Quartalsbericht 1/2023: Wohnbau muss noch zulegen
Die geplante Bausumme und die Zahl der Hochbauprojekte erzielten im Anfangsquartal zwar neue Höchstwerte. Trotz des knappen Angebots präsentiert sich der Wohnbau aber stagnierend bis rückläufig. Als Stütze der Baukonjunktur erweisen dürfte sich der Industrie- und Gewerbebau. Die öffentliche Hand investiert kräftig in Schulen und Bauten des Gesundheitswesens. Fast wieder in alter Form zeigt sich die Hotelbranche.
Quelle: Stefan Schmid
In der Stadt Zürich wurden letztes Jahr zwar wieder mehr Wohnungen gebaut. Doch die Wohnflächenproduktion kann die Nachfrage nicht befriedigen. Bild: Wohnhochhaus im Stadtquartier Oerlikon.
Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann im 1. Quartal gesamthaft den positiven Trend des Vorjahres bestätigen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal betrug die Zunahme der geplanten Hochbausumme 10,0 Prozent. Die Zahl geplanter Hochbauprojekte erreichte mit einem Plus von 4,0 Prozent in der zehnjährigen Zeitreihe einen neuen Höchstwert.
Abgeschwächt hat sich dagegen die Gesamtsumme geplanter Wohnbauten. Im Vergleich zum Vorjahresquartal reduzierte sie sich zwar, blieb jedoch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Der Wert der Projektsumme für Neubauten im Segment Mehrfamilienhäuser (MFH) stieg zwar um 6,6 Prozent. Doch gleichzeitig gingen die geplanten Investitionen in Um- und Ausbauten sowie Kombinationen davon unter Einbezug des Basiseffekts um 14,5 Prozent zurück, sodass im Vergleich zum Vorjahresmonat das MFH-Segment gesamthaft noch ein Plus von 1,7 Prozent resultierte.
Die geplante Bausumme des MFH-Segments verzeichnete seit 2020 einen Anstieg und übertraf in der Gesamtbetrachtung der Zeitreihe per Ende letzten Jahres erstmals die Marke von 25 Milliarden Franken, wie aus Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH hervorgeht. Dies entsprach im Vergleich zum Vorjahresquartal einem Zuwachs von 2,9 Prozent. Zu berücksichtigen ist bei den Werten jedoch auch die Preisentwicklung. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) sind die Baupreise für Gebäude zu Wohnzwecken zwischen April und Oktober 2022 um 3,1 Prozent gestiegen.
Wegen der weltweiten Abkühlung der Konjunktur sinken die Preise für Energie und Rohstoffe aber seit letztem Sommer wieder, wobei sich der Trend im ersten Quartal fortsetzte. Das Beratungsunternehmen Wüest Partner geht für 2023 davon aus, dass die Baupreisteuerung auf 2,5 Prozent zurückgehen wird. Unter Einbezug der Bauteuerung dürfte sich somit ein Nullwachstum ergeben. Ohnehin kann die geplante Flächenproduktion den Bedarf an Mietwohnungen bei weitem nicht decken.
Mangel günstiger Mietwohnungen
Im Schlussquartal 2022 ist die Zahl inserierter Mietwohnungen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 17,7 Prozent zurückgegangen, wie Wüest Partner im Frühlings-Update schreiben. Das geringere Angebot treibt die Mietpreise in die Höhe, was zu einem sehr angespannten Schweizer Mietwohnungsmarkt führt. Gemäss einer aktuellen Studie haben im März die ausgeschriebenen Mietpreise weiter auf ein neues Allzeithoch zugelegt. Die Mieten erhöhten sich im Vergleich zum Vormonat im Landesmittel um 0,8 Prozent, wie die SMG Swiss Marketplace Group und das auf Immobilienberatungen spezialisierte Unternehmen Iazi im Swiss Real Estate Offer Index ausweisen.
