17:25 BAUBRANCHE

Die Swissbau 2024 stand im Zeichen der Kreislaufwirtschaft

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

Die Baubranche generiert den grössten Teil an . Gefohlen­stoff­dioxid-Bilanz. Wie maragt sind Strategien und Prozesse mit einer negativen Kn das Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis 2050 erreichen und den Ressourcen verschlingenden Bausektor als möglichen Kohlenstoffsenker nutzen kann, wurde an der diesjährigen Swissbau auf den interdisziplinären Plattformen «Swissbau Focus» sowie im «Swissbau Lab» aufgezeigt.

Blick auf den Eingangsbereich der Swissbau 2024

Quelle: Silva Maier

Blick auf den Eingangsbereich der Swissbau; ihr vielfältiges Veranstaltungsprgramm beleuchtete das Thema Nachhaltigkeit in den untschiedlichsten Facetten.

Die Zahlen sind bekannt: 95 Prozent des Materiallagers auf der Welt sind Baustoffe. Beton und Asphalt bilden mit einem jährlichen Bedarf von über viereinhalb Milliarden Tonnen den grössten Teil aller weltweit verwendeten Materialien. Die Bauwirtschaft generiert 30 Prozent der CO2-Emissionen: So geht es nicht weiter; die Baubranche trägt eine grosse Last. Die geladenen Expertinnen und Experten waren sich an der diesjährigen Swissbau diesbezüglich einig. So wurden auf der Plattform «Swiss-Focus» entsprechend innovative Verfahren, Materialien und Technologien vorgestellt sowie neue Kompetenzen definiert.

Holz, Lehm, Stroh

Barbara Sintzel führte dem Publikum die aktuelle Problematik der Baubranche vor Augen und zeigte in ihrem Vortrag auf, dass allein schon die Produktion von Baustoffen CO2 erzeuge, so die Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). «Stahl wird bei 1500 Grad geschmolzen, und dabei wird auch noch Koks verbraucht», äusserte sich die Leiterin des Instituts «Nachhaltigkeit und Energie am Bau» an der FHNW.

Als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft sollen laut der Umweltnaturwissenschaftlerin erneuerbare Materialien eingesetzt werden. «Lehm spielt dabei eine immer wichtigere Rolle», bekundete sie. Ebenso würden Holz oder Stroh einen guten Boden bilden, um CO2-Fussabdrücke zu verkleinern. «Die Architektur beginnt bereits, diese Materialien aufzunehmen und umzusetzen.» Auch die Begrünung helfe, anstatt zum Hitzeinseleffekt beizutragen.

Ein «Staubsauger» für CO2

Impressionen von der Swissbau 2024.

Quelle: Ben Kron

Denkanstoss an der Swissbau: Die Bauwirtschaft ist für 80 Prozent des Abfalls verantwortlich.

Das Ziel ist «Netto Null». Doch davon sind wir noch weit entfernt. «Die globale Temperaturerhöhung ist aktuell bei 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau», teilte Peter Richner mit. Dennoch entwarf der stellvertretende Empa-Direktor ein positives Zukunftsszenario: «Der globale Energieverbrauch von 0,01 Prozent ist nichts im Vergleich zu dem, was die Sonne auf die Erde bringt.» 99 Prozent der Erde seien heisser als 1000 Grad.

«Es gibt mehr als genug erneuerbare Energie», versicherte der Verantwortliche des Empa-Projektes «Nest». Dies hiesse, dass wir auch in zwanzig oder dreissig Jahren mehr als genug erneuerbare Energie zur Verfügung hätten. Das Ziel des Empa-Forschungsprojekts «Mining the Atmosphere» sei, Materialien und Prozesse zu entwickeln, um von einer CO2-emittierenden zu einer CO2-bindenden Gesellschaft zu werden, erklärte der Chemiker. «Dafür bauen wir einen ‹Staubsauger› für CO2», brachte es der Spezialist griffig auf den Punkt.

Kohlenstoffreiche Pellets

Beton ist verfügbar, aber ein Klimakiller. Forscher entwickeln deshalb Ideen, wie man auch mit Material künftig umweltfreundlicher bauen kann. Beton und Asphalt bilden den grössten Teil aller verwendeten Materialien. Der CO2-Ausstoss dieser Menge sei massiv. «Der Anteil des weltweiten CO2-Ausstosses, den die Zementindustrie verursacht, macht derzeit rund sieben Prozent aus», führte Pietro Lura aus.

Die Zementproduktion zur Betonherstellung verursache die grössten CO2-Emissionen, nämlich sechs Prozent aller Emissionen in der Schweiz, stellte der Leiter der Abteilung «Beton & Asphalt» der Empa klar. «2050 werden es bereits 20 Prozent der nationalen Emissionen sein», erklärte der Bauingenieur. Das Forschungsziel sei, neue Zement- und Bitumen basierte Materialien zu entwickeln, weniger schädliches Klimagas entstehen zu lassen und CO2 aus der Atmosphäre zu bannen. «Denn derzeit werden noch immer siebenhundert Kilogramm CO2 bei der Herstellung jeder Tonne Zement frei.»

