Philipp Groth, Implenia-Teamleiter: «Nachhaltigkeit wird immer wichtiger»
Philipp Groth, Teamleiter bei der Implenia, spricht über die grössten Herausforderungen bei einer Gebäudesanierung, über die wachsende Bedeutung des Recyclings und die Möglichkeiten einer Zertifizierung.
Welche Möglichkeiten für eine Sanierung gibt es generell?
Den Grundstein für die Sanierung legt die Bauherrschaft. Dabei stehen drei Möglichkeiten zur Wahl: Neben dem Ersatzneubau ist dies das Sanieren in bewohntem Zustand oder unter Betrieb. Bei dieser Variante können Sanierungsmassnahmen in vordefinierten Teilflächen erfolgen. Als dritte Möglichkeit kann man im unbewohnten oder leerstehenden Zustand sanieren. Hier haben wir die Möglichkeit auf der gesamten Gebäudefläche einzugreifen. Ausserdem kann der Umfang der Sanierung, die sogenannte Eingriffstiefe, erhöht werden, da das Gebäude still gelegt werden kann. Im bewohnten Zustand oder unter Betrieb ist dies technisch nur schwierig möglich, da die Funktion der haustechnischen Installationen sichergestellt werden muss und im Gebäude immer gewisse Flächen den Bewohnern oder Angestellten zur Verfügung stehen müssen.
Wie gestaltet sich der Entscheidungsweg?
Es ist die Bauherrschaft, welche die Anforderungen und die Rahmenbedingungen einer Sanierung festlegt. Dies betrifft den Sanierungsumfang und dessen Eingriffstiefe, die Baukosten, den zeitlichen Horizont sowie das Vertragswerk der Zusammenarbeit. Je nach Vorgehen und Vertragsmodell können wir die Bauherrschaft schon früh unterstützen. Nach Bedarf kann unser Consulting die Bauherrschaft bereits bei der Projektentwicklung, respektive der strategischen Planung beraten. Andernfalls werden wir erst für die Ausführung und Ausführungsplanung beigezogen. Die Art und Weise der Zusammenarbeit besprechen wir jeweils im Einzelfall mit der Bauherrschaft.
Welche Aufgaben werden bei einer Sanierung an sie gestellt?
Wir sanieren in der Regel Gebäude, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen oder den energetischen Anforderungen nicht mehr genügen. Die Schwerpunkte liegen oft auf der Gebäudehülle und den haustechnischen Anlagen. Da wir meistens auf eine Bausubstanz treffen, bei der zwischen 1960 und 1980 die letzten Eingriffe erfolgten, ist das Thema der Schadstoffbelastung zu klären. Bei vielen Liegenschaften finden wir belastete Bauteile, die nach den entsprechenden Vorgaben saniert werden müssen. Dies kann auch im bewohnten Zustand oder unter Betrieb erfolgen, ist aber immer von Fall zu Fall zu beurteilen. Bei älteren Gebäuden ist auch der Denkmalschutz immer wieder ein Thema.
Quelle: Implenia
In der Regel ist eine Wohneinheit innert 25 Tagen saniert, wie hier bei einem von der Implenia sanierten Wohngebäude in Köniz BE.
Welches sind die Hauptschwierigkeiten bei einer Sanierung?
Bei Sanierungen in bewohntem Zustand ist die grösste Herausforderung, die betroffenen Leute abzuholen, ihnen die Vorgänge zu erläutern und ihr Verständnis zu erwirken. Zudem sanieren wir sehr oft im innerstädtischen Bereich: Hier sind die Arbeiten risikobehaftet, was die Anlieferung betrifft. Mitunter kommt es zu Staus und Verzögerungen, und es ist oft verkehrstechnisch nicht ganz einfach, zum Bauplatz zu gelangen. Im städtischen Umfeld haben wir zudem häufig kaum Platz, um Material zwischenzulagern oder eine Installationsfläche auszuscheiden. Je nach Ort ist es auch schwierig, einen Kran aufzustellen, um das Gebäude zu bedienen. Generell ist die Baustellenlogistik eine grosse Herausforderung in der Ausführung.
