Quartalsbericht 2/2023: Hochbau agiert in schwierigem Umfeld
Das Schweizer Baugewerbe ist bei den geplanten Investitionen mit Rückgängen konfrontiert. Der Wohnbau hat nur gedrosselte Zugkraft. Beim Industriebau dürften die Jahre der Nachholeffekte vorbei sein, während die Projektsumme für Bürobauten zusammengefallen ist. Positive Zeichen setzen die öffentliche Hand sowie der Tourismus.
Quelle: Spillmann Echsle Architekten AG
Für den Bau von Schulen sind hohe Investitionen vorgesehen. Die Gebäude auf dem Brunnenhof-Areal in Zürich, so sich ehemals das Radiostudio befand, werden zur Deckung des Schulraumbedarf umgebaut.
Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann im 2. Quartal im Vergleich zur Vorjahresperiode die ausserordentlichen Wachstumsaussichten nicht annähernd bestätigen. Die auf Basis von Gesuchen ermittelte Hochbausumme reduzierte sich im Vergleich zum Vorjahr um 22,5 Prozent und sank dabei vom höchsten auf den tiefsten Wert der Zehnjahreszeitreihe. Auffallend ist der hohe Vorjahreswert der Bausumme, in der auch Preissteigerungen von Bau-materialien und Energie enthalten sind, sodass entsprechend Basiseffekte zu berücksichtigen sind.
Die Preise zogen aufgrund von Lieferengpässen vor allem im Oktober 2021 an. Der vom Bundesamt für Statistik (BfS) erstellte gewichtete Baupreisindex legte in der Folge bis zum April letzten Jahres überdurchschnittlich zu, was in den höheren nominalen Bauinvestitionen zum Ausdruck kam. Entsprechend sind die Zahlen des Hochbaus in Relation zu setzen. Die Entwicklung der Baupreise verzeichneten im letzten Halbjahr schweizweit zwar weiter einen Anstieg, doch hat sich dieser deutlich abgeschwächt. Auch im Vergleich zum Vorquartal nahm der Rückgang ein ähnliches Ausmass an (-21,0%), wie Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH zeigen.
Ebenfalls stark rückläufig im Vergleich zum Vorjahresquartal war die Anzahl der Gesuche (-14,1%), wiederum von einem Spitzenwert der letzten zehn Jahre. Im Vergleich zum Vorquartal hielt sich der Rückgang aber in Grenzen (-3,8%), was laut Docu-Media-Daten gleichwohl für eine gewisse Kontinuität spricht. Die Unsicherheit im Marktumfeld dürfte zu einer an-haltenden Volatilität bei der aggregierten Bausumme und der Zahl der Gesuche führen. Denn noch im ersten Quartal legte die Bausumme beachtlich zu, und die Zahl der Gesuche konnte auf hohem Niveau weiter ausgeweitet werden.
Wohnbau mit Wachstumssorgen
Mit wenig Dynamik präsentierte sich in den vergangenen drei Monaten der Wohnbau, was sich auch auf die künftige Hochbautätigkeit auswirken wird, zumal auf das Segment in der Regel rund zwei Drittel der Quartalssumme entfallen. Die Wohnbausumme fiel im Vergleich zum Vorjahresquartal gesamthaft um 19,8 Prozent zusammen, wiederum unter Berücksichtigung des Basiseffekts. Auch gegenüber dem Vorquartal sieht es nicht viel besser aus (-15,0%). Negativ waren die Veränderungsraten laut den Docu Media-Daten sowohl bei der Summe für den Bau von Mehrfamilienhäusern (MFH: -19,0%) als auch von Einfamilienhäusern (EFH: -22,3 %).
Bei beiden Segmenten war das Ausmass der Abschwächung beim Neubaugeschäft ausgeprägter als beim Bauen im Bestand. Demnach ging die Summe für Neubauten im MFH-Segment um 20,9 Prozent zurück und für Sanierungen bestehender Bauten um 11,4 Prozent. Ins Bodenlose gefallen sind die Investitionen im MFH-Segment allerdings nicht, denn im Vergleich zum Zehnjahresdurchschnitt blieb es bei einem Minus von 4,6 Prozent. Ein dunkleres Bild zeichnen die Zahlen des EFH-Segments.
