewinnausschüttung von 93 Millionen Franken durch die Nationalbank resultierte für den Bergkanton letztes Jahr deshalb ein üppiger Überschuss von 134 Millionen. Weniger gut sieht das Budget für 2022 aus: Auch mit der angenommen höchstmöglichen Ausschüttung der Nationalbank, die inzwischen zweifelhaft ist, resultiert ein Aufwandüberschuss von 10 Millionen. Trotzdem stünden die Finanzen auf einem soliden Fundament, heisst es im Kantonsparlament, und die Finanzlage lasse Steuersenkungen im hohen zweistelligen Millionenbereich zu.
Keine Steuererhöhungen
Auch in den Kommunen, deren Tourismus unter den Corona-Reisebeschränkungen litt, blieb die Konjunktur dennoch stabil und die Arbeitslosenquote tief. «Bei unseren Gemeinden gibt es keinen Trend zu kommunalen Steuererhöhungen», konnte Regierungsrat Christian Rathgeb vermelden.
Gute Nachrichten gibt es auch von einem seit längerem bestehenden Problem: Der Kanton Graubünden möchte in Chur einen zentralen Campus für die Fachhochschule bauen. Aktuell verteilt sich das Institut, an dem rund 2000 Studenten ausgebildet werden und das ein wichtiger Arbeitgeber der Region ist, auf fünf Standorte. Das ausgearbeitete Projekt soll rund 178 Millionen Franken kosten, wovon der Kanton selber gut 150 Millionen wird übernehmen müssen. Sollte das Vorhaben durchkommen, wäre das neue Fachhochschulzentrum im Jahr 2028 bezugsbereit.
Pläne für Chur West
Daneben soll der Bahnhof Chur West ausgebaut und zu einem zweiten Stadtzentrum entwickelt werden, was die Stadt gut 20 Millionen kosten wird. Die Rhätische Bahn soll ihrerseits 34 Millionen an die Gesamtkosten von 61 Millionen beisteuern, wobei das Churer Stimmvolk im März 2023 das letzte Wort zu diesem Projekt haben wird.
Bei einem anderen Vorhaben hingegen sollen die Stimmbürger aussen vor bleiben. Die Zusammenlegung zweier Verkehrs-polizeistützpunkte soll gemäss Baubotschaft des Kantons 9,8 Millionen Franken kosten. Das Stimmvolk wird hingegen erst bei Projektsummen ab 10 Millionen konsultiert. Der Umstand, dass dieses Projekt haarscharf darunter liegt, sorgt deshalb für einige rote Köpfe.