08:23 BAUBRANCHE

Quartalsbericht 2/2024: Wohnbau legt nach

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
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Die geplanten Investitionen im Hochbau erreichen einen herausragenden Wert. Dynamisch entwickeln dürfte sich der Bau von Mehrfamilienhäusern. Die Photovoltaik bei Gebäuden boomt, während Industrie und Gewerbe kräftig investieren. Zum guten Quartalsergebnis haben die meisten Segmente beigetragen.

Quartalsbericht Q2-24

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Die Bedingungen für einen konjunkturellen Aufschwung wären gegeben, doch geopolitische Risiken dürften die Aussicht trüben.

Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann im 2. Quartal die Bedingungen für einen Expansionskurs schaffen. Die auf Basis von Gesuchen ermittelte Hochbausumme schoss im Vergleich zum Vorjahresquartal nominal um 47,4 Prozent in die Höhe. Wie in seltenen Fällen zuvor überstieg die aggregierte Summe den Wert von 15 Milliarden Franken.

Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass die geplanten Investitionen vom tiefsten Wert der Zeitreihe hochgeschnellt sind und dass die Zahlen auch ein Grossprojekt im Industriesegment umfassen. Die Entwicklung der künftigen Hochbautätigkeit ist gleichwohl breit abgestützt, denn die Zahl geplanter Hochbauvorhaben erhöhte sich gegenüber der Vorjahresperiode um 11,0 und zum Vorquartal um 6,4 Prozent.

Mehr Wohnungen in Aussicht

Der Wohnbau kann das Produktionstempo erhöhen und zum zweiten Mal in Folge die Erwartungen erfüllen. Gesamthaft legte die Wohnbausumme im Vergleich zum Vorjahresquartal um 34,6 und zum Vorquartal um 3,1 Prozent zu. Positiv auf die Investitionsbereitschaft für die Realisierung von Wohnbauten gewirkt haben dürfte eine weitere Senkung des Leitzinses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Höhere Auftragsvolumina generieren werden vor allem geplante Investitionen für den Bau von Mehrfamilienhäusern (MFH).

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Im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode betrug das Wachstum der Segmentsumme 45,2 Prozent (Vorquartal: +18,0%), wie aus Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH hervorgeht. Mehr als 2,4 Milliarden Franken wird zusätzlich in den Bau von mehrgeschossigen Wohngebäuden fliessen als in der Vorjahresperiode. Mit einem Plus von 39,6 Prozent (Vorquartal: +7,9%) dürfte auch das Neubaugeschäft profitieren. Das Geschäft mit An- und Umbauten verzeichnete zum Vorjahresquartal sogar eine Zuwachsrate von 65,4 Prozent (Vorquartal: +59,2%). Mit dem kontinuierlichen Wachstum bewies Bauen im Bestand bereits in den letzten Quartalen mehr Konstanz als der Neubaubereich.

Lange Bewilligungsdauer bremst

Zwar nimmt die Wohnflächenproduktion in den letzten zwei Quartalen auf hohem Niveau Fahrt auf, doch ist es noch zu früh, von einem anhaltenden Aufwärtstrend zu sprechen. Denn für die tiefe Bautätigkeit im MFH-Segment gibt es auch strukturelle Gründe wie die Bewilligungsdauer. Diese kann sich negativ auf die Bautätigkeit auswirken. 2023 lag laut einer Studie der UBS die mittlere Bewilligungsdauer für ein Mehrfamilienhaus bei rund 200 Tagen. Im Vergleich zu den Jahren 2011 bis 2020 hat sich der Bewilligungsprozess um mehr als 40 Tage verlängert. Eine der Ursachen liege in den umfangreichen Baugesetzen. Verdichtetes Bauen beispielsweise stelle höhere Anforderungen an die Bauplanung und führe zu einem komplexeren Verlauf bei der Gesuchstellung. In Zentrumslagen sei daher der Bau von Mehrfamilienhäusern mit einem höheren Aufwand verbunden als in kleinen ländlichen Gemeinden. Verdichten heisse oft auch höher bauen, was beispielsweise eine Zunahme von Einsprachen nach sich ziehen könne, etwa im Zusammenhang mit einem möglichen Schattenwurf von Gebäuden.