Während die geplanten Investitionen in Sanierungen um 14,8 Prozent geringer als in Vorjahresquartal ausfielen, glitt die Summe für Neubauten um 30,4 Prozent ins Minus ab. Auch der Vergleich mit dem langjährigen Durchschnitt weckt wenig Hoffnung auf eine dynamische Bautätigkeit in diesem Segment (-12,5 %), wie aus Zahlen der Docu-Media-Daten hervorgeht.
Wenige Impulse ausgehen dürften somit vom Geschäft mit An- und Umbauten sowie Kombinationen davon. Die Investitionen in Wohnbauten im Bestand gingen im Vergleich zum Vorjahr gesamthaft um 13,0 Prozent zurück. Noch im Jahr 2021 und in der ersten Hälfte des letzten Jahres war der Trend beim Bauen im Bestand positiv, gefolgt von einer Stagnation in der zweiten Hälfte des letzten Jahres, wie Docu-Media-Daten zeigen.
Aufwärtstrend bei Mieten
Einen ähnlichen Rückschlag wie im 2. Jahresviertel verkraften musste der Wohnbau im dritten Quartal letzten Jahres, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) die erste Erhöhung des Leitzinses bekannt gab. Investoren mussten danach bei Hochbau-finanzierungen die Stellschrauben neu justieren. Die verhaltene Entwicklung des Wohnbaus hat in der Folge das Angebot an Mietwohnungen weiter verringert.
Bis Ende Mai sind die Angebotsmieten im Vergleich zum Vorjahresstichtag schweizweit um 3,1 Prozent angestiegen. Laut dem Mietindex, der vom Immobilienportal Homegate in Zusammenarbeit mit der Zürcher Kantonalbank (ZKB) erhoben wird, war mit Ausnahme von Freiburg (-0,2%) in allen Kantonen ein Anstieg zu beobachten mit ausgeprägten Zunahmen in den Kantonen Uri (+7,8%) und Schwyz (+6,9%). Von den acht untersuchten Städten waren die Zunahmen in Zürich (+10,0%) und Lugano (+7,7%) am höchsten. Ins vergangene Quartal fiel auch die Anpassung des hypothekarischen Referenzzinssatzes.
Konkret könnte laut Daten des in der Immobilienberatung tätigen Unternehmens Iazi auf rund die Hälfte der Mieterinnen und Mieter zum nächsten vertraglichen Kündigungstermin dieses Jahres eine Erhöhung der Mietzinsen um bis zu drei Prozent zukommen zuzüglich einer Überwälzung der Inflation sowie einer Kostenpauschale. Zudem könnten weitere Anpassungen des Referenzzinssatzes folgen, was das Wohnen verteuern wird.
Immobilienpreise stabilisierten sich
Dagegen haben sich die Preiserwartungen von Immobilien im Juni kaum mehr verändert. Lagen vor rund einem Jahr die Jahreswachstumsraten bei Häusern und Wohnungen bei acht Prozent und höher, betrugen bei den inserierten Preisen für Einfamilienhäuser (EFH) über die letzten zwölf Monate die Zunahmen 0,3 Prozent. Wohnungen wurden um 2,2 Prozent teurer, wie der Swiss Real Estate Offer Index zeigt, der von der SMG Swiss Marketplace Group zusammen mit Iazi monatlich berechnet wird. Damit dürften die Zinserhöhungen durch die Schweizer Nationalbank (SNB) am Immobilienmarkt Wirkung zeigen.
Mit dem steigenden Zinsniveau sind auch höhere Finanzierungskosten verbunden, die dämpfend auf den Immobilienmarkt wirken. Das zeigt sich beim MFH-Segment. Gemäss Fahrländer Partner Raumentwicklung (FPRE) sank der Marktwert von Mehrfamilienhäusern seit dem ersten Quartal 2022 innert Jahresfrist um 12,1 Prozent. Fahrländer begründen den Rückgang der Marktwerte mit den steigenden Zinsen und entsprechend höheren Verzinsungsansprüchen, was als Folge die Preise sinken lasse.
Immerhin zeichne sich eine Stabilisierung auf diesem tieferen Niveau ab. Zum einen seien weitere Zinsschritte der SNB vom Markt bereits weitgehend eingepreist worden, zum anderen stütze eine hohe Nachfrage nach Mietwohnungen die Immobilienpreise. Mit den Bewegungen im internationalen Zinsgefüge dürfte sich auch die Produktion von Wohnflächen den neuen gesamtwirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen.
