Preisgekröntes, sauberes Örtchen
Weltweit haben 2,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer sauberen Toilette. Dem will der internationale Wettbewerb „Re-Invent the Toilet“ abhelfen: Ausgeschrieben von der Bill and Melinda Gates Foundation suchte er ein WC-Modell, dass hygienisch, ökologisch und auch in der Dritten Welt zahlbar ist. Für ihren Vorschlag haben Schweizer Wasserforscher und Österreicher Designer einen Anerkennungspreis erhalten.
Für ihren Wettbewerb „Re-Invent the Toilet“ (Neuerfindung der Toilette) hatte die Bill and Melinda Gates Foundation letztes Jahr 22 Universitäten angefragt. Für die neue Toilette wurden folgende Bedingungen gestellt: Sie sollte ohne Kanalisation und Fremdenergie auskommen, in Stoffkreisläufe eingebaut sein und nicht mehr als fünf Cents pro Tag und Person kosten. Das Team des Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag und des Designbüros Eoos aus Wien hat es unter die Besten geschafft: Die „Diversion"-Toilette wurde von der Stiftung für ihr herausragendes Design mit einem Anerkennungspreis und 40‘000 Dollar ausgezeichnet.
Eine Toilette ist auch ein kleines Wasserwerk
Für die Projektleitung war Verfahrensingenieurin Tove Larsen zuständig, die sich schon länger mit der Trennung von Urin und Fäkalien befasst. „Es lag auf der Hand, die Trenntechnologie auch für das Wettbewerbsmodell einzusetzen“, sagt Larsen. „Nur sie erlaubt die effiziente Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe aus Urin und Fäkalien und eine einfache Wiedergewinnung von Wasser.“
Weil es aber eine allgemein gebräuchliche Trenntoilette noch nicht gibt, musste sie entwickelt und gestaltet werden. Dabei kam ein Steh-WC heraus. Neben einer separaten Urinableitung und einem Geruchsverschluss, war der sparsame Umgang mit dem Wasser eine besondere Herausforderung. Pro Benutzung durften bloss ein bis eineinhalb Liter verwendet werden. Wasser sei absolut entscheidend für die Reinigung des Klos, das Händewaschen und die von Muslimen und Hindus praktizierte Hygiene mit Wasser, erklärt Larsen. Dennoch braucht die neue Trenntoilette keinen eigenen Wasseranschluss. Jedes Mal, wenn ein Benutzer mit dem Fusspedal Wasser in das kleine Wasserreservoir pumpt, wird hinter der Toilette auch verbrauchtes Wasser hinauf geleitet. Dieses wird über einen Membranfilter gereinigt. Zudem sorgt eine einfache, solarbetriebene Elektrode mit Hilfe von Elektrolyse dafür, dass das Brauchwasser frei ist von Krankheitskeimen ist.
Ein Geschäftsmodell fürs Geschäft
Allerdings zählt für Larsen nicht nur die neue Technologie: Wichtig sei, dass die Toilette in ein ganzes Sanitärsystem eingebaut werden könne, das von Einheimischen betrieben werde – kostendeckend oder sogar mit einem Gewinn. Darum haben die Designer und Wasserexperten das Eawag-Eoos-Teams bei ihrem Projekt auch einen Schwerpunkt darauf gelegt, wie die Toilette transportiert wird. Sie sehen ein modulares System vor, bestehend aus sich selbstständig schliessenden Fäkaliencontainern und Urinfässern mit Fahrzeug. Dies soll die Sammeltour effizient und hygienisch machen.
Zudem haben sich Forscher auch die Frage gestellt, wie Urin und Fäkalien in Behandlungsanlagen kontrolliert zu verkäuflichen Produkten verarbeitet werden können, etwa in Dünger oder Biogas. Damit ist ein ganzes Businessmodell entstanden: Ein einheimischer Unternehmer vermietet die Toiletten den Benutzern, organisiert die Sammeltouren, betreibt die Behandlungs- und Aufbereitungsanlage und verkauft ihre Produkte.
Der Test in der Realität
Trotz des Preises kann sich das Team nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Bis jetzt hat es nachgewiesen, dass sein System funktionieren könnte. Nun müssen Prototypen gebaut und getestet werden. Dies soll bis bis Ende 2013 geschehen.
Allerdings fehlt eine gesicherte Finanzierung noch, drei namhafte Zuschüsse der Gates-Foundation gingen an andere Projekte. Bis „diversion“-Toilette, Sammelfahrzeuge und Verarbeitungsanlagen weltweit in grossen Stückzahlen eingesetzt werden können dauert es noch einige Jahre. Für Larsen steht aber heute schon fest: „Ob sich unser System wirklich durchsetzen kann, hängt davon ab, wie gut unser Geschäftsmodell ist.“ Eine Lösung, die permanent auf Subventionen angewiesen sei, werde langfristig nicht funktionieren.