Wie schnell eine Bewilligung vorliegt, hängt auch davon ab, wo gebaut wird. Die Dauer variiert laut der Studie von Kanton zu Kanton stark, wie sich anhand des Medians auf Basis von Daten der Jahre 2022 und 2023 feststellen liess. Demnach mussten Bauherrschaften in Neuenburg, Freiburg und Jura überdurchschnittlich lange auf die Bewilligung warten. In Genf dauert es mittlerweile viel länger, bis eine Bewilligung vorliegt, als noch vor Jahren. Auch im Kanton St.Gallen ziehen sich die Verfahren merklich länger hin. Schneller unterwegs in Sachen Bewilligungen sind die Kantone Waadt, Thurgau und Tessin sowie die Bergkantone. Beschleunigen liesse sich der Bau von Mehrfamilienhäusern, indem Einsprachen beschränkt oder verteuert werden. Eine durchgehende Digitalisierung der Bewilligungsprozesse wird in der Studie als weiterer Ansatzpunkt für schnellere Bewilligungsverfahren genannt.

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Bei den Einfamilienhäusern verläuft die Entwicklung weit weniger dynamisch. Immerhin kann sich das Segment in den ersten beiden Quartalen mit Bezug zu den Vorjahreszahlen behaupten. Um 3,2 Prozent legte die Bausumme zu (Vorquartal: 4,4%). Beim Vergleich der letzten sechs Quartale fällt die ausgeprägte Volatilität der Segmentsumme ins Auge. In der Mehrjahresbetrachtung teilte sich das Geschäft jeweils ungefähr hälftig auf die Bereiche Neubauten und Bauen im Bestand. Tendenziell verliert der Neubau aber zugunsten von Renovationen an Terrain.

PV-Boom bei Gebäuden

Die Nutzung der Photovoltaik bei Gebäuden befindet sich mittlerweile in der Boomphase. 2023 hat sich die Energieausbeute von Dach- und Fassadenflächen im Vergleich zum Vorjahr um 51 Prozent auf 1641 Megawatt erhöht. Das Marktwachstum betrug das vierte Jahr in Folge über 40 Prozent. Dies zeigen Zahlen zur «Statistik Sonnenenergie» des Bundesamts für Energie (BfE) für das letzte Jahr. Besonders markant war der Zuwachs bei den Mehrfamilienhäusern (+59%). Zudem gibt es laut dem Branchenverband Swissolar einen Trend zu grösseren Anlagen, indem Dächer vermehrt vollständig genutzt werden, was sowohl in ökonomischer als auch ästhetischer Hinsicht sinnvoll ist. Mit einem Zuwachs von 65 Prozent ist der Energieertrag bei Industrie- und Gewerbegebäuden sogar noch grösser als bei Wohngebäuden.

Und bei der Speicherung von Solarstrom scheint sich immer mehr eine kombinierte Lösung durchzusetzen. 42 Prozent der neuen Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern wurden an Batteriespeichern angeschlossen, um die wetterbedingten Schwankungen der Produktion aufzufangen und dadurch die Versorgung mit Strom vom eigenen Dach zu verstetigen. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl neu installierter Batteriespeicher um 73 Prozent. Die Entwicklung ist auch vor dem Hintergrund des neuen Stromgesetzes zu sehen. Es bietet verlässliche Rahmenbedingungen mit Ausbauzielen und ein Instrumentarium, wie der Zubau bewerkstelligt werden kann. Dazu gehören etwa lokale Elektrizitätsgemeinschaften zur Förderung des Solarstroms in Quartieren. Der Erfolg der Instrumente hängt laut der Mitteilung von Swissolar jedoch stark von der Ausgestaltung der Verordnung ab, die voraussichtlich Ende Jahr vorliegen wird.

Quartalsbericht Q2-24

Quelle: Esch Sintzel / Filippo Bolognese Images

«Led Zeppelin» heisst das Siegerprojekt für das geplante Bürogebäude beim Bahnhof Zürich Oerlikon, das einen hohen Grad an Energieautarkie anstrebt.

Zeitenwende in Bulle

Investitionen von Industrie und Gewerbe in Gebäudeparks summieren sich in der Regel quartalsweise auf einen Wert, der deutlich über einer Milliarde Franken liegt. Dieses Mal kommt noch rund eine Milliarde Franken dazu. Aufwerfen will die Summe der Uhrenhersteller Rolex für den Bau von Fabrikationsanlagen in Bulle FR. Doch auch ohne das Grossprojekt und unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Investitionen von Industrie und Gewerbe im Kanton Freiburg im letzten Jahr, lag das Ergebnis um mehr als ein Drittel über jenem des Vorjahresquartals. Die Investitionsbereitschaft im zweitwichtigsten Segment lässt vordergründig auf eine robuste künftige Entwicklung der Bautätigkeit schliessen, doch das konjunkturelle Umfeld bleibt anspruchsvoll.

