„Rivellino“-Besitzern droht Enteignung
Das „Rivellino“ in Locarno besteht aus Überresten eines Bollwerks und ist vermutlich ein Frühwerk von Leonardo da Vinci. Die Stadt will den Bau des Universalgenies kaufen. Doch bis jetzt konnte sie sich mit den Besitzern nicht einigen.
In der Locarneser Altstadt finden sich die Überreste eines Bollwerks aus dem 16. Jahrhundert, das zu seiner Zeit als eine der modernsten Festungsbauten galt. Bei diesen eher unscheinbaren Mauern, die Teil des Schlosses von Locarno sind, handelt es sich vermutlich um das einzige noch erhaltene Bauwerk von Leonardo Da Vinci. Von Aussen erkennt man nur wenig von der Anlage, die Reste der Gänge und Schiessscharten liegen mehrheitlich unter der Erde. Der italienische Militärhistoriker Marino Viganò hatte bereits vor fünf Jahren die These aufgestellt, dass die Pläne des sogeannten „Rivellino“ mit grosser Sicherheit vom jungen Leonardo da Vinci stammten. In Fachkreisen ist diese nahezu unbestritten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass das Bollwerk von Leonardo stammt, beträgt 95 Prozent“, erklärte damals Carlo Pedretti, Leiter des Armand Hammer Center for Leonardo da Vinci Studies an der University of California, gegenüber Swissinfo.
Mögliche Touristenattraktion
Nun will die Stadt Locarno den Bau kaufen: Das Gemeindeparlament hat einen Kredit von 1,3 Millionen Franken bewilligt. Allerdings befindet sich das "Rivellino" in Privatbeseitz. Die Stadt habe zweieinhalb Jahre lang mit den Eigentümern verhandelt, ohne dabei zu einem Abschluss gekommen zu sein, erklärte Stadträtin Tiziana Zaninelli im Radio "Rete 1". Bevor es zu einer allfälligen Enteignung kommt, soll nun nach dem Willen des Parlamentes ein Vermittler versuchen, die Wogen zu glätten. Ein entsprechender Entscheid gefällt, wie die Stadtkanzlei von Locarno auf Anfrage mitteilte.
Gut möglich, dass das Stimmvolk das letzte Wort in dieser Angelegenheit hat. Denn die Gegner eines Kaufs kündigten an, das Referendum zu lancieren. Sie sind die Ansicht, dass der Erwerb des "Rivellino" für die finanziell alles andere als auf Rosen gebettete Stadt nicht prioritär ist. Derweil sieht die Stadtregierung wohl eine Einnahmequelle im Leonardo-Bau: Sie möchte das Bollwerk aufwerten und in eine Touristenattraktion verwandeln. Um diesen Plan perfekt umzusetzen, müssten Experten zufolge allerdings auch bestehende Wohnhäuser weichen. Denn das "Rivellino" ist seit Jahrzehnten von Wohnhäusern umgeben und für Passanten kaum zu sehen.
Abgerissen wurden im Laufe der Jahrhunderte auch weite Teile der Burg von Locarno. Diese befand sich im ausgehenden 15. Jahrhundert im Besitz der Franzosen, die damals im Herzogtum Mailand das Sagen hatten. Um Locarno besser gegen die Eidgenossen verteidigen zu können, wurde 1507 wurde ausserhalb der Burg ein rund 18 Meter hohes Bollwerk errichtet, eine ausgeklügelte Anlage in Form eines unregelmässigen Fünfecks. (mai/sda)