Im Vergleich zum Vorjahr seien die Angebotsmieten sogar um 4,6 Prozent gestiegen. Ein Ende steigender Mietpreise sei wegen der Wohnungsknappheit und andauernder Zuwanderung nicht in Sicht, was insbesondere in den Grossregionen Zürich sowie in der Zentralschweiz und entlang des Genferseebogens der Fall sei. In den Städten Genf, Zürich, Luzern oder Zug lägen die Leerstandziffern bei Mietwohnungen «deutlich unter einem Prozent, was faktisch Wohnungsnot» bedeute. Die aktuelle Konstellation hat zur Folge, dass laut dem Bundesamt für Wohnungswesen BWO schweizweit pro Jahr zwischen 5000 bis 10000 Wohnungen zu wenig gebaut werden.
In der Stadt Zürich wurde letztes Jahr bereits Gegensteuer gegeben, indem wieder deutlich mehr Wohnungen gebaut wurden als im Jahr davor. Doch günstige Mietwohnungen sind rar geworden. Wohnungssuchende berichten von umfangreichen Bewerbungsdossiers, welche die Vermieterseite von den Anwärtern immer öfters fordert.
Das Stadtparlament will dem knappen Angebot mit einem Wohnraumfonds entgegenwirken, der mit 300 Millionen Franken alimentiert werden soll. Vom Parlament in erster Lesung gutgeheissen, muss das Geschäft aber noch in einer Volksabstimmung angenommen werden. Seit 2011 ist in der Gemeindeordnung das sogenannte Drittelziel verankert. Demnach soll bis 2050 ein Drittel der Mietwohnungen gemeinnützig sein. 2020 lag der Anteil bei 26,4 Prozent.
Dabei zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS), dass im letzten Jahrzehnt deutlich mehr neue Wohnungen gebaut wurden als noch in den Nullerjahren. Doch die Wohnflächenproduktion konnte mit verschiedenen Entwicklungen nicht mithalten. Wüest Partner sehen im langfristigen gesellschaftlichen Wandel Gründe für eine zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum. Einerseits bleiben Menschen im Alter als Ein- und Zweipersonenhaushalte in grossen Wohnungen, weil sie das soziale Netz in ihrer Umgebung nicht verlassen wollen oder wenn Scheidungen zur Gründung neuer Haushalte führten.
Andererseits werden mehr Wohnungen nachgefragt, je kleiner die Haushalte sind. Der Fachkräftemangel in der Schweiz führe zudem dazu, dass aufgrund des Anforderungsprofils zahlreiche Stellen oft mit Personen aus dem Ausland besetzt werden, was wiederum die Nachfrage nach Wohnungen antreibt. Wegen des Ukrainekrieges war der Wanderungssaldo im letzten Jahr ausserordentlich hoch.
Höhere Mieten, hohe Inflation
Im 1. Quartal hat sich die Konsumentenstimmung wieder etwas vom Rekordtief in den drei Monaten davor erholt. Der Indexstand im Januar war sogar der tiefste gewesen seit Beginn der Umfrage im Jahr 1972. Die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten erneut verdüstern dürfte die Entwicklung des Hypo-Referenzzinssatzes. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser im Juni angehoben wird, halten die meisten Experten für sehr hoch. Bei einer Anhebung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte, dürfen die Vermieter den Mietzins um 3,0 Prozent anheben – sofern sie auch die vorherigen Senkungen weitergegeben haben.
Sollte der vierteljährlich berechnete Wert nun auf über 1,37 Prozent steigen, wird der Referenzzinssatz auf 1,50 Prozent angehoben, wobei er jeweils auf den am nächsten liegenden Viertelprozent-Wert auf- oder abgerundet wird. Seit März 2020 befindet er sich diesem rekordtiefen Niveau. Das BWO beliess bei seiner letzten Beurteilung im März den Zins zwar noch einmal bei 1,25 Prozent. Aufgrund verschiedener Annahmen kommt die Raiffeisenbank zum Schluss, dass rund 45 Prozent der Mietverhältnisse nach der Anpassung des Referenzzinssatzes potenziell von einer Mietzinserhöhung betroffen sein könnten mit der Einschränkung, dass aufgrund fehlender Erfahrungswerte das Ausmass der Mieterhöhungen nur schwer abgeschätzt werden könne.