Weniger Aufträge aus europäischen Ländern und eine sinkende Nachfrage aus Übersee setzen den Unternehmen weiterhin zu. Die Produktionskapazitäten vieler kleiner und mittelgrosser Unternehmen (KMU) sind zu wenig ausgelastet, was künftig die Investitionsneigung dämpfen könnte, wie die Raiffeisenbank mit Blick auf den aktuellen Industrie-Einkaufsmanager-Index (PMI) feststellt. Die KMU meldeten zwar zum zweiten Mal in Folge einen leicht höheren Auftragsbestand. Insgesamt gebe es aber weiterhin wenig Anzeichen für eine schnelle Erholung der Industriekonjunktur.

Im Juni meldeten die befragten KMU abermals eine Verschlechterung der Geschäftslage bei einem PMI-Wert von 48,8 Punkten, nachdem sich der Index im Mai kräftig auf 50,5 Punkte über die Wachstumsschwelle hinaus hochschwang – von 44,8 Punkten im April. Insgesamt war das Quartal geprägt von einem Auf und Ab, einem momentanen Abbild der globalen Konjunktur. Viele KMU bearbeiten den Weltmarkt selbst, oder sie sind Zulieferer grösserer Exportfirmen. Bei den Schweizer Exporten wurde laut Zahlen des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) im Mai der Aufwärtstrend gebrochen – auf hohem Niveau allerdings.

Zähes Ringen um BIP-Wachstum

Für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz ist die Expertengruppe des Bundes etwas optimistischer als noch im ersten Quartal. Für 2024 prognostiziert sie ein Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) von 1,2 Prozent nach 1,1 Prozent in der März-Schätzung. Unverändert bleibt die Prognose für 2025 bei 1,7 Prozent. Es sei möglich, dass sich das Wachstum zügiger normalisiere als dies derzeit absehbar sei. Dies könne dann der Fall sein, wenn die Inflation international schneller zurückgehe als erwartet. In der Schweiz bewegte sich die Inflation im Juni bei 1,3 Prozent (Mai: 1,4%). 

Von einer Erholung der Schweizer Wirtschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahres gehen die Konjunkturforscher der ETH Zürich (KOF) aus, prognostizieren aber gleichwohl ein BIP-Wachstum von 1,2 Prozent (2025: 1,8%). Steigende Kaufkraft als Folge tieferer Inflation werde den Konsum ankurbeln und dank höherer Einnahmen der Unternehmen die Investitionsbereitschaft verbessern. Die SNB ist bei der Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung zurückhaltender und erwartet für die Schweiz 2024 ein BIP-Wachstum von rund einem und für 2025 von rund 1,5 Prozent, wie es in der Lagebeurteilung von Ende Juni heisst. Die Weltwirtschaft sei im Anfangsquartal zwar solide gewachsen, doch geopolitische Spannungen könnten nach wie vor die Entwicklung bremsen.

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Im für die Schweiz wichtigen Exportmarkt Deutschland geht die Inflation zügig in Richtung Preisstabilitätsschwelle von zwei Prozent zurück. Im Juni bewegte sich die Rate bei 2,2 Prozent (Mai: 2,4%). Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geht für 2024 von einem BIP-Wachstum von 0,4 Prozent aus und prognostiziert für 2025 ein Niveau von 1,5 Prozent. Das Schreckensszenario einer schrumpfenden Wirtschaft scheint definitiv verflogen zu sein. Zäh ist die Inflationsbekämpfung im Euroraum. Bei 2,5 Prozent lag die Rate im Juni (Mai: 2,6%).

Bildungswesen mit seltener Lücke

Zum sehr guten Quartalsergebnis haben alle Segmente beigetragen – mit Ausnahme des Bildungswesens. Weil die Bevölkerungsentwicklung auch einen Ausbau der Bildungsinfrastruktur erfordert, bewies das Segment in den letzten Quartalen Konstanz bei teilweise hohen Auftragsvolumina. Im zweiten Quartal geriet die Bausumme jedoch 9,3 Prozent ins Minus, blieb aber über dem Fünfjahresschnitt. Gegenläufig präsentiert sich die Situation beim Gesundheitswesen, einer anderen Domäne der öffentlichen Hand. Die Bausumme übertraf den Vorjahreswert um die Hälfte, verharrte aber unter dem Fünfjahresmittel. 

Als Stütze der Baukonjunktur erweisen werden sich auch Hochbauten für den Betrieb von Infrastrukturen, zumal das Segment in den zehnjährigen Zeitreihen erstmals die Marke von 300 Millionen Franken übertrifft. Das Hotel- und Gastgewerbe wiederum forciert den Ausbau des Angebots. Der Wert geplanter Bauprojekte lag weit über dem Doppelten der Vorjahresperiode, und es ist ein Rekordwert der letzten zehn Jahre. Und bei Gebäuden, die gesellschaftlichen und kulturellen Anlässen sowie der Freizeitgestaltung dienen, erreichte der seit sechs Quartalen anhaltende positive Trend einem neuen Spitzenwert.

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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