Städte für Immigranten
Mit „Die Stadt ohne Eigenschaften“ überschrieb der holländische Stararchitekt Rem Koolhaas ein Essay. Man baue heute „Fliessbandstädte und Fliessbandhäuser“, sagte er kürzlich in einem Interview. Dennoch sieht Koolhaas in der „Seelenlosigkeit“ solcher Orte auch Vorteile.
Als Beispiel führt er unter anderem die Hamburger Hafencity an, an der zurzeit gebaut wird. Sie gilt für ihn ebenfalls als eine „Stadt ohne Eigenschaften“: „Diese unheimlich Vertrautheit. Als wäre man schon einmal dort gewesen. War man aber nicht. Es sind all die vertrauten Bausteine, die immer wieder neu zusammengestellt werden“, führt er in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ aus. Dass es soweit gekommen ist, erklärt er damit, dass die traditionelle Stadt stark von Regeln und Verhaltenscodes besetzt ist. Die „Stadt ohne Eigenschaften“ sei hingegen frei von eingefahrenen Mustern und Erwartungen. Es seien Städte, die keine Forderungen stellten und dadurch Freiheit schafften. „Eine Stadt wie Dubai hat 80 Prozent Einwanderer, Amsterdam 40 Prozent: Ich glaube, für diese Bevölkerungsgruppen ist einfacher durch Dubai, Singapur oder die Hafencity zu schlendern als durch schöne mittelalterliche Stadtkerne.“ Koohlhaas begründet dies damit, dass letztere „nichts als Ausschluss und Zurückweisung“ ausstrahlten.
In einem Zeitalter der massenhaften Immigration müsse es vielleicht auch zu einer massenhaften Ähnlichkeit der Städte kommen. „Diese Städte funktionieren wie Flughäfen: Die immer gleichen Geschäfte sind an den immer gleichen Stellen. Alles ist über die Funktion definiert, nichts über die Geschichte. Das kann auch befreiend sein.“ Eine weitere Ursache für solche Entwicklungen ortet Koolhaas in der Wirtschaft; im Umstand, dass internationale Investoren Grundstücke kaufen und bebauen und ihre Projekte nicht städtebaulich sondern ökonomisch betrachten. Allerdings ist laut Koolhaas noch etwas komplizierter. Es werde versucht, einen Anschein von Kontrolle aufrechtzuerhalten, in dem viele Regeln aufgestellt würden. Etwa welche Höhe eingehalten werden soll oder wie Fassaden gestaltet sein dürfen. „Damit wurde darüber hinweggetäuscht, wie sehr die Macht über die Nutzung den Investoren überlassen wurde.“ Der kommerzielle Impuls gepaart mit bürokratischen Regeln führe dann zu sehr unbefriedigenden Ergebnissen. „Man hat weder die Strukturen eines uneingeschränkten ökonomischen Drangs, die New York oder London so aufregend machen, noch die klare Planung der deutschen Städte aus der Gründerzeit.“ (mai)
Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des „Spiegels“ vom 12.12. 2011.