Quartalsbericht 4/2022: Bauindustrie behauptet sich
Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann im 4. Quartal ein beachtliches Ergebnis vorweisen. Geplant sind höhere Investitionen in Mehrfamilienhäuser, auch das Bürosegment kann wegen des robusten Arbeitsmarkts zulegen. Entspannt hat sich die Lage bei den Materialpreisen. Die Konjunkturentwicklung bleibt fragil, aber in eine Rezession abgleiten wird die Schweiz wohl nicht.
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Baustelle. (Symbolbild)
Die Erhöhung der Leitzinsen durch die Zentralbanken zur Inflationsbekämpfung führte auch auf dem Mietwohnungs- und Immobilienmarkt zu Verwerfungen. Inflation und steigende Zinsen trübten die Stimmung der Immobilienanleger und liessen den Swiss Real Estate Sentiment Index (SRESI) innerhalb eines Jahres von einem Höchstwert in den Keller rasseln – auf einen Allzeittiefstwert. Der vom Beratungsunternehmen KPMG Schweiz jährlich berechnete Index bildet die Erwartungen von Investoren, Entwicklern und Bewertern am Schweizer Immobilienmarkt ab.
Erstmals seit über zehn Jahren erwarten professionelle Marktteilnehmer sinkende Preise für Anlageimmobilien. Noch vermittelt der vom Immobilienberatungsunternehmen Iazi erstellte SWX Iazi Private Real Estate Index ein anderes Bild. Bei den Mehrfamilienhäusern (MFH) legten die Preise im Schlussquartal gegenüber dem Vorquartal um 1,7 Prozent zu. Auf Jahressicht ergab sich laut dem Index ein Plus von 5,6 Prozent. Zum Jahresende zeigte sich laut Iazi in diesem Segment allerdings eine rückläufige Zahlungsbereitschaft, was als Reaktion auf die Zinswende ein erstes Anzeichen für Preiskorrekturen sein könnte.
Dabei ist bei Mietwohnungen das Angebot kleiner geworden. Laut dem Online-Wohnungsindex, der vom SVIT und dem Swiss Real Estate Institute herausgegeben wird, sank die Zahl ausgeschriebener Wohnungen per 20. September im Vergleich zum Vorjahresstichtag um 9,5 Prozent auf noch rund 434'000 Objekte. Aufgrund des geringeren Angebots sind die Mietpreise für Wohnungen gestiegen. Akut ist die Wohnungsnot in den Städten. In Zürich beispielsweise haben sich im Jahresvergleich die Mieten für neue Wohnungen im Schnitt um 6,9 Prozent erhöht, wie der von Homegate in Zusammenarbeit mit der Zürcher Kantonalbank (ZKB) erstellte Index für die Städte ausweist.
Doch von tiefen Leerwohnungsziffern betroffen sind mittlerweile auch Gemeinden in kurzer Pendlerdistanz zu den Grossagglomerationen. Zwar zeichnete sich laut dem Homegate-Mietindex im November im Vergleich zum Vormonat bei der Preisentwicklung eine leichte Entspannung ab. Doch im Jahresvergleich wurden Mietwohnungen deutlich teurer angeboten, wobei die Preisänderungen kantonal variieren und dabei die Spanne von +0,5 Prozent (Freiburg) bis +5,4 Prozent (Schwyz) umfasst, wobei auch die hohe Nettozuwanderung eine Rolle gespielt haben dürfte. Vom Bevölkerungswachstum erwarten die Immobilienspezialisten der Credit Suisse jedoch auch künftig positive Impulse auf die Baunachfrage.
Immerhin zeichnet sich bei der Wohnbautätigkeit eine Beschleunigung ab. Im Vergleich zum Vorjahresquartal erhöhten sich die geplanten Wohnbauinvestitionen gesamthaft um 8,1 Prozent, wie aus Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH hervorgeht. Das Plus ist dem Segment Mehrfamilienhäuser (MFH) zuzuschreiben. Im Vergleich zum Vorjahresviertel konnte es die geplante Bausumme um 14,9 Prozent und gegenüber dem Vorquartal um 9,2 Prozent erhöhen.
Zur künftigen Bautätigkeit in diesem Segment dürfte vor allem das Wachstum des Neubaugeschäfts beitragen. Zwar haben sich seit Beginn der Pandemie die durchschnittlichen Quartalssummen des MFH-Segments stetig erhöht, doch dürfte ein Teil des Zuwachses auch auf die Bauteuerung zurückzuführen sein.
