Quartalsbericht 2/2020: Branche setzt zur Erholung an
Angesichts der Corona-Pandemie und der Eindämmungsmassnahmen gehen Prognosen für die Schweiz von einem starken Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung im 2. Quartal aus. Erstaunlich positiv entwickelte sich vor diesem Hintergrund das Schweizer Bauhauptgewerbe. Der Hochbau konnte sich stabilisieren, einzelne Segmente wie der Industriebau legten sogar zu.
Das Schweizer Bauhauptgewerbe konnte sich im 2. Quartal überraschend gut behaupten. Gegenüber dem 1. Quartal erhöhte sich die Bausumme für geplante Hochbauprojekte um 2,9 %. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ging die auf Basis von Gesuchen ermittelte Summe noch um 2,0 % zurück, nach einem Minus von 9,5 % in den drei Anfangsmonaten. Im Vergleich zum Vorquartal gingen auch mehr Baugesuche ein (+14,6 %), gegenüber dem Vorjahresquartal waren es +7,6 %.
Es gab Befürchtungen, dass die Unsicherheiten im Gefolge des Lockdown Immobilieninvestoren zu mehr Zurückhaltung bei Bauvorhaben veranlassen könnten. Denn die Bestimmungen von Regierungen zur Eindämmung des Coronavirus fielen zeitlich vor allem auf das zweite Quartal, auch war die Intensität der Vorkehrungen im Frühjahr am stärksten.
Auch beim Wohnbau gab es im 2. Quartal Anzeichen für eine sachte Erholung. Die Gesamtsumme lag gegenüber der Vorjahresperiode 2,4 % im Minus nach einem Rückgang von 8,9 % im 1. Quartal. Stark geprägt ist die Entwicklung des Wohnbaus jeweils vom Segment Mehrfamilienhäuser (MFH), dessen Bausumme rund zwei Drittel des Investitionsvolumens in Wohngebäude ausmacht.
Wohnbau nur noch leicht im Minus
Bei der geplanten Projektsumme für den Bau von Wohnrenditeliegenschaften betrug die Korrektur gegenüber dem Vorjahresquartal -4,9 %, deutlich stärker waren die Einbrüche wiederum im Vorquartal (-11,6 %), aber auch im Schlussquartal (-13,5 %), wie die Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH zeigen. In den vergangenen drei Monaten war mehr das Umbaugeschäft (-5,7 %) vom Rückgang betroffen als die geplante Neubausumme (-4,7 %), auf die vier Fünftel der projektierten Investitionen des Segments entfallen. Auf überdurchschnittlich hohe Niveaus entwickelten sich in den letzten Quartalen die Umbauquoten in den Kantonen Bern, Graubünden, Genf und Waadt.
Trotz der künftig möglichen Abschwächung bei der Wohnbautätigkeit, hält Wüest Partner einen weiteren Anstieg der Mietwohnungsleerstände für wahrscheinlich. Als Grund führt das Beratungsunternehmen die geringere Zuwanderung an, da wegen eines zu erwartenden Rückgangs bei den Arbeitsplätzen mit einem Bevölkerungswachstum von noch 0,5 % zu rechnen ist, was einer Zunahme von rund 40 000 Personen entspricht, nach 60 000 Zuzügern im letzten Jahr.
Insgesamt zeigt sich der Immobilienmarkt in der Krise erstaunlich robust. Im Juni sind die in Inseraten ausgeschriebenen Mietpreise schweizweit leicht gesunken um 0,1 % und ist die Nachfrage nach Mietwohnungen konstant geblieben, wie der von Immoscout24 in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen IAZI erstellte Swiss Real Estate Offer Index (SREO-Index) ausweist. In der Zentralschweiz sind die Angebotsmieten überdurchschnittlich um 0,6 %, in der Ost- und Nordwestschweiz um 0,3 % gestiegen. Der Kanton Zürich entwickelte sich im Durchschnitt. In der Genferseeregion sank der Index aber um 0,3 % (Tessin: -1,0 %). Die wachsende Zahl an Inseraten spreche aber für eine rege Marktaktivität.
Ebenfalls einen Anstieg der Angebotsmieten zeigt der von Homegate und der Zürcher Kantonalbank erhobenen Mietindex (knapp 0,2 %) Im Kanton Genf und in der Stadt Zürich betrug das Plus 1,3 % und in Schwyz 1,0 %, Rückgänge gab es letzten Monat in Obwalden (-0,6 %) und Freiburg (-0,4 %).
