09:18 BAUBRANCHE

Quartalsbericht 2/2022: Hochbau trotzt Krisenstimmung

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: Stefan Schmid

Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann die geplanten Investitionen ausweiten. Mit Ausnahmen konnten alle wichtigen Segmente zulegen. Ein Teil des Wachstums dürfte auf die Preisentwicklung von Energie und Rohstoffen zurückzuführen sein. Wegen der Energieversorgung droht der Schweiz kurzfristig eine konjunkturelle Abschwächung.

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Das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann eine gute Auftragslage erwarten, nachdem im 2. Quartal sowohl die geplante Summe als auch die Zahl der Gesuche gesamthaft überdurchschnittliche Wachstumsraten verzeichneten. Die auf Basis von Eingaben ermittelte Hochbausumme ist im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode um 21,2 Prozent in die Höhe geschossen, gegenüber dem Vorquartal lag das Wachstum immerhin bei 13,1 Prozent.

Allerdings dürften in den geplanten Investitionen auch Preiserwartungen berücksichtigt sein. Demnach wären bei der Gesuchstellung die teureren Baumaterialien bereits eingepreist. Die aggregierte Summe ist in der zehnjährigen Zeitreihe ein Rekordwert, was auch für die Zahl der Bauvorhaben gilt. Im Vergleich zum Vorjahresquartal stieg die Zahl der Projekte laut den Baustatistiken der Docu Media Schweiz GmbH um 7,5 Prozent und zum Vorquartal um 19,7 Prozent.

Teure Baustoffe und Energie

Tatsächlich erhöhte sich der Baupreisindex für den Neubau eines Mehrfamilienhauses (MFH) nach Baukostenplan. Ende April lag der Index Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) gesamthaft 5,0 Prozent höher als letzten Oktober. Im Vergleich zum April des Vorjahres betrug der Anstieg 8,2 Prozent.

Die Preise für Metallprodukte sind aufgrund von Lieferengpässen im zweiten Jahresviertel weiter angestiegen. Für Fenster aus Aluminium hat sich der Indexwert im Vergleich zum April des Vorjahres um 16,4 Prozent erhöht. Bei Stahl und Aluminium ist weiterhin mit steigenden Preisen zu rechnen.

Ins Auge fallen in der BfS-Statistik Beton- und Stahlbetonarbeiten, wobei höhere Preise für Energie die Kosten für die Zementproduktion in die Höhe treiben. Energierohstoffe wurden bereits Ende letzten Jahres teurer und wegen der weltweiten Konjunkturerholung von der Corona-Pandemie knapp. Die Gefahr eines Versorgungsengpasses beim Gas schlägt sich auch in der Preisentwicklung nieder. Kostete eine Megawattstunde Gas 2019 noch sieben Euro, liegt der Preis heute 25 Mal höher.

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«Importierte» Inflation

Weil sich auch die Lebenshaltungskosten anderer Bereiche erhöhten, stieg im Juni die Jahresteuerung auf 3,4 Prozent. Erstmals seit 14 Jahren übertraf damit die Inflation die Marke von drei Prozent nach 2,9 Prozent im Mai (April: 2,5 %). Befeuert wurde die Inflation von Importgütern. Im Jahresvergleich sind diese laut BfS um 8,5 Prozent teurer geworden. Dabei wurde die Inflation gleichsam «importiert», wie die Aussenhandelsstatistik der eidgenössischen Zollverwaltung veranschaulicht.

Während die Importe im April zum Vormonat noch um 7,7 Prozent zurückgingen (Export: +2,5 %), nahm deren Wert im Mai um 10,3 Prozent zu (Export: +1,2 %). Letztes Jahr war die Teuerungsrate in der Schweiz wegen der Frankenstärke noch vergleichsweise moderat. Die Teuerungsentwicklung ist mit einem Kaufkraftverlust verbunden. Erstmals seit Langem sind laut BfS-Berechnungen 2021 in der Schweiz auch die Nominallöhne leicht gesunken.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte Mitte Juni auf die Inflationsentwicklung reagiert und die Leitzinsen angehoben. Zentralbanken werden am Ziel festhalten, die Inflation mit weiteren Zinserhöhungen zu bekämpfen. Doch müssen sie dabei behutsam vorgehen, denn aufgrund der Verschuldungssituation könnte ein dritter Schock die derzeitigen Krisen verschärfen. Ein solcher könnte laut IWF-Chefin Kristalina Georgiewa eintreten, wenn die Finanzierungsbedingungen verschärft werden, sodass die Bedienung von Krediten durch Staaten verteuert wird. Für die nächsten zwölf Monate erwartet die Credit Suisse bei den Zinssätzen für Hypotheken aber nur noch eine moderate Zunahme.

