„Nachlese“zur Rochade bei Implenia
Der Abgang von Implenia CEO Hans Fässler nach nur 15 Monaten und der Übernahme der Führung durch Verwaltungsratspräsident Anton Affentranger lässt die meisten Zeitungen auf gravierendere Probleme im Unternehmen schliessen.
Die Analysten der Zürcher Kantonalbank registrierten auf Grund der zahlreichen Veränderungen in der Geschäftsleitung viel Unruhe in der Organisation. Die neue Führung müsse Problempunkte wie das unbefriedigende Inlandgeschäft oder die fehlende Internationalität entschlossener angehen. Und die Beobachter der Bank Vontobel halten fest, dass das erste Halbjahr 2011 hinsichtlich operativer Entwicklung schwach gewesen sei und das EBIT-Ziel von 100 Millionen Franken erneut verschoben wurde. Implenia sei zwar gut aufgestellt, mache aber keine Fortschritte.
In einem ersten Interview mit dem Tages-Anzeiger sieht sich der neue CEO Anton Affentranger nicht als „Übergangsunternehmensleiter“ sondern plant seinen Einsatz für mehrere Jahre. Auch bestätigt er das vor anderthalb Jahren angekündigte Ziel von 100 Millionen Betriebsgewinn. Zu seinen Herausforderungen präzisierte Affentranger im Tages-Anzeiger, dass das Unternehmen zwar strategisch gut positioniert sei, im Baugeschäft in der Schweiz aber "einige offene Fragen" angegangen werden und auch der Konzern international weiterentwickelt werden soll.
Zu seinem Vorgänger Hanspeter Fässler, der aus der Industrie kam, äussert sich Affentranger zurückhaltend. Prozesswissen wie in der Industrie sei zwar wichtig, aber ein Bauunternehmen sei eben doch keine Industrie sondern ein Dienstleister - jedes Projekt sei ein Unikat. Dreingeredet hätte er seinem Vorgänger nie, vielmehr habe er ihm Raum gelassen für seine Entscheide. Im gleichen Interview, das auch im Bund erschien, sieht er vielschichtige Gründe für das enttäuschende erste Halbjahr 2011, "ein Gemenge von Margen- und Konkurrenzdruck, von nicht optimaler Planung von Kapazitäten und Projekten in einzelnen Regionen".
Die Finanz und Wirtschaft sieht in Affentranger einen sicheren Wert. Unter seiner Führung konnte der Übernahmeversuch durch den Hedge Fund Laxey Partners abgewehrt werden. Zusammen mit dem neuen VR-Präsident, dem bisherigen Vize-Präsident Markus Dennler ist für Kontinuität gesorgt. Auch dieser will, gemäss F&W an der gegebenen Strategie festhalten. Wichtig ist dabei der Bereich Industrial Construction, der neu von Peter Preindl geführt wird, der den frühzeitig in Pension gehenden Luzi Gruber ersetzt. Preindl war zuletzt CEO des österreichischen Bauunternehmens Alpine-Bau. Er ist sicher für diesen Bereich eine gute Wahl.
Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) stellt eine hektische Personalpolitik und einen grossen Verschleiss von Führungsleuten fest. Implenia gehöre zu den Konzernen mit kurzer Verweildauer der Chefs. Die NZZ sieht aber in der Umbesetzung möglicherweise eine Kontinuität, die eine teilweise Rückkehr zu einem früheren (erfolgreicheren) Zustand bedeutet.
Des Weiteren vermerkt die NZZ, dass der Konzern mit seinen Integrationsplänen in der Schweiz ein Unikat darstellt. Der anvisierte Ausbau von Dienstleistungen, Immobilienentwicklung, Total- und Generalunternehmung, Facility-Management, selektiven Auslandengagements und Nachhaltigkeit sowie die Auslastung der Tunnelbaukenntnisse bilden bereits ein breites Spektrum. Hinzu komme das margenarme Geschäft der konventionellen Bautätigkeit, das im Rennen gegen andere Generalunternehmer oft ein ziemlich schwerer Anhänger sei.
In der Neuen Luzerner Zeitung (NLZ) wird Bezug auf unternehmensnahe Kreise genommen, die aus Enttäuschung über die schlechte Performance Fässlers dessen Rücktritt gefordert hätten.
Erwähnt wird auch dass die Aktionäre ungeduldig geworden seien und in diesem Zusammenhang die Investmentgesellschaft Black Rock ihre Beteiligung an Implenia von fünf auf drei Prozent zurückgefahren habe.
„Gigant auf Schlingerkurs“ titelte die Handelszeitung. Die personellen Turbulenzen passten zum „Schlingerkurs“ des Baugiganten, heisst es weiter. Dort laufe längst nicht mehr alles nach Plan. Der Aktienkurs sei unter Druck, der Halbjahresgewinn sei eingebrochen - und die rasanten Wechsel in der Chefetage der Implenia seien nicht ungewöhnlich. Wie die Handelszeitung festhält, war etwa Werner Karlen nur gerade mal zwei Monate im Amt. Und auch damals sprang Affentranger ein. Probleme wie die Verluste in der Bausparte Infra dürften laut dem Wirtschaftsblatt allerdings nicht der einzige Grund für Fässlers Abgang sein. Wie Max Rössler von der Pamino Holding, die einen Anteil von rund 16 Prozent an der Implenia besitzt, gegenüber der Zeitung erklärt, sei ihm gesagt worden, dass die Chemie zwischen Fässler und anderen Mitgliedern der Geschäöftsleitung seit einiger Zeit nicht mehr stimmte. Gewisse Leute hätten soger kündigen wollen, wenn Fässler weiter im Amt bleibt. Es sei gut, dass Anton Affentranger CEOwerden, er kenne die Firma. Anders sehen es die Aktionäre. "Es ist kein gutes Zeichen, dass es Implenia verpasste, Kontinuität auf der Führungsebene zu schaffe", wird ein nicht genannt sein wollender Aktionär zitiert.
Auf Grund der überwiegend kritischen Kommentare und Meinungen dürften die Implenia mit ihrem neuen alten CEO unter verstärkter Beobachtung und erhöhtem Erfolgsdruck stehen. (mai)