René Schürmann: «Mit einem günstigen Produkt ist es noch nicht getan»
Seit bald zwei Jahren erlebt die Schweizer Heizungsbranche einen Boom. Der erfreulichen Nachfrage stehen Personalmangel und immer anspruchsvollere Systeme gegenüber. Gelingt es Installateuren und Herstellern, diesen Spagat zu meistern? René Schürmann, Präsident Gebäudeklima Schweiz (GKS) und Geschäftsführer bei Elco, ist zuversichtlich, warnt aber vor zu hohen Ansprüchen.
Quelle: zvg
René Schürmann, Präsident Gebäudeklima Schweiz (GKS), betont das Wissen und Können der «Heiziger»: «Die Kunst in unserem Handwerk ist es, für jeden Kunden, jedes Gebäude die richtige Lösung zu finden.»
Die letzten Jahre waren für die Heizungsbranche anspruchsvoll. Zuerst hat Corona die Lieferketten kräftig durchgeschüttelt, dann brach der Ukrainekrieg aus, was zu einem noch nie gesehenen Nachfrageschub für Sanierungen führte. Wo stehen wir derzeit?
Die Situation beginnt sich wieder etwas zu entspannen. Die Installationsbetriebe sind nach wie vor sehr gut ausgelastet, an Arbeit fehlt es nicht. Zum Glück hat sich aber die Nachschubproblematik wieder etwas entspannt. Über mehr als zwei Jahre hinweg waren zum Beispiel Warmwasserspeicher (Boiler) in ganz Europa Mangelware. Deshalb mussten viele Projekte aufgeschoben werden. Zum guten Glück sind die Lieferketten nun wieder etwas stabiler.
Gerade während der Corona-Jahre lautete eine beliebte Forderung, man müsse halt die Lieferketten wieder de-globalisieren. Ist das bei Heizungen überhaupt machbar?
Ich glaube, hier gibt es oft ein Missverständnis. Viele Hersteller produzieren heute in Europa. Aber alle verwenden für gewisse Teile Zulieferanten. Wenn nun einer dieser europäischen Zulieferer Komponenten aus Fernost bezieht, sind sie von allfälligen Lieferproblemen in Asien betroffen. Und das ist auch passiert. Die Produkte waren zu 90 Prozent fertig, doch es fehlten eine oder mehrere Komponenten. Hier sehe ich ehrlich gesagt, keine Lösung.
In der ganzen Baubranche und auch in der Gebäudetechnik fehlen qualifizierte Kräfte. Was unternehmen Sie bei Elco, um Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten?
Der weitaus grösste Teil unserer Mitarbeitenden ist im Bereich Service tätig. Ich glaube, dass wir hier mit dem Berufsbild Servicetechniker einen sehr attraktiven Job anbieten. Er vereint Technik und Handwerk und bringt viel Abwechslung. Und meistens schätzen es die Kundinnen und Kunden, dass man vorbeikommt und ihre Probleme löst. Daneben bilden wir die Mitarbeitenden intern wie extern ständig weiter. Im Service wie auch in den übrigen Funktionen bieten wir zudem flexible Arbeitsformen und zahlreiche Benefits.
Zur Person
René Schürmann (58) ist Präsident bei Gebäude Klima Schweiz (GKS), dem schweizerischen Branchenverband für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Seit 2008 ist René Schürmann Geschäftsführer der Elcotherm AG in Vilters. Nach einer Lehre als Maschinenzeichner studierte er Betriebswirtschaft an der HSG. Vor seinem Einstieg bei Elco war Schürmann unter anderem für Hilti und Velux tätig.
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Die moderne Wärmepumpe erobert auch alte Gebäude: Blick in den Keller eines 300jährigen Bauernhauses in Ruswil LU. Um die Speicher unterzubringen, musste der Boden tiefergelegt werden.
Servicetechniker ist ein Zweitberuf, noch gibt es keine Lehre. Die Solar- und Gebäudehüllenbranche hatte vergleichbare Personalprobleme und konnte nun mit dem Solarinstallateur EFZ einen neuen Lehrberuf schaffen. Wäre das auch für die Heizungsbranche ein Thema?
Wir haben dieses Thema im Fachverband Gebäudeklima Schweiz (GKS) eingehend diskutiert und sind zum Ergebnis gekommen, dass es nicht umgesetzt werden kann. Lernende als Monteur einzusetzen ist nicht einfach. Jedoch bieten wir im GKS eine Weiterbildung bis zum eidgenössischen Fachausweis. Gemeinsam mit unserem Partnerverband Suissetec arbeiten wir zudem daran, die Attraktivität der Branche zu erhöhen. So wurde etwa die Lehrzeit für den Heizungsinstallateur EFZ verlängert. Es gibt zusätzliche Module, um den immer höheren Ansprüchen Rechnung zu tragen.
Das Handwerk der «Heiziger» ist durch die Fortschritte bei der Technik, etwa den Wechsel von relativ simplen fossilen Brennern zu ausgeklügelten Wärmepumpen, deutlich komplexer geworden. Was heisst das für die Planung und Installation?
Vermutlich geht die Entwicklung in zwei Richtungen. In die Berechnung, Auslegung und Planung von Heizungsanlagen wird man mehr Ressourcen investieren, um teure Fehler zu vermeiden. Diese Mehrkosten müssen jedoch irgendwo eingespart werden. Ein logischer Schritt wäre, dass wir Hersteller unsere Produkte noch viel stärker modularisieren. So könnten die Installationen einfacher und schneller umgesetzt werden. Das würde aber heissen, dass die Arbeit der Installateure langweiliger und der Beruf wiederum weniger attraktiv wird. Das ist keine einfache Situation
Nicht nur die Technik an sich, sondern auch die Umweltschutzvorgaben der EU und der Schweiz bringen weitere Komplexität. Manche Wärmepumpen respektive Kältemaschinen setzen schon heute auf natürliche Kältemittel wie etwa Propan oder CO2. Nun will die EU solche natürlichen Kältemittel als Standard durchsetzen. Was bedeutet diese Umstellung für die Hersteller?