Entspannung bei Materialpreisen
Auch beim Wohneigentum ist die Nachfrage weiterhin robust. Gemäss dem Swx Iazi Private Real Estate Index verteuerte sich Wohneigentum im vierten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 1,4 Prozent. Zu diesem Preisanstieg hätten sowohl die Einfamilienhäuser als auch die Eigentumswohnungen in etwa im gleichen Mass beigetragen. Gesamthaft wurden laut dem Index 2022 für Eigenheime um 5,0 Prozent höhere Preise bezahlt als im Jahr davor.
Dabei dürfte das Angebot an verfügbaren Einfamilienhäusern (EFH) noch knapper werden und den Preisen zusätzlichen Auftrieb verleihen. Denn laut den Docu-Media-Daten ging die projektierte Bausumme des EFH-Segments im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,7 Prozent zurück, wobei zum Jahresende erstmals sowohl das Neubau- als auch das Umbaugeschäft ins Minus gerieten. Damit vollzog das Segment in der zweiten Jahreshälfte eine Trendwende. Im Vergleich zum 3. Quartal sank die Bausumme um 11,4 Prozent nach einem Minus von 9,4 Prozent im 2. Quartal.
Die Wohnbautätigkeit künftig zusätzlich bremsen dürften die gestiegenen Finanzierungskosten. Denn mittlerweile sind Hypotheken doppelt so teuer wie noch vor einem Jahr. Per Januar betrug der durchschnittliche Richtzinssatz 2,54 Prozent für fünfjährige und 2,76 Prozent für zehnjährige Festhypotheken, wie der Vergleichsdienst Moneyland.ch eruiert hat.
Vom Höchststand im Oktober (2,96 % und 3,35 %) haben sich die Richtzinssätze zwar abgeschwächt, doch gehen Marktteilnehmer davon aus, dass mit weiteren Erhöhungen des Leitzinses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) wieder mit steigenden Hypothekarzinsen zu rechnen sein wird, wie der Vergleichsdienst weiter schreibt. Allerdings könnten weitere Anpassungen des Leitzinses teilweise bereits eingepreist sein.
Immerhin entspannte sich im Verlauf des Schlussquartals die Lage bei den Materialpreisen. Der vom Koordinationsgremium der Bauorgane des Bundes (KBOB) erhobene Materialpreisindex zeigte im letzten Quartal sowohl beim Hoch- als auch beim Tiefbau stetig tiefere Materialpreise an, während sie noch in der ersten Jahreshälfte in die Höhe schossen und über Monate auf hohem Niveau verharrten.
Industrie zaghaft
Für die Schweizer Industrie sind nach dem Abwärtstrend der vergangenen Monate im Dezember die Aussichten wieder et-was besser geworden, wie der von der Credit Suisse und dem Fachverband für Einkauf und Supply Management Procure.ch berechnete Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers’ Index - PMI) andeutet. Im Schlussmonat hat der für die Industrie erstellte Index um 0,2 Punkte auf 54,1 Zähler zugelegt. Die wirtschaftlichen Turbulenzen schlugen auch auf das Segment Industriebau durch.
Im Vergleich zum Vorjahresquartal ging die geplante Bausumme laut den Docu-Media-Daten um 13,1 Prozent zurück, nachdem das Segment bereits im 3. Quartal einen Einbruch verzeichnen musste, wobei Basiseffekte aufgrund der Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2021 bei der Abschwächung zur berücksichtigen sind. Insgesamt entwickelte sich die Bausumme mit Betrachtung zum jeweiligen Vorquartal volatil mit einer Stagnation im 4. Quartal.
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Zwar sind wieder höhere Investitionen für den Bau von Mietwohnungen geplant, doch dürfte sich die Angebotsknappheit in Städten und Agglomerationen vorerst nur unwesentlich entschärfen. Bild: Stadt Zürich.
Die Wachstumsschwäche hat auch die kleinen und mittelgrossen Unternehmen erfasst. Die Geschäftszahlen der Unternehmen sind laut der Raiffeisenbank trotz des schwierigen Umfelds zwar immer noch stabil, doch sei der Ausblick wegen der schlechten Auftragslage und des anhaltenden Kostendrucks eindeutig eingetrübt.