Trend zu kleineren Wohnflächen
Der Erwerb mit anschliessendem Umbau ist für viele ein Weg, um den Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen. Die Investitionen in Umbauten sind beim Segment Einfamilienhäuser (EFH) daher in der Regel deutlich höher als bei den Mehrfamilienhäusern. Im Vergleich zum Vorjahresquartal erhöhten sich die Umbauinvestitionen im EFH-Segment um 12,3 %, gegenüber dem Vorquartal waren es sogar 15,4 %. Jener Anteil an den Investitionen, der für Umbauten aufgeworfen wird, hat sich von rund 42 % im Schlussquartal auf über die Hälfte im 2. Quartal erhöht. Gesamthaft legte die geplante Investitionssumme des EFH-Segments gegenüber dem Vorjahresquartal um 5,8 % und zum Vorquartal noch um 0,3 % zu.
Wohneigentum ist nach wie vor gefragt. Angesichts der Preisentwicklung bei Immobilien geben sich Käufer von neuen Wohnungen und Häusern aber mit immer kleineren Flächen zufrieden. Dieser Trend zeigte sich in den letzten vier Jahren bei neu gebauten Eigenheimen, wie eine Studie des Hypothekarberaters Moneypark nachweist. Basis der Analyse bildete die Entwicklung bei den vom Unternehmen finanzierten Objekten. Im Vergleich zu Bestandbauten hat sich die Nettowohnfläche von Neubauten, die in den letzten vier Jahren erstellt wurden, gesamtschweizerisch um 3,2 % reduziert. In der Zentralschweiz gingen die Wohnflächen um 7,8 % zurück, in Zürich um 4,8 %. Eine Zunahme bei der Nettowohnfläche gab es dagegen in der Ostschweiz (+1,7 %).
Der mögliche Trend zu kleineren Wohnflächen bei Neubauten geht laut der Studie einher mit einem geringeren Verbrauch an Bauland. Als Grund für die Entwicklung nennt die Studie den Preisanstieg für Immobilien, der in den letzten zehn Jahren fünfmal grösser war als bei den Einkommen, sowie die vom Raumplanungsgesetz verlangte innere Verdichtung.
Als krisenresistent erwies sich laut dem SREO-Index auch der Markt für Wohneigentum. Im Vergleich zum Vormonat erhöhten sich die Preise für Einfamilienhäuser um 0,6 %. Dagegen war bei Eigentumswohnungen ein Preisrückgang um 0,2 % zu beobachten. Aufgrund der Entwicklung von Angebotsmieten und -preisen im ersten Semester und der Nachfrage nach Wohnraum sind laut Immoscout24 die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte somit intakt, immer unter der Annahme, dass es bei der Pandemiebekämpfung keine grösseren Rückschläge gibt.
Gesundheitssektor legt zu
Anders verlief die Entwicklung der Bausumme im Segment Fürsorge und Gesundheit. Nach verhaltenem Jahresbeginn mit einem leichten Minus im ersten Quartal (-2,7 %) legte die Summe im 2. Quartal um 19,0 % zu und befand sich 7,0 % über dem Zehnjahresdurchschnitt, doch dürfte die Zunahme vor allem auf einzelne Grossprojekte zurückzuführen sein. Eine weitere Abschwächung bei den geplanten Investitionen für Hochbauten in diesem Segment dürfte wahrscheinlich sein. In den Kantonen sind viele Spitalprojekte bereits verwirklicht, sodass sich das Investitionsvolumen weiter zurückgehen könnte. Das war bereits letztes Jahr der Fall, als sich die Bausumme gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel reduzierte. Ähnlich waren die Rückgänge in den Anfangsquartalen in diesem und im letzten Jahr. Hoch waren die baubezogenen Investitionen ins Gesundheitswesen gesamthaft vor allem in den Jahren 2012 bis 2018.
Starken Schwankungen unterworfen war die geplante Bausumme des Segments Bürobau, die sich um 22,2 % abschwächte, wobei die statistische Referenz zum Vorjahresquartal den Rückgang teilweise erklärt, da 2019 die Bausumme den höchsten Stand in der Zeitreihe der letzten zehn Jahre erreichte. Auch befand sich die Summe im 2. Quartal deutlich über dem Zehnjahresdurchschnitt. Nach einer Konsolidierung der geplanten Bausumme im gesamten letzten Jahr schoss die Summe im Vorquartal noch 58,9 % in die Höhe. Insgesamt befand sich die Summe geplanter Bürogebäude im ersten Semester im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode 2,9 % im Plus.