Ein erhebliches Konjunkturrisiko für Europa ortet die UBS in ihrem Outlook bei einem möglichen Erliegen der russischen Gaslieferungen. Bei einem Embargo bestehe die Gefahr, dass die Eurozone kurzfristig in eine Rezession abrutsche, was auch in der Schweiz eine starke Abschwächung nach sich ziehen werde. Aufgrund der Risiken werden reihum die Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) in der Schweiz angepasst.

Die Expertengruppe des Bundes geht in der Juni-Prognose für 2022 von einem BIP-Wachstum von 2,8 Prozent aus, nach 3,0 Prozent drei Monate zuvor. Aufgrund der hartnäckigen Inflation und dem Kurswechsel der SNB hat auch die ZKB die Prognose herunter gesetzt auf 2,7 von zuvor 3,0 Prozent. Wegen des eingetrübten Ausblicks sehen die BAK-Ökonomen die BIP-Entwicklung für das nächste Jahr pessimistischer und beziffern die Zunahme des BIP auf noch 0,9 Prozent (Juni-Prognose: 1,4 %).

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MFH-Segment deutlich im Plus 

 Die Zinswende hatte vorerst keine dämpfende Wirkung auf die Immobilienpreise. Die Preise für Häuser und Wohnungen sind im 2. Quartal teilweise weiter kräftig angestiegen. Als Grund nennt die Bank Raiffeisen das «äusserst knappe Angebot». Bei den Einfamilienhäusern erhöhten sich die indexierten Preise gegenüber dem ersten Quartal um 1,3 Prozent. 

Auch Käufer von mehrstöckigen Renditeliegenschaften sind bereit, mehr Geld auf den Tisch zu legen. Laut dem vom Beratungsunternehmen Iazi berechneten Index betrug der Preiszuwachs für Gebäude dieses Segments 0,8 Prozent (2. Quartal), auf Jahresbasis waren es 6,4 Prozent. Zinserhöhungen haben wegen der Neubewertung von Gebäuden in der Regel auch Wertkorrekturen zu Folge. 

Gesamthaft erhöhten sich die projektierten Investitionen in Wohnbauten um 16,2 Prozent. Zulegen konnten laut den Docu-Media-Statistiken vor allem die geplanten Investitionen für den Bau von Mehrfamilienhäusern. Um mehr als ein Viertel konnte das Segment die Bausumme zum Vorjahr steigern und auch den langjährigen Durchschnitt deutlich übertreffen. Profitieren dürften sowohl das Umbau- (+27,2 %) als auch das Neubaugeschäft (+25,6 %). 

Vom Bereich Einfamilienhäuser (EFH) sind für die Bautätigkeit dagegen wenige Impulse zu erwarten, denn die projektierte Summe ging gesamthaft um 4,8 Prozent zurück, ursächlich wegen den deutlich tieferen Neubauinvestitionen (-10,8 %). Ein kleiner Lichtblick bilden werden Um- und Anbauten (+1,3 %).

Industrie plant Ausbau

Als Stütze der künftigen Bautätigkeit erweisen dürfte sich der Industrie- und Gewerbebau. Schweizer Unternehmen rechnen laut der halbjährlich durchgeführten Umfrage der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich für 2022 mit höheren Anlageinvestitionen von nominal 7,5 Prozent. Mehr als die Hälfte der Unternehmen plant für Neu- und Umbauten sowie Erweiterungen des Gebäudeparks zusätzliche Mittel einzusetzen, wie die Frühlingsumfrage ergab. Im Herbst war es lediglich knapp ein Drittel. Erweiterungen der Produktionskapazität gelten als Indikator für Wachstumserwartungen. Nur 14 Prozent der befragten Unternehmen plant, die Bauinvestitionen zu senken.

Beim verarbeitenden Gewerbe ist laut der Umfrage in diesem Jahr ein Investitionswachstum von rund acht Prozent zu erwarten, während Bauunternehmen die Investitionen dagegen um rund acht Prozent senken wollen. Auch der Detailhandel, der letztes Jahr laut dem Marktforschungsinstituts GfK erstmals die Umsatzmarke von 100 Milliarden überbot, will in diesem Jahr kräftig investieren.