Lura hatte die geniale Idee, Beton mit Pflanzenkohle zu versetzen. So entstanden kohlenstoffreiche Pellets und CO2-negative Baumaterialien (siehe dazu den Artikel auf Seite 30 in dieser Ausgabe). «Damit wird CO2-neutraler Beton hergestellt», teilte der ETH-Titularprofessor mit. «Wenn wir Zement mit niedrigeren Emissionen benutzen würden oder anderen Prozesstechnologien, etwa die carbonatisierte Gesteinskörnung, könnten wir negativer werden».

Neue Kompetenzen erforderlich

Auch über die Ausbildung, Aufgaben und Kompetenzen künftiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde referiert und diskutiert. An der Hochschule Luzern (HSLU) beispielsweise werden seit 2020 neue Studiengänge angeboten. Architektur, Bauingenieurswesen oder Gebäudetechnik und Energie könne man an der HSLU in der Ausbildung «Digital Construction» im Kontext der digitalen Skills lernen, wie Markus Weber ausführte.


Bei «Scripting» und «Programming» würden die Gebäude immer mehr mit Daten beschrieben, was neue Möglichkeiten eröffne, so der Studiengangsleiter. «Man kann Gebäude programmieren oder in einer frühen Phase der Baubarkeit vieles mittels Scripting abbilden», erklärte der Präsident von «Bauen digital Schweiz/buildingSMART Switzerland». Die «Extended Reality» schaffe Optionen, um mit zukünftigen Nutzern, den Bauherren, zu kommunizieren, da diese vielfach «keine Pläne lesen» könnten. «Digital Fabrication» ermögliche es, während der Planung Daten zu produzieren und damit auch direkt Fertigkeitsprozesse anzustossen. «Das bedeutet einen nahtlosen Übergang in die Fertigkeitsprozesse, etwa mittels ‹Bridging Printing› beispielsweise Beton zu drucken», so der Dozent.

Auch der Einsatz von Robotern sei etwa beim Versetzen von Dachziegeln oder Fassadenplatten optimal. «In der Bewirtschaftung werden die ‹Digital Twins› immer wichtiger, weil die ganzen Daten im Kontext zur Verfügung stehen, um ein Gebäude im ganzen Lifecycle optimal verwalten zu können.»

Markus Mettler betonte in seinem Referat, dass Bauexpertinnen und -experten in dieser Zeit des technologischen Wandels nicht nur fachkompetent sein müssten. Gefragt seien auch Interdisziplinarität, ein prozessuales Denken sowie aufgrund der vielen, verschiedenen Zielgruppen Sozialkompetenz, führte der VR-Delegierte der Halter-Gruppe aus. «Zusammengehalten wird alles durch ein Informationsmanagement. Wir müssen über jede Phase rund um den Lebenszyklus Daten erheben und wieder verfügbar machen, in Form von Templates, von Planungen und Bauprodukten», berichtete der Betriebsökonom. «Das ist die Aufgabe unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zukunft».

Zu wenig Wohnraum im Jahr 2024

Podiumsgespräch an der Swissbau

Quelle: Silva Maier

Diskussion über die Bauwirtschaft: 2024 wird in der Schweizer Bauindustrie keine Aufwärts-bewegung erwartet.

Auch die Bauwirtschaft spielt eine wichtige Rolle in der ganzen Branche. Im Swissbau-Lab machte Philipp Scheidegger eine Bestandsaufnahme des Schweizer Baumarkts. «Der Hochbau ist stabil», so der CEO der Docu Media Schweiz GmbH, deren Rechercheteam die gesamten Baudaten erfasst. Doch die Bereiche Einfamilienhäuser (EFH) und Mehrfamilienhäuser (MFH) seien seit dem Höchststand 2017 rückläufig, führte der Unternehmensleiter aus.

Patrick Schnorf prognostizierte, was den Baumarkt im Jahr 2024 erwarte. «Auf Basis der von der Docu Media erfassten Daten können wir aufgrund jedes einzelnen Baugesuches und bewilligten Projekts eine Bottom-up-Prognose erstellen», erklärte das Verwaltungsratsmitglied bei Wüest Partner. Dies ergebe eine Realisierungswahrscheinlichkeit: 2024 werde in der Schweizer Bauindustrie keine Aufwärtsbewegung erwartet. 

«Vielmehr wird uns das Jahr 2024 Sorgen bereiten», stellte der Real-Estate-Analytiker fest. Es würde ein Problem auf der Wachstumsseite entstehen «auf dem Baumarkt, aber auch hinsichtlich der Produktion von Wohneinheiten», so der Immobilienexperte. Damit kam er auf ein schwieriges Thema zu sprechen. «Der Mehrfamilienhausbau hatte bereits im letzten Jahr, 2023, seinen Höchststand erreicht.» Doch dieser werde 2024 sukzessive und nominal rückläufig sein. Mit anderen Worten: Es wird in Zukunft nicht mehr genügend Wohnraum geben. «Und das ist politischer und gesellschaftlicher Sprengstoff», gab Partner des Unternehmens zu bedenken.

Scheidegger erinnerte an die höheren Kosten, die steigenden Hypothekarzinsen und die teureren Materialpreise im letzten Jahr. «Doch alles hat sich wieder etwas beruhigt», relativierte der Firmenchef. Man habe viel in das Bildungs- und Transportwesen investiert, was die Marktsituation im Bereich des Wohnungsbaus wieder ausgeglichen hätte. 2024 sei ein Übergangsjahr gewesen, «doch der Wohnungsbau muss wieder nach vorne rücken», betonte der CEO der Docu Media Schweiz GmbH mit Nachdruck.

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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