Quasistillstand beim Tourismus
Nach einem ausserordentlich guten letzten Jahr und einem Schnellstart in die Wintersaison, wurde die Tourismusbranche von den Reisebeschränkungen hart getroffen. Die Schweizer Hotellerie erlebte in den vergangenen Monaten einen fast vollständigen Stillstand. Im Beherbergungssektor ist die Wertschöpfung laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco um 90 %, in der Gastronomie um 80 % eingebrochen. Dramatisch sind die Rückgänge im Städtetourismus. Während sich die Zahl der Übernachtungen in den Städten mehr als halbierte, schätzt die KOF den Rückgang in den Bergen auf rund 20 bis 30 %. Schweiz Tourismus befürchtet für die Branche in den Monaten März bis Juni einen Umsatzverlust von 8,7 Milliarden Franken. Nach den Grenzöffnungen zu den Nachbarländern hängt die Erholung der Branche deshalb von der Rückkehr der Reiselust ab, allen voran bei den für den Schweizer Tourismus wichtigen Gästen aus Deutschland. Zwar wird heftig die Werbetrommel gerührt, damit die Schweizer ihre Ferien in diesem Sommer vermehrt im eigenen Land verbringen, doch könne der Binnentourismus den Wegfall der ausländischen Touristen nicht wettmachen. Denn auch nach den Grenzöffnungen bleiben ausländische Touristen noch immer weg. Die gedrückte Stimmung der Ferienanbieter hat auch Folgen für die Bereitschaft, in Hochbauprojekte zu investieren. Viele Bauprojekte wurden sistiert oder gestrichen. Entsprechend fiel laut Zahlen von Docu Media Schweiz GmbH die Bausumme im 2. Quartal um 38,0 % zusammen, dies nach einem Minus von 36,3 % in den ersten drei Monaten. Im letzten Jahr erreichte die Segmentsumme mit einem Plus von 22,9 % noch den höchsten Wert der letzten Dekade.
Industriebau im Plus
Wieder Tritt fassen konnte der Industriebau. Im 2. Quartal erreichte die voraussichtlich von Unternehmen in den Gebäudepark verbaute Summe ein Plus von 3,1 %. Im ersten Quartal war die geplante Summe um 9,3 % ins Minus abgerutscht nach einer prosperierenden Entwicklung des Segments im letzten Jahr. Der Rückgang bei den geplanten Industriebauten zeigte sich zu Beginn des Jahres auch bei den im Rahmen des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) erfassten Ausrüstungsinvestitionen, die um 4,0 % zurückgingen. Unter dieser Rubrik werden Betriebs-und Verwaltungsgebäude sowie Maschinen oder Geschäftsausstattungen subsummiert. Auch in der Langzeitbetrachtung lässt sich das Ergebnis des vergangenen Quartals sehen. Die geplanten Investitionen im Industriesegment lagen 6,8 % über dem Zehnjahresdurchschnitt.
Einen ersten Hoffnungsschimmer zeigte sich bei der für die Schweiz wichtigen Exportwirtschaft. Im Mai schwächten sich die Exporte zum Vormonat saisonbereinigt nur noch leicht um 1,2 % ab und stabilisierten sich auf tiefem Niveau mit einem Wert der Ausfuhren von 16,45 Milliarden Franken. Noch im April hatte sich ein Rekordeinbruch von über 12 % ergeben. Vor der Corona-Krise lag der monatliche Exportwert zum Teil über 20 Milliarden Franken. Positiv entwickelten sich vor allem Ausfuhren nach Europa (+2,7 %) und insbesondere nach Deutschland (+6,8 %). Die Importe erhöhten sich zum Vormonat saisonbereinigt sogar um 9,8 % auf 13,64 Milliarden. Die Entwicklungen interpretiert die Eidgenössische Zollverwaltung als «Anzeichen einer Erholung».