Den Absichten lassen die Unternehmen offenbar Taten folgen. Denn die Bausumme für Industrie- und Gewerbebauten erhöhte sich gemäss den Docu-Media-Zahlen zu den Baugesuchen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 5,5 Prozent, nachdem die Investitionen im ersten Quartal – auf hohem Niveau allerdings – stagnierten. Eindrücklicher ist die Zunahme gegenüber dem Vorquartal (+18,3 %), auch der langjährige Durchschnitt wurde weit übertroffen (+39,5 %).

Bubenberg Bern

Quelle: Stefan Schmid

Die geplanten Investitionen in Bürobauten haben im zweiten Quartal einen Rekordwert erreicht. Bild: Im Ersatzneubau planen die SBB eine Personenunterführung zum Bahnhof.

Bürobau mit Rekordwert 

Der Bürobau vermittelte in den ersten beiden Quartalen mit überaus volatilen Bausummen ein ähnliches Bild wie letztes Jahr. Nach einem schlechten Jahresstart legte das Segment letztes Quartal einen Rekordwert hin. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Summe mehr als verdoppelt, gegenüber den ersten drei Monaten hat sie sich fast verdreifacht. Doch nach wie vor bestehen Unsicherheiten über den künftigen Büroflächenbedarf. 

 Gemäss einer Umfrage des Beratungsunternehmens Fahrländer Partner Raumentwicklung gehen 63 Prozent der Marktteilnehmer von stagnierenden Büromieten aus, während 29 Prozent erwarten, dass diese sinken werden. Lediglich acht Prozent der befragten Branchen-Experten prognostizieren für die nächsten 12 Monate einen Mietpreisanstieg. Der Preiserwartungsindex erhielt jedoch Auftrieb. Büro- und Geschäftshäuser werden wieder zu höheren Preisen gehandelt. Der Index, der die Transaktionspreise abbildet, befindet sich mit 2,2 Punkten erstmals seit Herbst 2019 wieder im Plus.

Tourismus vor Strukturwandel

Weiterhin unter Druck steht der Tourismussektor. Dennoch sehen die Ökonominnen und Ökonomen der KOF ETH beim Sommergeschäft wieder positive Anzeichen. Aus den wichtigen Märkten Grossbritannien, USA und Indien seien mehr Buchungen zu erwarten. Es gebe zudem berechtigte Hoffnung, dass in der Sommersaison bei der Zahl der Logiernächte das Niveau von vor der Coronakrise zu rund 90 Prozent erreicht werden könne.

Langfristig dürfte sich die Beherbergungsbranche mit strukturellen Veränderungen konfrontiert sehen, wie BAK Economics in einer Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) feststellte. Demnach könnten rund 15 Prozent des Geschäftstourismus permanent weg-fallen. Dies würde insbesondere städtische Gebiete treffen, wo die Geschäftsklientel eine grosse Bedeutung hat. In Städten ist zudem der Anteil von Reisenden aus den europäischen Märkten und aus Übersee höher als in anderen Regionen.

Die Nachfrage werde sich in Städten daher nur zögerlich erholen. Erst nach 2024 sei eine Normalisierung bei den Logiernächten auf Vorkrisenniveaus zu erwarten. Eine Erholung zeichne sich beim Freizeittourismus ab, was sich bei den geplanten Bauprojekten der Bereiche Freizeit, Sport und Erholung noch nicht herauslesen lässt. 

Die per Ende Juni im Jahr aufgelaufene Summe (Year to Date – YTD) lag ein Drittel unter dem Wert von 2021. Der Hotelbau dürfte künftig aber von der aufgehellten Stimmung im 2. Quartal profitieren können. Zwar befindet sich das Segment nach der Zwischenbilanz von Ende Juni noch in den Miesen (YTD: -19,0 %), doch geht es in kleinen Schritten aufwärts. Die Bausumme des Segments kann gegenüber dem Vorquartal um 16,6 Prozent zulegen (Vorjahr: +1,2 %). 

Die Bautätigkeit stimulieren dürfte das hohe Investitionsvolumen im Bereich des Gesundheitswesens (+93,1 %). Auch lag die geplante Bausumme weit über dem langjährigen Durchschnitt. Dagegen wird sich der Bau von Schulen unterdurchschnittlich entwickeln.

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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