Homeoffice erhöht Wohnansprüche
Weil seit der Corona-Pandemie deutlich mehr Menschen zuhause arbeiten als in den Jahren davor, steigen die Ansprüche ans Wohnen. Denn in den nächsten zehn Jahren werden rund 40 Prozent der Beschäftigten regelmässig multilokal arbeiten, sei dies im Homeoffice oder an wechselnden Orten. Davon geht eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) aus.
Die Entwicklung dürfte auch Folgen für Projekte des Bürobaus haben sowie die Preise von Bürogebäuden. Gemäss Berechnungen von Fahrländer fielen die Preise für Büroimmobilien seit dem Anfangsquartal 2022 innerhalb von zwölf Monaten um 7,9 Prozent. Bereits in den letzten Jahren war die Segmentsumme starken Schwankungen unterworfen. Im 2. Quartal gingen laut Docu-Media-Daten die geplanten Investitionen in Bauten für Handel und Verwaltung sowie Justiz im Vergleich zur Vorjahresperiode um 68,9 Prozent zurück. Es ist ein Tiefstwert der letzten zehn Jahre. Auch lag die Bausumme weit unter dem langjährigen Durchschnitt (-43,1%). Unwesentlich besser sieht das Zwischenergebnis der im Jahr aufgelaufenen Summe aus (Year to Date; YTD: -47,1%).
Keine Entwarnung bei Inflation
Um den Inflationsdruck zu bekämpfen, will die SNB die Geldpolitik weiter straffen und signalisiert dazu Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen. Anlässlich der Lagebeurteilung Ende Juni erhöhte die SNB den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent. Zwar ist die Inflation innerhalb von drei Monaten von 2,9 auf 1,7 Prozent im Juni gefallen und befand sich in dem von der SNB anvisierten Zielband von null bis zwei Prozent. Allerdings scheint die Entwicklung lediglich vorübergehender Natur zu sein. Denn der Hauptgrund für den starken Rückgang in der Schweiz ist der tiefere Ölpreis sowie die Entspannung bei den Lieferengpässen und die Frankenstärke.
Doch nach wie vor besteht laut der SNB das Risiko von Zweit- und Drittrunden-effekten, wonach als Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen Preiserhöhungen vorgenommen werden. Zudem ist laut der Lagebeurteilung der SNB von einem anhaltenden Inflationsdruck aus dem Ausland auszugehen. Ebenso könnte sich die Energiesituation im kommenden Winterhalbjahr wieder verschärfen. Auch die höheren Mieten dürften gegen Ende 2023 die Inflation befeuern. Und steigende Gesundheitskosten bereiten mittlerweile breiten Bevölkerungsschichten Sorgen.
Gemäss der neusten SNB-Prognose beträgt die Inflation im Jahresdurchschnitt 2,2 Prozent für 2023 und 2024 und 2,1 Prozent für 2025, wobei die Prognose grosser Unsicherheit unterliegt. In der kurzen Frist seien konjunkturelle Einbrüche im Ausland sowie negative Auswirkungen der Verwerfungen im globalen Finanzsektor die Hauptrisiken.
Trotz des garstigen Umfelds bezeichnet die SNB das Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) im ersten Quartal 2023 als solide. Aber auch nach einer leichten Belebung der Wirtschaftsaktivität in den letzten Monaten werde das Wachstum im weiteren Jahresverlauf bescheiden bleiben. Dämpfende Wirkung hätten teuerungsbedingte Kaufkraftverluste und eine verhaltene Nachfrage aus dem Ausland.
Die Wirtschaftsleistung legte laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im 1. Quartal um 0,3 Prozent zu. Die Ökonomen des Bundes gehen für das laufende Jahr von einem «deutlich unterdurchschnittlichen» Wachstum aus. Für 2023 prognostizieren sie im Vergleich zum Vorjahr ein BIP-Anstieg von 0,8 Prozent und für 2024 von 1,8 Prozent (bereinigt um Sportevents – 2023: 1,1%; 2024: 1,5%). Die Ökonomen von BAK Economics gehen in ihrer Vorhersage davon aus, dass die hiesige Wirtschaft 2023 um 0,3 und 2024 um 1,5 Prozent wachsen wird (bereinigt um Sportevents – 2023: +0,6%; 2024: +1,1%).
