Sparsames Erstfeld, „teures“ Zürich
Zürich, Buchs, Planken (FL), Erstfeld, Illnau-Effretikon ZH und Vevey haben sich am Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Projekt „Energistädte auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft“ messen lassen. Dabei stellte sich heraus, dass Erstfeld dem Ziel mit Abstand am nächsten kommt und Zürich sowie Vevey den höchsten Verbrauch haben.
Quelle: blink.ch/luca zanier
Ob Zürich in jeder Hinsicht das Schlusslicht bildet, ist fraglich: Es konnte weder mit früherem Energieverbrauch verglichen werden, noch wurde die Graue Energie berücksichtigt.
6300 Watt pro Jahr verbraucht der Durchschnittsschweizer. Die sechs Pionierstädte, die für das Projekt ausgewählt wurden, schneiden deutlich besser ab: Ihr Verbrauch ist zwischen 20 und 40 Prozent tiefer, wie EnergieSchweiz mitteilt.
Am besten schnitt Erstfeld ab: Die Bewohner der Urner Gemeinde benötigen durchschnittlich 3400 Watt. An zweiter Stelle folgt Buchs mit 4200 Watt, und auf dem dritten Platz liegen Illnau-Effretikon und das liechtensteinisch Planken, beide mit 4500 Watt. Mit 5000 Watt bilden Zürich und Vevey VD das Schlusslicht. Gemessen und berechnet wurde der Verbrauch von fossilen Energieträgern wie Heizöl und Gas, von Treibstoffen, Strom und erneuerbaren Energien und Abwärmenutzung. Weil aber Wirtschaft und Industrie den Energieverbrauch stark beeinflussen, verfügte Zürich laut EnergieSchweiz über „eine weniger vorteilhafte Ausgangslage“ als etwa Erstfeld.
Doch das ist nicht die einzige Krux mit den präsentierten Zahlen: Weil es keine Werte aus früheren Jahren gibt, ist der vermutete Fortschritt der sechs Städte weder mess- noch bezifferbar. Michael Kaufmann, Vizedirektor des Bundesamts für Energie (BFE) und Programmleiter von EnergieSchweiz, bezeichnete diesen Mangel denn auch als die Schwäche des Projekts. In Zukunft sollen die Zahlen vergleichbar sein. Des Weiteren werfen methodische Probleme Fragen auf: Die graue Energie etwa, die für Produktion und Transport von Produkten benötigt wird, wurde nämlich bei den Untersuchungen nicht berücksichtigt - obwohl die Schweiz mehr graue Energie importiert als exportiert.
Man habe es hier „nicht mit einer exakten Wissenschaft" zu tun, räumte Kurt Egger, Leiter des Gemeindeprogramms von EnergieSchweiz, ein. Vielmehr ergäben die Resultate „eine plausible und nachvollziehbare Standortbestimmung“ für die sechs Städte.
Mit 5000 Watt steht Zürich derzeit nicht besonders gut da. Stadtrat Andres Türler sieht dies gelassen. Berücksichtige man die Erschwernisse der Stadt, stehe Zürich ganz gut da, sagte der Vorsteher des Departements Industrielle Betriebe. EnergieSchweiz attestiert Zürich denn auch eine wegweisende Minergiestrategie, einen hohen Anteil an ÖV- und Veloverkehr sowie einen Strommix mit besonders vielen erneuerbaren Energien. Auch die dichte Bebauung und ein gutes ÖV-Netz wirken sich positiv aus.
„Keine Utopie“
„Die 2000-Watt-Gesellschaft ist keine Utopie, und sie ist kein Hirngespinst“, sagte BFE-Vizedirektor Kaufmann. Der springende Punkt sei die Tatsache, dass Bund, Kantone und Gemeinden am gleichen Strick ziehen und verbindliche Massnahmen umsetzen müssten. Das grösste Potenzial liegt für Kaufmann im Neubau und in der Sanierung von Gebäuden. Allerdings dürfe auch das „Tabuthema Mobilität“ nicht ausgeklammert werden, zum Beispiel mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder der Förderung des Langsamverkehrs.
Der durchschnittliche Energieverbrauch lag in der Schweiz bereits einmal bei 2000 Watt, und zwar Ende der 60er-Jahre. Weltweit gibt es riesige Differenzen: Während die USA mit 12'000 Watt an der Spitze liegen, brauchen Menschen in Bangladesch nur rund 100 Watt. (mai/sda)
Hintergrund
Das Projekt „Energiestädte auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft“ wurde vor rund einem Jahr lanciert. Es ist Teil des Bundesprogramms „EnergieSchweiz für Gemeinden“ und ermöglicht es Städten, ihren Energieverbrauch mit dem Durchschnittswert von 6300 Watt zu vergleichen. Aus den 250 Energiestädten wurden sechs Pionierstädte ausgewählt, die sich beworben hatten.
Linktipp: energiestadt.ch