Tiefpunkt wohl im 2. Quartal
Düster sind die Prognosen für die Entwicklung des BIP im 2. Quartal. BAK Economics geht von einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von 10 % aus (die effektiven Zahlen für das 2. Quartal liegen noch nicht vor). Danach sollte es aber wieder aufwärts gehen. Die Konjunkturforscher erwarten für das 3. Quartal nämlich ein kräftiges Wachstum von 7,6 % gegenüber dem Vorquartal und einen Fortgang der Erholung im Schlussquartal. Wegen steigender Arbeitslosenzahlen und der Kurzarbeit sei die Dynamik aber begrenzt. 2021 soll das Wirtschaftswachstum aufgrund starker Aufholeffekte laut Prognose 6,0 % betragen (bisher: 5,7 %), allerdings unter der Bedingung, dass eine ausgeprägte zweite Welle bei den Virusansteckungen vermieden werden kann (Basisszenario). Beim positiven Szenario könnte laut BAK Economics dank schnellen medizinischen Fortschritten 2020 ein BIP-Rückgang von nur 4,5 % resultieren (2021: +6,7 %). Im negativen Fall mit einem neuerlichen Lockdown sei hingegen für 2020 ein Einbruch von 12,4 % zu erwarten (2021:+2,3 %).
Die UBS geht in ihrer BIP-Prognose von Anfang Juni für 2020 von einem Minus von 5,5 % (bisher: 4,6 %) und für 2021 von einem Wirtschaftswachstum von 4,4 % aus (bisher: +3,9 %). Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich erwartet in der Prognose von Mitte Juni für 2020 ein BIP-Rückgang von 5,1 % (bisher: 5,5 %). Mit einem Wachstum von 4,3 % werde die Erholung 2021 aber weniger dynamisch als angenommen (bisher: 5,4 %).
Optimistischer sind die Wirtschaftsexperten der Credit Suisse, die in ihrer Juni-Prognose von einem BIP-Rückgang von 4,0 % ausgehen (April-Prognose: -3,5 %). Allerdings werde die Erholung schleppend verlaufen, die Form der Wachstumskurve eher ein «schiefes V» beschreiben. Doch mit der Lockerung des Lockdowns zeigten sich erste Erholungszeichen, auch der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor habe den Einbruch zur Hälfte wieder wettgemacht. Zudem sei die finanzielle Verfassung der Haushalte besser als erwartet. Diese hätten zwar aufgrund von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit trotz staatlicher Zahlungen finanzielle Einbussen erlitten, doch gleichzeitig hätten die Haushalte während des Lockdown 20 % weniger ausgegeben. Die CS-Ökonomen schätzen, dass rund zwei Drittel der gesparten Mittel wieder in Umlauf kommt, sodass die Hälfte des Konsumeinbruchs wieder kompensiert wird. Insgesamt werde das BIP-Niveau von Ende 2019 aber wohl erst Ende 2021 wieder erreicht.
Im ersten Quartal ging die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal um 2,6 % zurück, im Vorquartal gab es noch ein Wachstum von 0,3 %. Gegenüber dem Vorjahresquartal betrug das Minus 1,3 % nach einem Plus von 1,6 % im Schlussquartal 2019. Der Arbeitsmarkt zeigte sich im Juni wieder in leicht besserer Verfassung, als noch zu Beginn der Corona-Krise befürchtet wurde. Laut den Erhebungen des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco sank die Arbeitslosenquote auf 3,2 % von 3,4 % im Mai.
Schweiz reagierte rasch
Dank den Interventionen von Bund und Kantonen konnte die Schweizer Wirtschaft in der Corona-Krise stabilisiert werden. Das Krisenmanagement des Bundesrats bekommt vergleichsweise gute Noten, was die Wirtschaft und die eingesetzten Arbeitsmarktinstrumente betrifft. In keinem anderen Land kamen die Hilfsgelder so rasch bei den Unternehmen und Arbeitnehmern an. Das ist das Fazit einer Studie des Personaldienstleisters Adecco Group, bei der die wirtschaftliche Bewältigung der Pandemiefolgen von zwölf Ländern miteinander verglichen wird.
Auf Antrag des Bundesrats hatte das eidgenössische Parlament im Mai und Juni Kreditpakete von insgesamt knapp 31 Milliarden Franken zur Abschwächung der wirtschaftlichen Folge der Corona-Krise bewilligt.
Quelle: Claudia Bertoldi
Der Industriebau konnte im 2. Quartal wieder zulegen, sodass die im Jahr aufgelaufene Bausumme Ende Juni wieder den Wert des Vorjahres erreichte.