Stararchitekt mit sozialem Gewissen
Er begeistert und polarisiert zugleich. Für seine eigenwilligen Konstruktionen wurde er letztendlich berühmt. Nun wird der britische Stararchitekt Richards Rogers 80 Jahre alt und wird in den Räumen der altehrwürdigen Royal Academy in London für sein Lebenswerk geehrt.
Er stülpte das Innenleben seiner Gebäude nach aussen, führte Leitungen, Liftschächte, Belüftungskanäle entlang den Fassaden und verpasste seinen Gebäuden grelle Farben. Mit derart gestalteten, spektakulären Wohnmaschinen, die dem Konstruktionskonzept "Inside Out" (Von Innen nach Aussen) folgten, wurde Richard Rogers weltberühmt. Der britische Stararchitekt, der am 23. Juli seinen 80. Geburtstag feiert, hat aber auch eine andere Seite. Er sorgt sich auch um die Zukunft der nachhaltigen städtischen Entwicklung. Und er wird nicht müde, sein Umfeld zu warnen, denn „sollte es nicht gelingen, die Zentren grosser Städte unter Kontrolle zu bringen, sind grosse soziale Schwierigkeiten und Umweltprobleme vorprogrammiert.
Für Rogers gehören Architektur, gesellschaftliche Fairness und Demokratie nämlich zusammen. "Die Geschichte wird uns an der physischen und sozialen Qualität unserer Städte messen. Gebäude müssen wie Sonnenblumen sein, sie müssen sich dem Licht öffnen." Die Zukunft der nachhaltigen Stadtentwicklung und die Schliessung der "schrecklichen Lücke" zwischen Arm und Reich in der Welt sind sein Anliegen. "Jeder Mensch hat Anspruch auf Platz. Es sollte ein Gesetz geben, dass jeder Bürger aus seinem Fenster auf mindestens einen Baum schaut."
Rogers, dessen Arbeit und Entwürfe ihn in Grossbritannien auf einen direkten Kollisionskurs mit dem Modernismus-Kritiker Prinz Charles gebracht haben, führt seinen radikalen Ansatz auf seine Abstammung zurück. Seine Mutter, eine italienische Töpferin, habe ihm schon früh die "Scheu vor dem Neuen" genommen. Für seine Verdienste wird der 79-Jährige nun in der Royal Academy in London mit einer Retrospektive gewürdigt. Die Ausstellung, die sich über drei grosse Räume erstreckt, dokumentiert den Werdegang des Architekten anhand von persönlichen Dokumenten, Literatur, sowie Zeichnungen und Modellen seiner wichtigsten Schöpfungen. Sie wird bis zum 13. Oktober gezeigt. (ffi/sda)
Kurz notiert
Rogers wurde 1933 in Florenz geboren und kam im Alter von sechs Jahren mit seinen anglo-italienischen Eltern nach England. Eine Reise nach New York in den 1960er Jahren habe ihn "schlicht umgehauen" und das gemeinsame Studium mit Norman Foster an der US-Universität Yale habe ihm den "unglaublichen Optimismus der US-Kultur" vor Augen geführt, sagte Rogers dem "Daily Telegraph". Internationale Berühmtheit erlangte Rogers in den 1970er-Jahren als er gemeinsam mit dem italienischen Architekten Renzo Piano das Kulturzentrum Centre Georges Pompidou in Paris schuf.
Auf den Pompidou-Bau folgten mehrere Prestigeprojekte, darunter das Gebäude des Versicherungsmarktes Lloyds in der Londoner City, der Millennium Dome, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und ein Abfertigungshalle des Madrider Flughafens Bajaras, wo grell bemalte Säulen Teil des Navigationssystems sind.