Arbeitsmarkt treibt Büronachfrage
Der Schweizer Arbeitsmarkt zeigt sich dagegen trotz Inflation, Energiekrise und einer drohenden konjunkturellen Abkühlung nach wie vor stabil. Laut dem Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco zur Lage auf dem Arbeitsmarkt setzt sich die positive Arbeitsmarktentwicklung des Vorjahres fort. Die Arbeitslosenquote sei sogar die tiefste seit 20 Jahren, wobei das starke Beschäftigungswachstum seit dem 2. Halbjahr 2021 anhält.
Die Bundesexperten gehen aber davon aus, dass die Konjunkturdelle auch den Arbeitsmarkt betreffen und 2023 die Arbeitslosenquote 2,3 Prozent betragen werde (2022: 2,2 %). Aufgrund der Energiepreise sei in der Schweiz mit einer hohen Inflationsrate von 2,2 Prozent zu rechnen (2022: 2,9 %).
Der boomende Arbeitsmarkt kurbelte letztes Jahr die Nachfrage nach Büroflächen an. Zugleich wurden jedoch weniger Bürogebäude fertiggestellt. Das hatte zur Folge, dass die Angebotsquote gegenüber dem Vorjahr schweizweit auf 5,6 Prozent gesunken ist, wie die Credit Suisse in ihrer Studie zum Büroflächenmarkt schreibt. Wegen der nach wie vor unabsehbaren Folgen von Homeoffice für die Büroflächennutzung sowie steigenden Bau- und Finanzierungskosten hätten die Investoren Zurückhaltung an den Tag gelegt, die im 4. Quartal jedoch abgelegt wurde. Laut den Docu-Media-Zahlen konnte die für Bürobauten geplante Summe gegenüber dem Vorjahresquartal um 40,7 Prozent zulegen.
Vermutlich keine Rezession
Mit der Rückkehr der internationalen Klientel schaffte der Tourismussektor letztes Jahr den Ausstieg aus dem Tal der Tränen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal legte laut den Docu-Media-Daten die geplante Summe für Bauten des Gastgewerbes um 38,0 Prozent zu. Innerhalb von vier Quartalen konnte das Segment die geplante Projektsumme mehr als verdoppeln auf den Spitzenwert der letzten Dekade. Bei der künftigen Bautätigkeit Impulse setzen dürfte der Fürsorgesektor. Für Gebäude des Gesundheitssegments waren laut den Docu-Media-Daten in allen vier Quartalen beachtliche Summe projektiert. In allen vier Quartalen rückläufig waren dagegen die geplanten Investitionen in Schulgebäude.
Aufgrund der Weltlage erwarten die Bundesökonomen hierzulande im laufenden Jahr eine Abkühlung der Konjunktur. Wie bei der Weltwirtschaft werde sich auch in der Schweiz die Gesamtleistung verlangsamen. Eine Rezessionsphase wird es laut Seco aber nicht geben. Dazu müsste die Wirtschaftsleistung in mindestens zwei Quartalen in Folge schrumpfen.
Die Raiffeisen-Ökonomen gehen für dieses Jahr von einem BIP-Wachstum von 1,0 Prozent aus. Die Einschätzung über das Wachstum der Wirtschaftsleistung deckt sich mit der Prognose der Credit Suisse (+1,0 %) in ihrem Mitte Dezember veröffentlichten «Monitor Schweiz». In diesem Jahr werde die Inflation 1,5 Prozent betragen (Inflation 2022: 2,9 %) und sich damit innerhalb des SNB-Zielbands von 0 bis 2,0 Prozent befinden.
Schlechte Konsumstimmung
Weil sich der Konsum robust entwickeln wird, erachtet die Credit Suisse das Rezessionsrisiko als klein. Die vergleichsweise hohe Inflation wird bei den Haushalten aber zu Kaufkraftverlusten führen, was die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz bremsen dürfte. Tatsächlich nahmen bei den Haushalten die Ausgaben für «Wohnen und Energie» überdurchschnittlich zu. Die Teuerung und die Weltlage haben zudem auf die Stimmung der Konsumentinnen gedrückt. Im 4. Quartal fiel der entsprechende Index auf einen historischen Tiefststand.
Neben den Erwartungen zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten beurteilten Konsumenten auch die finanzielle Lage als «sehr negativ», wie das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco in den Konjunkturtendenzen schreibt. Damit zeichnete sich ein Stimmungsumschwung ab. Denn noch im zweiten und dritten Quartal war der private Konsum trotz bereits eingetrübter Perspektiven überdurchschnittlich gewachsen.