Stärker als Stahl: MIT-Ingenieure entwickeln neuartiges, leichtes Material
Ingenieure des Massachusetts Institute of Technlogy (MIT) haben ein neues Material erschaffen, das stärker als Stahl und so leicht wie Kunststoff ist. «2DPA-1», so der Name des Materials, könnte unter anderem im Brückenbau eingesetzt werden.
Quelle: Christine Daniloff, MIT
Beim neuen Material handelt es sich um ein zweidimensionales Polymer, das als leichte, haltbare Beschichtung für Autoteile oder Mobiltelefone oder als Baumaterial für Brücken verwendet werden könnte.
Beim neuen Material handelt es sich gemäss einer Mitteilung des MIT um ein zweidimensionales Polymer, das sich im Gegensatz zu anderen Polymeren – die eindimensionale, spaghettiähnliche Molekülketten bilden – selbst zu Platten zusammensetzt. Bislang hätten es Wissenschaftler für unmöglich gehalten, zweidimensionale Polymere herzustellen. Nun ist dies MIT-Chemieingenieuren gelungen. Zur Anwendung kommen könnte das neue Material laut Mitteilung als leichte, haltbare Beschichtung für Autoteile oder Mobiltelefone.
Verwendung finden könnte es aber auch als Baumaterial für Brücken oder andere Strukturen, erklärt Michael Strano, Mitautor der Studie, die kürzlich im Fachmagazin «Nature» publiziert wurde. Bei Kunststoffen denke man normalerweise nicht daran, sie zur Unterstützung eines Gebäudes einzusetzen. Das neue Material erschliesse hierbei aber völlig neue Möglichkeiten. «Es hat sehr ungewöhnliche Eigenschaften.» Die Forscher haben inzwischen zwei Patente für das Verfahren zur Herstellung des Materials angemeldet.
2D-Polymere galten als unmöglich
Polymere, zu denen alle Arten von Kunststoffen gehören, bestehen aus Baustein-Ketten, den so genannten «Monomeren». Diese Ketten wachsen, indem neue Moleküle an ihre Enden angehängt werden. Einmal geformt, können Polymere im Spritzgussverfahren zu dreidimensionalen Objekten, wie etwa Wasserflaschen, geformt werden.
Seit langem stellten Polymerforscher laut dem MIT die Hypothese auf, dass Polymere, wenn man sie dazu bringen könnte, in eine zweidimensionale Schicht zu wachsen, extrem starke und leichte Materialien bilden könnten. Nach jahrzehntelanger Arbeit sei man jedoch zum Schluss gelangt, dass es unmöglich sei, solche Platten herzustellen.
Ein Grund dafür war, dass sich das Material in drei Dimensionen ausdehnt, wenn auch nur ein Monomer aus der Ebene der wachsenden Platte nach oben oder unten rotiert, und dadurch die plattenartige Struktur verloren geht.
Beschichtungen mit neuem Material
Strano und seine Kollegen hätten nun aber ein neues Polymerisationsverfahren entwickelt, mit dem sie eine zweidimensionale Folie – ein sogenanntes Polyaramid – erzeugen können. Als Monomer-Bausteine nutzten sie eine Verbindung namens Melamin, die einen Ring aus Kohlenstoff- und Stickstoffatomen enthält. Unter den richtigen Bedingungen können diese in zwei Dimensionen wachsen und Scheiben bilden. Letztere stapeln sich übereinander und werden zwischen den Schichten durch Wasserstoffbrücken zusammengehalten, was die Struktur sehr stabil und fest macht.
«Anstatt ein spaghettiartiges Molekül zu erzeugen, können wir eine flächige Molekülebene herstellen, in der sich die Moleküle in zwei Dimensionen miteinander verhaken», erklärt Strano. Nach der Synthese des Materials könne man dann ganz einfach dünne Schichten auftragen, die ausserordentlich stark sind. Die Forscher beschichteten für die Studie so etwa Oberflächen mit Filmen aus dem Material, das sie auf den Namen «2DPA-1» tauften.
Da sich das neue Material ausserdem selbst zusammensetzt, kann es laut Mitteilung in grossen Mengen hergestellt werden, in dem einfach die Menge der Ausgangsstoffe erhöht wird. «Mit diesem Fortschritt haben wir planare Moleküle, die viel einfacher zu einem sehr starken, aber extrem dünnen Material verarbeitet werden können», so Strano.
Brechgrenze ist doppelt so hoch wie bei Stahl
Die Forscher fanden im Zuge ihrer Arbeit ausserdem heraus, dass das sogenannte Elastizitätsmodul – eine Masseinheit dafür, wie viel Kraft erforderlich ist, um ein Material zu verformen – von «2DPA-1» vier- bis sechsmal höher ist, als jenes von kugelsicherem Glas. Daneben war auch die Streckgrenze, also die Kraft, die nötig ist, um ein Material zu brechen, doppelt so hoch, wie die von Stahl, obwohl das Material im Vergleich nur etwa ein Sechstel der Dichte aufweist.
Laut Matthew Tirrell, Leiter der Pritzker School of Molecular Engineering an der University of Chicago, der nicht an der Studie beteiligt war, weisen die neuen Polymere der MIT-Ingenieure einen wichtigen Aspekt auf. Nämlich, dass sie sich leicht in Lösung verarbeiten lassen. Laut Tirrell könne dieser Umstand viele neue Anwendungen ermöglichen, bei denen etwa ein hohes Festigkeits-Gewichts-Verhältnis wichtig ist. Beispielsweise bei neuen Verbundwerkstoffen oder Diffusionsbarrieren.
Eine weitere Schlüsseleigenschaft von «2DPA-1» ist laut Mitteilung, dass es für Gase undurchlässig ist. Denn das neue Material besteht aus Monomeren, die sich wie Klemmbausteine ineinander verhaken, so dass keine Moleküle zwischen sie gelangen können. Dadurch werde es möglich, ultradünne Beschichtungen herzustellen, die das Eindringen von Wasser oder Gas vollständig verhindern, so Strano. «Diese Art von Barrierebeschichtung könnte zum Schutz von Metall in Autos oder von Stahlkonstruktionen verwendet werden.»
Strano und seine Kollegen werden nun genauer untersuchen, wie dieses spezielle Polymer in der Lage ist, 2D-Schichten zu bilden. Daneben experimentiert das Team mit der Veränderung des molekularen Aufbaus, um andere Arten von neuartigen Materialien zu schaffen. (mgt/pb)
Zur Mitteilung des MIT: ews.mit.edu