Nanometer von der Katastrophe entfernt
Die Ränder und Nahtstellen der Erdplatten sind erdbebengefährdet. Nach wie vor ist es nicht möglich, den Zeitpunkt für die ruckartigen, Kastrophen verursachenden Plattenbewegungen vorauszusagen. Jetzt ist die Forschung ein Stück weiter.
Quelle: Her2heal/wikimedia.org
Die Spuren einer Kastrophe vor Millionen von Jahren: Die Vasquez-Rocks am Andreasgraben.
Warum entladen sich die Spannungen in Gesteinsschichten plötzlich mit und in einem Erdbeben? Einer der Gründe: Weil sich in horizontal verschiebenden Erdplatten die Gesteinsschichten ineinander verhaken, entstehen Spannungen, die sich dann ruckartig in einem Erdbeben entladen können.
Geologen vermuten schon lange, dass hierbei Kräfte in der Grössenordung von Nanometern (ein Nanometer entspricht etwa einem Millionstel eines Millimeters) eine Rolle spielen. Diese Kräfte scheinen sich zu verstärken, je länger die Gesteinsschichten miteinander in Kontakt sind. Ob die Kontaktstellen mit der Zeit an Fläche zunehmen oder ob sich die Reibung an den einzelnen Punkten immer weiter verstärkt, war bislang nicht geklärt.
Anziehungskräfte der Atome
Wie das Magazin „Bilder Wissenschaft“ berichtet, ergaben sich im Rahmen einer Zusammenarbeit von Geologen und Physikern neue Erkenntnisse: Eine Forschergruppe um Qunyang Li von der University of Pennsylvania in Philadelphia untersuchte, wie sich die Anziehungskräfte einzelner Atome über die Zeit entwickeln. Dabei bediente man sich eines Rasterkraft-Mikroskopes, mit dem sich Oberflächen mechanisch abtasten sowie atomare Kräfte im Nanometerbereich messen lassen, und konzentrierte sich auf genau einen Kontaktpunkt.
Silikate, die Hauptbestandteil vieler Gesteinsarten sind, waren zuerst Gegenstand der Beobachtungen. „Dabei konnten wir eine starke Zunahme der Anziehungskräfte feststellen“, berichtet Li. Sehr viel schwächer sie dieser Effekt zwischen Silikat und Diamant beziehungsweise Silikat und Grafit gewesen. Das spreche für die Verstärkung einzelner Kontaktpunkte und nicht für ihre Ausdehnung, vermutet der Ingenieur. „Wäre es anders, müsste aufgrund der hohen Dichte von Diamant und Grafit die Anziehungskraft dieser Materialien viel stärker sein.“
Verbesserte Erdbebenwarnungen
Mit den gewonnenen Erkenntnissen will man bereits existierende Modelle zur Entstehung von Erdbeben weiterentwickeln, um so Erdbeben besser voraussagen zu können. Gemäss Aussagen von Studienleiter Robert Carpick ist das nur möglich, wenn man die grundlegende Physik hinter diesen Prozessen versteht. Als Nächstes will das Forscherteam die Auswirkungen der Temperatur auf die Anziehungskräfte einzelner Kontaktpunkte beobachten. (mai)