Auch die Inflationsbekämpfung zeigte noch nicht die erhoffte Wirkung, zumal viele Haushalte durch höhere Lebenshaltungskosten zusätzlich belastet werden. Die SNB erwartet keine baldige Entspannung bei der Inflation trotz der Erhöhung des Leitzinses um 0,50 Prozentpunkte auf 1,50 Prozent. So verzeichnete der Januar wegen höherer Strompreise einen starken Anstieg der Teuerung auf 3,3 Prozent (Februar +3,4 %). Und dies nach einem deutlichen Rückgang in der zweiten Jahreshälfte 2022 von 3,5 Prozent im August auf 2,8 Prozent im Dezember.
Mit Umbau Traum erfüllen
Höhere Finanzierungskosten machen vermehrt auch den Häuslebauer zu schaffen. Um 10,2 Prozent reduzierten sich gesamthaft die geplanten Investitionen in den Bau von Einfamilienhäusern (EFH). Vor allem das Neubaugeschäft verlor zum Vorjahr massiv an Terrain (-21,8%). Auf Vorjahresniveau halten kann sich die geplante Summe fürs Bauen im Bestand (+2,3%) und im Vergleich zum schwachen Schlussquartal ein überdurchschnittliches Wachstum ausweisen (+33,4%). Um sich den Traum vom Einfamilienhaus erfüllen zu können, war seit einiger Zeit ein Trend hin zu mehr Umbauten festzustellen.
Industrie und Gewerbe bauen aus
Bei Industrie und Gewerbe scheint sich die Stimmung wieder aufgehellt zu haben. Demnach ist der von der Raiffeisenbank berechnete KMU-Einkaufsmanagerindex (KMU-PMI) im März auf 51,6 von zuvor 49,7 Punkten gestiegen und liegt somit über dem Wert, bei dem Einkäuferinnen und Einkäufer wieder positive Erwartungen an die künftige wirtschaftliche Entwicklung haben. Im Januar und Februar notierte der Index noch unter dieser Schwelle.
Im Gegensatz zu Grossunternehmen, bei denen sich die Auftragslage laut dem entsprechenden PMI verschlechtert hat, melden die KMU im März zum zweiten Mal in Folge höhere Auftragsbestände und eine beschleunigtes Wachstum. Auch hätten sich die Lieferkettenprobleme entschärft, sodass überdimensionierte Lagerbestände weiter hätten abgebaut werden könne, was laut den Raiffeisen-Ökonomen bei den Preisen einen Abwärtstrend verstärken könnte.
Der Branchenverband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem geht jedoch nach wie vor von «erheblichen Unsicherheiten» aus wie das Risiko einer weltweiten Konjunkturabkühlung wegen steigernder Zinsen und der nach wie vor im Winter drohender Energiemangellage. Zudem stünden MEM-Unternehmen nach wie vor unter hohem Kostendruck. Gleichwohl konnte die Branche 2022 die Umsätze um 9,4 Prozent und die Exporte um 5,6 Prozent steigern. Ein Plus von 2,4 Prozent beim Auftragseingang biete Anlass zu vorsichtigem Optimismus.
Industrie- und Gewerbe planen ihrerseits Projekte für den Neu- und Ausbau des Gebäudeparks. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal fuhren die Unternehmen die Bauinvestitionen um 47,5 Prozent hoch. Immerhin konnte die Industrie bereits im letzten Jahr trotz erheblicher Unsicherheiten die geplanten Investitionen über die Quartale gesamthaft einigermassen stabil halten.
Die ermutigenden Zeichen für eine positivere Konjunkturentwicklung veranlasst die Expertengruppe des Bundes für 2023, ein leicht höheres Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) zu prognostizieren. Im Vergleich zum Vorjahr werde dieses um 0,8 Prozent wachsen (Dezember-Prognose: 0,7%). Trotz Nullwachstum im 4. Quartal sei keine Rezession zu erwarten. Obwohl sich die Energielage in Europa entspannt habe, belaste aber die nach wie vor hohe Kerninflation die Konjunktur grosser Industrieländer als Abnehmer von Schweizer Exportgütern.