Natürliche Kältemittel bieten sehr viele Vorteile. Am augenfälligsten ist der viel geringere Treibhauseffekt. Klassische Kältemittel wie R410a besitzen ein «Global Warming Potential» von 450, ein natürliches Kältemittel wie R290 also Propan, hat nur noch ein GWP von 1. Für die Umwelt und den weiteren Verlauf der Klimaerwärmung ist die Umstellung zweifellos eine gute Nachricht. Jedoch haben die neuen Kältemittel einen gewichtigen Nachteil, nämlich die Entzündbarkeit. Aus Herstellersicht fragen wir uns, wie zum Beispiel die ganze Logistik organisiert werden kann. Ein Sattelschlepper mit 10 oder 20 Wärmepumpen stellt heute kein Problem dar, doch mit solchen Zahlen kann man bei entzündlichen Kältemitteln kaum noch rechnen. Auch die Lagerhaltung wird man neu denken und organisieren müssen.
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Genaues Hinschauen ist gefragt: Ein Servicetechniker kontrolliert den Kondenswasserablauf einer Luft-Wasser-Wärmepumpe.
Welche Veränderungen zeichnen sich im Zusammenhang mit dieser Umstellung für die Installateure ab?
Die neuen Kältemittel werden neue Ausbildungen notwendig machen. Wenn das bisher eher unproblematische Kältemittel entzündlich ist, müssen Installation, Service und Reparaturen anders gestaltet werden. Da alle Hersteller ihre Produktlinien komplett überarbeiten müssen, einzelne Produkte vielleicht auch wegfallen, wird es zudem einen grossen Schulungsbedarf geben. Hier hat der Verband die Aufgabe, diese Schulungen auch anzubieten.
Kann die Schweiz Einfluss auf diese Entwicklungen nehmen?
Das bezweifle ich stark. Wie in vielen anderen Bereichen wird uns die EU den Takt vorgeben. Der aktuelle Plan sieht vor, dass ab 2026 alle Geräte auf natürliche Kältemittel umgestellt werden müssen. Ein Vorpreschen der Schweiz müssen wir vermeiden, denn sonst schaffen wir einen Nischenmarkt. Fast alle grossen Wärmepumpen-Hersteller stammen aber aus dem EU-Raum. Sie wollen ein Produkt für alle Länder anbieten. Niemand hat Interesse, für den relativ kleinen Schweizer Markt ein «Sonderzügli» zu fahren.
Stichwort Schweizer Markt: Wie viel Sorgen machen ihnen die grossen Hersteller aus Asien, die auch auf den Schweizer Markt drängen könnten?
Mit einem günstigen Produkt, das auf dem Papier tolle Werte bietet, ist es noch nicht getan. Denn bei einer Wärmepumpe geht es eben nicht nur um das «blutte» Produkt, sondern um die ganze Anlage. Ein Gerät kann einen noch so guten COP (Wirkungsgrad) haben – wenn die Einbindung hakt, wird es diese Zahl nie erreichen. Damit die Kundschaft am Schluss zufrieden ist, muss das ganze System stimmen, und dafür braucht es viel Wissen und Können bei der Auslegung und Installation. Die Kunst in unserem Handwerk ist es, für jeden Kunden, jedes Gebäude die richtige Lösung zu finden. Und dafür kann man sich nicht auf die Angaben im Prospekt verlassen. Wir wissen ja alle, wie realistisch die Verbrauchsangaben von Autos sind: Das sind Fahrten auf einem Prüfstand, ohne Radio, ohne geöffnete Fenster, also unter rein abstrakten Bedingungen.
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Rundum erneuerbar: Ein Neubau ein Merligen BE besitzt vollflächige Solardächer. Diese speisen auch drei Luft-Wasser-Wärmepumpen.
Dann sind Sie also weiterhin optimistisch für die Schweizer Heizungsbranche?
Ja, das bin ich. Wir haben in unserer Branche sehr viel Erfahrung und Können versammelt, und wir wissen auch, was die anspruchsvolle Schweizer Kundschaft erwartet.
Der Verband Gebäudeklima Schweiz (GKS) spricht sich dafür aus, das vor einigen Jahren eingeführte WP-System-Modul (WP-SM) wieder abzuschaffen. Welche Überlegung steckt dahinter?
Das WP-SM entstand aus dem Gedanken der Qualitätssicherung. Man wollte sicherstellen, dass die «neue» Wärmepumpentechnik korrekt installiert und sauber in Betrieb genommen wird. Doch der Markt hat sich stark entwickelt. Es gibt praktisch nur noch Wärmepumpen im Angebot, die fossilen Geräte sind kaum noch sichtbar. Die Installationsbetriebe haben heute ausgiebige Erfahrungen mit Wärmepumpen. Deshalb gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, weiterhin den ganzen Aufwand zu treiben. Anders gesagt: Die Qualität der Installationen ist mittlerweile auf einem hohen Niveau. Darum stellt sich die Frage ob alle Wärmepumpeninstallationen mit diesem Aufwand überprüft werden müssen. Aus unserer Sicht schiessen wir damit über das Ziel hinaus. Warum sollte man sogar die Speicher zertifizieren lassen und Einschränkungen bei der Optimierung der Heizungsanlage hinnehmen müssen? Das ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn mehr.