Sind zu den Gebäuden immer brauchbare Pläne vorhanden?
Meistens sind in den Archiven der Gemeinden oder bei den ursprünglichen Planern Unterlagen vorhanden. Manchmal ist es aber recht zeitaufwendig, diese Unterlagen ausfindig zu machen. Die Richtigkeit der Unterlagen sowie deren Vollständigkeit überprüfen wir jeweils direkt vor Ort. Ein zusätzliches Thema sind die Kanalisationspläne: Hier sind oft keine oder nur rudimentäre Unterlagen vorhanden.
Haben sie bei einer Sanierung in Sachen Materialien dieselben Möglichkeiten wie bei einem Neubau?
Grundsätzlich können wir mit allen bekannten Materialien arbeiten, zum Beispiel verschiedenen Dämmmaterialien, Holz oder auch Recyclingbeton. Die Möglichkeiten in einem Sanierungsprojekt können aber unter Umständen durch die bestehende Bausubstanz eingeschränkt werden. Nicht alle Bauteile können immer nachgerüstet werden. Man muss sich dann überlegen, ob das betroffene Bauteil eventuell ersetzt werden kann.
Welche Rolle spielen Labels bei einer Sanierung?
Das Thema Nachhaltigkeit wird auch bei Sanierungen immer wichtiger und es gibt Bauherrschaften, die ihre Projekte stark danach ausrichten und planen. Die angesprochenen Label werden somit immer häufiger als Zielvorgabe durch die Bauherrschaft definiert. Gerade in den letzten Jahren werden vermehrt Labels wie LEED Gold oder LEED Platinum verlangt. Um sie in Sanierungsprojekten umsetzen zu können, ist ein frühes Bekenntnis der Bauherrschaft notwendig, sowie eine gewissenhafte Planungs- und Materialisierungsphase und eine professionell begleitete Ausführung. In unseren Projekten arbeiten wir dafür eng mit unserer Nachhaltigkeitsabteilung zusammen.
Wie steht es um das Recycling von rückgebauten Materialien?
Auch die Entsorgung von Abfall und Bauschutt hat sich in den letzten Jahren verändert: Entsorgungskonzepte sind heute bereits in der Planungsphase ein Thema. Es gibt Behörden, die bereits bei der Baueingabe ein Entsorgungskonzept verlangen. Gerade bei Sanierungsprojekten fällt ein gewisser Anteil von Bauschutt an. Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes arbeiten wir bei unseren Projekten mit definierten Konzepten und Vorgaben seitens Implenia wie zum Beispiel dem Mehrmuldenprinzip oder mit der Wiederverwertung, sofern dies möglich ist. Weiter wollen und müssen wir belegen, dass der Bauschutt korrekt entsorgt wird. Somit begleiten wir diesen bis zur Übergabe in der Deponie.
Wie steht es um die Schadstoffe?
Schadstoffbelastete Bauteile gehören in unseren Sanierungsprojekten zum Alltag. Wir werden dabei von unserer internen Schadstoffabteilung unterstützt. Das beginnt bei der Beprobung der verbauten Materialien, die zurückgebaut werden und endet mit der Entsorgung des belasteten Materials. Dabei ist die Einhaltung der Vorschriften zwingend, ob im Rückbau, bei den Sicherheitsvorkehrungen oder bei der Entsorgung.
Quelle: Implenia
Sanierte Wohnüberbauung in Brugg AG: Die Bauherrschaft legt die Anforderungen und die Rahmenbedingungen einer Sanierung fest.
Wissen sie aufgrund der Pläne, welche problematischen Materialien sie wo antreffen?
