Obwalden, Nidwalden und Uri: Kampf um finanziellen Spielraum
Im zweiten Anlauf könnte eine Steuererhöhung in Obwalden auch vor dem Volk bestehen. Das strukturelle Defizit wäre dann Geschichte, notwendige Investitionen wieder möglich. Nidwalden scheint diesem Ziel ab 2020 näher zu kommen. Uri hat die Schuldenbremse gelockert, um Grossprojekte realisieren zu können.
Die Enttäuschung stand der Obwaldner Finanzdirektorin Maya Büchi im September 2018 ins Gesicht geschrieben. An der Urne hatte die kantonale Stimmbevölkerung ihre Finanzstrategie 2027+ versenkt, mit der das strukturelle Defizit von jährlich 40 Millionen Franken hätte beseitigt werden können.
Gut zehn Jahre nach dem Start der bis anhin erfolgreichen Tiefsteuerstrategie dachten knapp drei Fünftel der Obwaldner Stimmbevölkerung wohl primär an das eigene Portemonnaie und wollten nichts von einer Steuererhöhung wissen. Die im austarierten Finanzpaket enthaltenen Sparmassnahmen waren damit ebenfalls Makulatur. Plötzlich drohte 2019 ein Fehlbetrag von 43 Millionen Franken.
Obwaldens Problem mit dem Erfolg
Vor der verlorenen Abstimmung hatte Büchi vergebens «einen riesigen Investitionsstau bei Strassen, Immobilien und im Wald» konstatiert und die damit einhergehende Vernichtung von Volksvermögen angeprangert. Tatsächlich hatten 2017 die Obwaldner Nettoinvestitionen – also die Ausgaben minus Beiträge von Dritten – mit 2,3 Millionen Franken einen unrühmlichen Tiefpunkt erreicht.
Für die Misere verantwortlich waren die steigenden ordentlichen Ausgaben und die wegen des wirtschaftlichen Erfolgs langsam versiegenden Mittel aus dem Nationalen Finanzausgleich (NFA). «Nach zehn Jahren müssen wir sagen, dass wir vielleicht etwas zu tief gingen mit den Steuern. Das müssen wir nun korrigieren», so Büchi damals vor FDP-Parteifreunden.
2018 mutierte Obwalden im NFA gar erstmals vom Nehmer- zum Geberkanton. Eine beeindruckende Entwicklung, war der kleine Zentralschweizer Kanton doch noch 2008 der zweitärmste nach Uri. Das milde Obwaldner Steuerklima zog über die letzten Jahre also ganz offensichtlich gutbetuchte Einwohner und Firmen im grossen Stil an, was sich in einem starken Anstieg der Finanzkraft niederschlug.
Der kantonale Wirkungsbericht zur Tiefsteuerstrategie zeigte zudem auf, dass die Obwaldner Immobilienpreise 2017 und 2018 deutlich stärker gestiegen waren als im Schweizer Durchschnitt. Obwohl weiterhin sehr viel gebaut wurde, blieb die Leerstandsquote tief und erhöhte sich nur minimal von 0,61 auf 0,7 Prozent – dies wegen der gleichzeitig hohen Nachfrage. Eigentlich verlief also alles nach Plan, wäre da nur nicht das hartnäckige strukturelle Defizit gewesen.
Quelle: Bau- und Raumentwicklungsdepartement Kanton Obwalden
Beim Obwaldner 125-Millionen-Projekt «Hochwassersicherheit Sarneraatal» geht es dank der Finanzierung über eine Zwecksteuer vorwärts: Die vormontierte Tunnelbohrmaschine ist ein untrügliches Zeichen dafür.
Scherbenhaufen kitten in Etappen
Was Büchi dann am 19. Mai 2019 feiern konnte, war zwar noch keine finale Lösung dafür, aber ein wichtiger Etappensieg auf der Rückkehr zu wieder geordneten finanziellen Verhältnissen. Fast zwei Drittel der Obwaldner Stimmbevölkerung hatten ihrer Finanzdirektorin den Rücken gestärkt und in einer Referendumsabstimmung wichtige Sofortmassnahmen genehmigt, die den Staatshaushalt um jährlich 12,7 Millionen Franken entlasten werden. Diese umfassen reduzierte Abschreibungssätze fürs Anlagevermögen, eine Einmalabschreibung von 78 Millionen Franken zulasten des Eigenkapitals sowie die Aufhebung der Schuldenbremse für das laufende Jahr.
Das strukturelle Defizit des Kantons bleibe davon unbeachtet aber bestehen, warnte die Obwaldner Regierung umgehend. Es brauche weitere Massnahmen, um «wieder den finanziellen Spielraum zu erhalten und auch wieder investieren zu können», liess sich Landammann Christoph Amstad in der «Obwaldner Zeitung» zitieren.
Und nur vier Tage später folgte ihm der Kantonsrat und genehmigte eine Erhöhung des Einkommenssteuersatzes für natürliche Personen von 2,95 auf 3,25 Einheiten, dies jedoch befristet von 2020 bis 2024. Danach soll er wieder um 0,1 Einheiten sinken. Angesichts der im Herbst anstehenden Volksabstimmung blieb zudem eine von der Linken geforderte Erhöhung der Vermögenssteuer chancenlos.
Hochwassergefahr künftig gebannt
Einen neuen Anlauf die strikte Schuldenbegrenzung dauerhaft zu lockern und so einem fatalen Investitions-Stopp zu entgehen, lancierte die Obwaldner Regierung Ende Juni. Investitionen sollen künftig nur noch dann zu 100 Prozent mit eigenen Mitteln finanziert werden müssen, wenn die Nettoschuld 80 Prozent des Steuerertrags übersteigt. Der Kantonsrat wird diesen Vorschlag im September beraten. Definitiv gesichert ist hingegen die Finanzierung des 125 Millionen Franken teuren Hochwasserschutzprojekts im Sarneraatal, da dies über eine Zwecksteuer geschieht.
2005 waren der Sarnersee und die Sarneraa über die Ufer getreten und hatten ganze Gebiete überflutet. Solches soll sich nach menschlichem Ermessen nie mehr wiederholen können, sagten sich die Obwaldner und beschlossen, einen 6,5 Kilometer langen Hochwasserentlastungsstollen zu realisieren. Bis zu 100 000 Liter Seewasser pro Sekunde werden ab 2023 bei bedrohlich ansteigendem Pegel jeweils präventiv über diesen in die Sarneraa unterhalb von Alpnach abfliessen.
Mitte Juli erfolgte die Werksabnahme der stolzen Tunnelbohrmaschine, mit der das Herzstück des Projekts aufgefahren wird. Das 150 Meter lange Ungetüm verfügt über einen 100 Tonnen schweren Bohrkopf, mit dem es sich ab 2020 unterirdisch vorwärts fressen wird. Aktuell laufen beim Auslaufbauwerk unterhalb der Stauanlage Wichelsee die Arbeiten für einen bis zu 18 Meter tiefen Bauschacht unmittelbar an der Sarneraa, der als Startgrube für den bergmännischen Vortrieb und die Montage der Tunnelbohrmaschine dienen wird.
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