13:12 BAUBRANCHE

Pritzkerpreis für Lacaton & Vassal: Rückbau, eine Verschwendung?

Teaserbild-Quelle: Pritzker Prize

Umbauen statt rückbauen. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk von Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal. Sie passen bestehende Bauten neuen Bedürfnissen an und bewahren ihre ursprünglichen Qualitäten. Nun haben sie den Pritzkerpreis erhalten.

"Gute Architektur ist offen. Sie ist offen gegenüber dem Leben und einer Freiheit, in der sich jeder entfalten kann", sagt Anne Lacaton von Lacaton & Vassal. „Architektur soll weder protzig noch aufdringlich sein, sondern vertraut, nützlich und schön. Sie soll dem Leben dienen, das in ihr stattfindet." Die Architektin ist gemeinsam mit ihrem Partner Jean-Philippe Vassal mit dem diesjährigen Pritzkerpreis geehrt worden. Das französische Architektenduo wird damit Teil einer erlauchten Runde. Vor ihnen sind neben anderen etwa Shigeru Ban, Jørn Utzon, Zaha Hadid, Balakrishna Doshi, Eduardo Souto de Moura, SANAA, Peter Zumthor und Herzog & de Meuron ausgezeichnet worden.

„Hoffnungen und Träume der Moderne“

Die Jury lobt ihren „kraftvollen Sinn für Raum und Materialien“ und dass ihre Architektur „ebenso stark in ihren Formen wie in ihren Überzeugungen“ sei. „Die Hoffnungen und Träume der Moderne, das Leben der Menschen zu verbessern, werden durch ihre Arbeit neu belebt“, heisst es in der Begründung der Jury.

Mit ihren Projekten liefern Lacaton und Vassal Antworten auf ökologische Fragen, sie suchen aber auch nach Lösungen für soziale Herausforderungen. Letzteres wird vor allem in ihren Wohnungsbauprojekten deutlich. Das zeigt sich darin, dass Wohnräume um Wintergärten und Balkone erweitert werden. Auf diese Weise lässt sich Energie sparen, gleichzeitig können die Bewohner unabhängig von der Jahreszeit die Natur geniessen. 

Ein Beispiel dafür ist die 1993 erbaute „Maison Latapie“ im südfranzöischen Floirac. Bei diesem Projekt griffen Lacaton und Vassal erstmals für den Wintergarten auf Gewächshaustechnologien zurück: Ausfahrbare, transparente Polycarbonat-Paneele sorgen an der Rückseite des Hausen dafür, dass die gesamte Wohnung von natürlichem Licht erhellt wird und man Wohnzimmer sowie Küche ohne viel Kostenaufwand vergrössern konnte.

Sozialwohnungen vergrössern

Ähnliches gilt für die 17-stöckige Überbauung „La Tour Bois le Prêtre“ aus den 60er-Jahren in Paris, wenn auch in viel grösserem Massstab als jene im südfranzösischen Floriac: Lacaton und Vassal erweiterten die insgesamt 96 Wohnungen, indem sie die ursprüngliche Betonfassade mit Balkonen ersetzten. Grosse Fenster bieten zusätzliches Licht und einen weiten Blick über die Stadt.

Dieses Konzept wandten die Architekten 2017 auch auf drei Gebäude – insgesamt 530 Wohnungen – der Sozialüberbauung Grand Parc in Bordeaux an. Die Veränderungen waren hier ebenfalls dramatisch, weil die einzelnen Wohnungen teils stark erweitert werden konnten. Bei einigen liess sich die Fläche gar verdoppeln, ohne dass die Nachbarn verdrängt wurden. Der Umbau war günstig, er belief sich gerade Mal auf einem Drittel der Kosten für einen Neubau.

„Verschwendung von Energie, Material und Geschichte“

Von neuen und grösseren Räumen profitierte auch der Palais de Tokyo in Paris.  Lacaton und Vassal veschafften dem Museum zusätzliche 20‘000 Quadratmeter, zum Teil über unterirdische Räume. Oder ein ehemaliges Werftgebäude in Dunkerque: Sie liessen die spektakuläre Halle stehen und errichteten daneben eine Art Zwilling: ein transparentes Gebäude von ähnlicher in Form und Grösse.

Transformation bedeutet für Lacaton, etwas was bereits vorhanden ist, zu verbessern. Der Entscheid für einen Rückbau sei bequem und kurzfristig. „Es ist eine Verschwendung von vielem, von Energie, Material und Geschichte. Und es wirkt sich sozial negativ aus“, sagt Locaton.  Ein Abbruch ist für sie Vassal „ein Akt der Gewalt.“  (mai)

Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal.

Quelle: Pritzker Prize

Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal.

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