Zu Beginn nehmen wir eine Analyse der betroffenen Flächen vor, ein sogenanntes Schadstoff-Screening. Die entnommene Bausubstanz wird im Labor kontrolliert. Anhand dieser Auswertung wird eine Analyse erstellt sowie Plangrundlagen, die Auskunft über den Befund der Flächen geben. Anhand dieser Befunde können wir zusammen mit dem Spezialisten Massnahmen definieren, wie bei der Schadstoffsanierung vorzugehen ist. Ohne diese Abklärungen wollen und dürfen wir keine Rückbaumassnahmen starten. Liegt ein Bericht aus der Planungsphase vor, nehmen wir diesen als Grundlage - prüfen aber nochmals nach, ob die Grundlage korrekt ist und alle Flächen beprobt wurden.
Gibt es Sanierungen ohne Schadstoffe?
In den Projekten, in die wir in den letzten Jahre eingebunden waren, war dies nie der Fall. Es gab mal mehr und mal weniger belastete Bauteile, die wir zurückbauen mussten, aber irgendetwas ist immer zum Vorschein gekommen.
Welche Rolle spielt das Building Information Modeling bei der Sanierung von Gebäuden?
Die technischen Möglichkeiten, um ein Gebäude im Bestand aufzunehmen und die Erneuerung digital zu planen und zu begleiten, sind vorhanden. Aber das Erstellen eines digitalen Modells ist bei einem bestehenden Gebäude teuer. Daher sieht die Bauherrschaft darin nicht immer einen Mehrwert.
Quelle: Implenia
Die Wohnsiedlung am Meisenweg in Thun BE nach der Sanierung: Entsorgungskonzepte für rückgebaute Materialien sind bereits in der Planungsphase ein Thema.
Wie lange dauert eine Sanierung in der Regel?
Das kann man nicht generell sagen. Die Sanierungsdauer ist von verschiedenen Parametern abhängig. Die Gegebenheiten des Gebäudes spielen eine Rolle, die Eingriffstiefe, die vorhandenen Ressourcen in der Ausführung sowie die Möglichkeiten der Baustellenlogistik. Es gibt jedoch Sanierungskonzepte mit speziell kurzer Ausführungsdauer. Je nach Stranggrösse ist es zum Beispiel möglich, einen Strang innert 25 Tagen inklusive Rückbau der schadstoffhaltigen Bauteile durchzuführen.
Bringt die Vorfertigung einen Zeitgewinn?
Nur bedingt. Bei einer Sanierung können wir ein Element wie zum Beispiel eine vorgefertigte Nasszelle oft nicht verwenden, weil der Platz fehlt, um das Element ins Gebäude zu heben. Der Neubau hat hier einen grossen Vorteil, indem zuerst das Element eingebaut werden kann und danach die darüberliegende Decke betoniert wird. Bei der Sanierung müssten wir dazu erst Gebäudeteile zurückbauen, was kaum je Sinn macht. Vorfertigung können wir höchstens für Fassadenelemente nutzen oder bei grösseren Um- und Anbauten.
Sind die Termine bei einer Sanierung die grösste Herausforderung?
Natürlich ist der Faktor Zeit immer ein zentrales Thema. Der Termin hängt ab von der Vorgabe des Bauherrn, hinter der gewisse Überlegungen stehen. So müssen wir beispielsweise zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein, weil auf diesen Termin ein Gebäudewechsel ansteht. Bei Wohnungen gilt es, die Dauer der Mietzinsreduktion möglichst kurz zu halten.
Arbeiten sie mit speziellen Methoden, um die Sanierung zu beschleunigen?
Um den Ablauf sicherzustellen wenden wir das Lean Construction-Verfahren an. Dieses hilft uns, die Bauzeit zu minimieren, Fehler auszubessern, die gewünschte Qualität zu erreichen sowie die Logistik auf den Bauablauf abzustimmen und die benötigten Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt auf der Baustelle zu haben.
Philipp Groth (35) ist Teamleiter bei Implenia. Er hat einen Master in Baumanagement und ist gelernter Hochbauzeichner und Hochbautechniker.
Quelle: Ben Kron
Im innerstädtischen Bereich stellen die Baustellenlogistik und der vorhandene Stellplatz oft grosse Herausforderungen dar.