Eurozone: Zinserhöhungen in Serie
Mit hohen Inflationsraten zu kämpfen hat auch die Eurozone. Die Konsumentenpreise erhöhten sich laut dem Statistikamt Eurostat im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,5 Prozent, im Mai lag die Teuerung noch bei 6,1 Prozent (April: 7,0%). Seit Juli 2022 ging die Europäische Zentralbank (EZB) in einer beispiellosen Serie von Zinserhöhungen gegen die Teuerung vor. Mittlerweile liegt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB besorgen können, bei 4,0 Prozent. Die nächste Zinssitzung ist für den 27. Juli angesetzt.
In Deutschland hat sich im Juni die Inflationsrate aufgrund steigender Konsumentenpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 6,4 erhöht nach Abschwächungen über drei Monate in Folge (Mai: 6,1%). Zudem schrumpfte die Wirtschaftsleistung des wichtigsten Handelspartners der Schweiz im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent.
Die Zentralbanken müssen bei ihren Interventionen einen Kompromiss finden zwischen Inflationsbekämpfung und möglichst geringer Beeinträchtigung der Konjunktur. Hohe Zinsen sollen den Teuerungsraten entgegenwirken und die Kaufkraftverluste reduzieren. Doch gleichzeitig wird der private Konsum als wichtigste Komponente des Wirtschaftswachstums belastet. Zudem verteuern steigende Zinsen die Kredite, sodass Investitionen mitunter nicht getätigt werden.
Unternehmen hin und her gerissen
Angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen befinden sich die Unternehmen in einem Wechselbad der Erwartungen. Die befragten Industrieunternehmen meldeten wieder einen Rückgang der Geschäftsaktivität. Gestiegen seien lediglich die Auftragsbestände, während sich das Produktionsvolumen und der Einkaufslagerbestand rückläufig entwickelt hätten. Der von der Raiffeisenbank berechnete KMU-Einkaufsmanagerindex fiel im Juni leicht von 49,1 auf 48,8 Punkte, wobei die Marke von 50 Punkten die Grenze zwischen positiven und negativen Erwartungen bildet.
Und laut einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts YouGov erachtet rund ein Drittel der Schweizer KMU steigende Preise nach wie vor als eine grosse Bedrohung für den Betriebserfolg. Die gedrückte Stimmung fand auch bei der Investitionsbereitschaft ihren Niederschlag. Im 2. Quartal lagen laut Docu-Media-Daten die von Unternehmen geplanten Investitionen in Gebäudeparks 21,9 Prozent unter dem (ausserordentlich hohen) Vorjahreswert. Immerhin erreicht die geplante Bausumme knapp den langjährigen Durchschnitt. Auch das Zwischenergebnis des Segments gibt zur Hoffnung Anlass (YTD: +6,2%).
Tourismus wieder top
Bei der künftigen Bautätigkeit positive Akzente setzen wird das Tourismussegment. Nach einer erfolgreichen Wintersaison kann der Schweizer Tourismus auch mit einer guten Sommersaison rechnen. Laut einer Studie von BAK Economics werde die Zahl der Übernachtungen in diesem Sommer wieder ein Niveau kommen, das in den Jahren vor der Pandemie erreicht wurde.
Hauptgründe für die insgesamt positiven Aussichten seien nach dem Wegfall der Reisebeschränkungen die Erholungs- und Aufholeffekte in den Fernmärkten Indien, Japan und den USA. Die Entwicklung dürfte auch die Ertragskraft der Betriebe steigern, sodass wieder mehr Bauprojekte initiiert werden. Im Vergleich zur Vorjahresperiode erhöhten sich laut Docu-Media-Daten die geplanten Investitionen in Hotelbauten um 13,3 Prozent, auch lagen sie nur noch knapp unter dem langjährigen Durchschnitt.
Positive Zeichen vermitteln auch die Zahlen des Segments Gesellschaft, Kultur und Freizeit. Nach entbehrungsreichen Jahren während der Pandemie dürfte es wieder auf den Wachstumspfad zurück-kehren, und zwar sowohl gegenüber der Vorjahresperiode (+32,3%) als auch zum Vorquartal (+23,6%). Im Vergleich zum Vorjahr zulegen konnte auch der Infrastrukturbereich (+26,0%). Die öffentliche Hand zeigte dagegen ein uneinheitliches Investitionsgebaren. Während der Bildungsbereich zum zweiten aufeinanderfolgenden Mal ein weit überdurchschnittliches Wachstum der Investitionen ausweisen kann (Q2: +62,9%), entwickelte sich die Summe für Bauprojekte im Bereich des Gesundheitswesens unterdurchschnittlich (-63,6%).