Für 2023 die BIP-Prognose ebenfalls auf 0,8 von zuvor 0,7 Prozent erhöht hat die UBS. Vorsichtig bleibt die Schweizerische Nationalbank (SNB), die in ihrer letzten geldpolitischen Lagebeurteilung für 2023 einen BIP-Anstieg von «rund 1 Prozent» voraussagt, sie zeigte sich aber optimistischer als noch im Dezember («rund 0,5%»). Ein Lichtblick bleibt der Arbeitsmarkt. So ist die Arbeitslosenquote im März auf 2,0 von 2,1 Prozent im Februar gesunken.
Bürobausumme bleibt volatil
Noch profitiert der Büroflächenmarkt vom robusten Arbeitsmarkt, was sich auch in steigenden Abschlussmieten äussert, wobei vor allem Objekte an zentralen Lagen nachgefragt werden. Der Büroflächenmarkt ist zudem weiteren strukturellen Veränderungen ausgesetzt, die sich laut dem Beratungsunternehmen Wüest Partner nicht aufhalten lassen. Denn das durchschnittliche Beschäftigungswachstum beträgt in den klassischen Bürobranchen rund 80 Prozent, sodass sich über die nächsten Jahre vermehrt auch Desksharing etablieren könnte.
Die Nutzung von Büroflächen hat sich während Corona mit dem ortsunabhängigen Arbeiten zudem grundlegend verändert, sodass auch nach der Pandemie Homeoffice in der Arbeitswelt eine Konstante bleiben dürfte. Sowohl die technischen Möglichkeiten wie auch die gesellschaftliche Akzeptanz für sogenanntes Remote Work führten dazu, dass im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie der Anteil der Beschäftigten, die ausserhalb der Büros arbeiten, steige werde.
Einen Anstieg innerhalb der nächsten zehn Jahre auf einen Anteil von über 40 Prozent erachten die Verfasserinnen einer Studie des BWO als realistisch. Multilokales Arbeiten werde daher einerseits die Büroflächennachfrage dämpfen, andererseits zur Dezentralisierung beitragen und tendenziell zu einer Stärkung von Mittel- und Kleinzentren sowie ländlicher Gemeinden oder Tourismusregionen auf Kosten von Grosszentren führen. Dennoch kann das Segment laut den Statistiken der Docu Media Schweiz GmbH im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode im Anfangsquartal zulegen (+7,5%), bleibt aber deutlich unter dem Zehnjahresmittelwert.
Gemeinwesen stützen Branche
Höhere Investitionen plant die öffentliche Hand für den Bau von Schulen. Denn Gemeinwesen müssen die Kapazitäten im Bereich Ausbildung auf die Bevölkerungsentwicklung ausrichten und entsprechende Angebote zur Verfügung stellen. Weil sich die dafür vorgesehenen Segmentsummen im letzten Jahr verhalten entwickelten, entstand ein Nachholbedarf. Im 1. Quartal erreichten die geplanten Investitionen daher im Vergleich zum Vorjahresquartal mit einem Plus von 92,0 Prozent einen neuen Höchststand in der zehnjährigen Zeitreihe.
Überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten weisen die Bausummen im Bereich des Gesundheitswesens und der Fürsorge auf, die weit über dem langjährigen Durchschnitt liegen (+23,9%). Die Beherbergungsbranche verzeichnet im Vergleich zum Vorjahresquartal ein hohes Wachstum der geplanten Bausumme (+66,4%), was sich auch im langjährigen Mittel sehen lassen kann (+7,7%). Als Folge von Corona fehlen der Kulturbranche die finanziellen Mittel für Bauprojekte. Das Segment Gesellschaft, Kultur und Freizeit geriet daher ins Hintertreffen (-50,2%), auch im Langzeitvergleich sieht es nicht besser aus. Dagegen kann das Segment Infrastruktur bei der geplanten Bausumme ein sattes Plus von 50,1 Prozent ausweisen.
Hinweis
Der Bereich «Übriger Hochbau» umfasst neu zwei zusätzliche Segmente. Bei ausgewählten Segmenten wurde die Datenbasis erweitert unter Einbezug von Unterkategorien. Auch nach der Neustrukturierung bleiben die Datenreihen konsistent.