Neuer Umfahrungstunnel soll vor Verkehrsinfarkt schützen
Mit der Eröffnung des neuen Umfahrungstunnels Vedeggio- Cassarate am kommenden Donnerstag will die Stadt Lugano ihre gravierenden Verkehrsprobleme lösen. Damit verbunden ist eine Umstellung des gesamten Innenstadtverkehrs. Funktionieren kann das Projekt allerdings nur, wenn die Einheimischen ihre Fahrgewohnheiten ändern.
Die Tessiner hatten am (gestrigen) Samstag zum ersten Mal die Gelegenheit, ihre neue urbane Verkehrsachse aus der Nähe zu betrachten. Mit einem "Tag der Offenen Tür" sollte der neue 2,8 Kilometer lange Tunnel, der von der Autobahnausfahrt Nord ins Cassarate-Tal nördlich des Stadions Cornaredo führt, den Nutzern schmackhaft gemacht werden. Interessierte reisten scharenweise an, um den Tunnel von innen zu besichtigen, wie ein Video auf der Website des "Corriere del Ticino" zeigt. Einige waren bei sonnigem Tessiner Wetter mit dem Fahrrad oder mit dem Trottinett unterwegs.
Insgesamt 355 Millionen Franken hat der Bau des Tunnels gekostet. 207 Millionen Franken trug der Bund dazu bei, den Rest teilten sich Kanton und Gemeinden des Luganese. Die Investition war Teil eines Rahmenkredits von 905 Millionen zur langfristigen Gestaltung eines verbesserten Verkehrsnetzes in der Region. Der neue Tunnel, der unter die kantonale Zuständigkeit fällt, soll die Stadt vor dem Verkehrskollaps retten. Keine Rush-Hour verging in den vergangenen Jahren, ohne dass der Verkehr auf beiden Einfahrten ins Stadtzentrum - von den Autobahnausfahrten Nord und Süd aus - komplett blockierte.
Volle Auslastung
Um jeweils ein Prozent pro Jahr sei der Verkehr im Tessin in der Vergangenheit gewachsen, sagte der Tessiner Baudirektor im Vorfeld zur Eröffnung. Das Strassensystem sei längst an seine Grenzen gestossen. Mit der "Galleria Vedeggio-Cassarate" erhält die Stadt nun ein drittes Einfahrtstor. Bei einem erwarteten Verkehrsaufkommen von geschätzten 25'000 bis 30'000 Autos am Tag werde der Tunnel voraussichtlich gleich mit voller Auslastung in den Betrieb gehen, sagte Borradori. Um das tägliche Verkehrschaos nicht einfach nur zu verlagern oder gar Mehrverkehr zu generieren, sind an die Eröffnung weitere Massnahmen geknüpft.
Eine neue Strassenführung und die Verstärkung des öffentlichen Nahverkehrs sollen die Autos aus dem Zentrum fern halten, erläuterte der Luganeser Stadtbaumeister Milo Piccoli im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Am (heutigen) Sonntag um 5 Uhr trat das neue System in Kraft: Etliche Strassen wechselten die Fahrtrichtungen, und ein neues intelligentes Ampelsystem steuert neu den PKW-Fluss.
Mehr Buslinien
Rund 30 Millionen Franken (Teil des Rahmenkredits von 905 Millionen) habe allein diese Veränderung gekostet, so Piccoli. Um ein Chaos bei der Umstellung abzuwenden, unterstützen etwa 50 private Sicherheitsagenten in diesen Tagen die Luganeser Verkehrspolizei. Sie sind seit Tagen im Einsatz. Als Herzstück des Verkehrsprojektes gilt aber die Verbesserung des Busliniennetzes und die Schaffung von Park&Ride-Parkplätzen. Denn die Eröffnung des neuen Umfahrungstunnels schaffe nur dann Erleichterung, wenn die Pendler bereit sind, hinter dem Tunnelausgang ihr Auto auf einem der 1'200 Stellplätze zu lassen.
Gewohnheiten ändern
Ein weiter P&R-Platz steht im Süden der Stadt bereit - zusätzliche sollen in den kommenden Jahren folgen. Langfristig ist die Schaffung einer Tram-Linie geplant. Den Planern ist klar, dass die mentale Umstellung die grösste Schwierigkeit werden könnte. "Die Tessiner tun sich schwer damit, auf ihr Auto zu verzichten", sagte Angelo Jelmini von der Stadtexekutive Lugano zur sda.
Doch sie müssten lernen, dass es die einzige Chance sei. Mit Spannung werde der 26. Juli erwartet, wenn um 16 Uhr der Tunnel für den Verkehr frei gegeben wird. Doch die wirkliche Nagelprobe für das neue Konzept erfolgt nach Einschätzung von Jelmini am 1. September, wenn die Schulferien im Tessin zu Ende gehen.
(Von Antje Bargmann, sda)