Nachhaltige Wohnungswirtschaft: Welche Baumassnahmen nachhaltig wirken (1/2)
Mit Blick auf eine nachhaltigere Bauwirtschaft werden die Regulierungen verschärft. Die Hochschule Luzern hat nun im Rahmen eines Projekts die finanziellen Aspekte nachhaltigen Bauens untersucht. Baumaterialien, Heizsysteme und weitere Baumassnahmen beeinflussen dabei zwar die Kosten, später aber auch die Vermietbarkeit sowie die Erträge von Gebäuden.
Quelle: Renate Oberinger, eigenes Werk, CC BY 3.0, Wikimedia Commons
Die Mieterschaft schätzt Dachbegrünungen. Im Vergleich zu anderen Dacheindeckungen ergeben sich zwar höhere Kosten, gleichzeitig resultieren jedoch auch höhere Nettomieten.
Von Christian Kraft und Constantin Kempf *
Mietwohnungen spielen im Kontext der Nachhaltigkeit eine ganz besondere Rolle. Denn sie sind die dominante Wohnform in Schweizer Städten. Dort lassen sich Umweltwirkungen lagebedingt reduzieren. Zudem sorgt die gute innerstädtische Vermietbarkeit für nachhaltige finanzielle Potenziale, die langfristig für zyklische Investitionen in erneuerbare Energien eingesetzt werden können. Ein laufendes Forschungsprojekt der Hochschule Luzern analysiert die Wechselwirkungen von Ökologie, Lage, Finanzier- und Vermietbarkeit nachhaltiger Massnahmen im Schweizer Mietwohnungsmarkt.
Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob nachhaltige Wohnimmobilien im Vergleich zu konventionellen Objekten höhere Er-stellungskosten und Erstvermietungserträge aufweisen. Dies erfolgt unter Kontrolle der Lagebedingungen und weiterer Indikatoren. In bisherigen Studien wurde vor allem auf die Wirkung von Standards, Ratings und Guidelines fokussiert sowie auf die Kosten und Vermietung von Wohnungen.
Damit untersucht die bisherige Forschung insbesondere den Effekt von Standards beziehungsweise Labels, die aus einem Bündel nachhaltiger Massnahmen bestehen und diese mit Hilfe von Zertifikaten signalisieren. Rückschlüsse auf den monetären Effekt einzelner baulicher Massnahmen und den Einsatz von Heizsystemen wie Geothermie, Fernwärme oder Wärmepumpen, sind damit nicht möglich. Darüber hinaus vergleichen die meisten Studien die Erstellungskosten nachhaltiger und konventioneller Gebäude anhand weniger Bauprojekte in Form von Fallstudien.
Kostenseitiger Vergleich
Um der Frage nachzugehen, welchen Effekt einzelne nachhaltige Massnahmen auf die Baukosten im Schweizer Wohnungsmarkt haben, untersuchen die Autoren Daten des Baublatts sowie des Bauinfo-Centers der Docu Media Schweiz GmbH zu 55 146 Bauprojekten, mit Baueingaben die zwischen Januar 2010 und Juni 2020 getätigt wurden. Mit Hilfe statistischer Modelle werden die Gesamtprojektkosten in die einzelnen nachhaltigen und konventionellen Baumassnahmen zerlegt. Damit lassen sich nachhaltige und konventionelle Baumassnahmen kostenseitig vergleichen.
Quelle: Baublatt / Bauinfo-Center Docu Media Schweiz GmbH
Wärmepumpen werden am häufigsten verbaut (Neubau 2010 bis 2019).
Den Einsatz von Heiz- und Energiesystemen im Neubau im vergangenen Jahrzehnt zeigt Abbildung 1. In über der Hälfte der Projekte und damit mit Abstand am häufigsten wurden Wärmepumpen verbaut. Bei fast jedem vierten Projekt und damit am zweithäufigsten wurde mit Hilfe von Tiefenbohrungen die Geothermie erschlossen. Auch Solarheizsysteme, oft im Verbund mit Gasheizungen, kommen vielfach zum Einsatz, stagnieren jedoch im zeit-lichen Verlauf.
Boom bei Solarenergie
Hingegen erfreut sich die Stromerzeugung mit Hilfe der Solarenergie wachsender Beliebtheit. Rund 200 bis 300 Projekte wurden jedes Jahr an die Fernwärme an-geschlossen. Elektro- und Ölheizungen wurden im Neubau nur noch vereinzelt verbaut.
Für eine Teilmenge der Projekte werden die Bauprojektdaten, die das Baublatt beziehungsweis das Bauinfo-Center zur Verfügung stellte, mit Vermietungsinseraten der Fahrländer Partner Raumentwicklung AG (FPRE) verknüpft. Dieses Vorgehen ermöglicht es, Zusammenhänge zwischen Baukosten und den Nettomieten der Erstvermietungsinserate zu untersuchen. Nebst dem Kosteneffekt einzelner nach-haltiger Baumassnahmen lassen sich dabei schliesslich auch potentiell positive Einflüsse auf Mieterträge beobachten.
Lage und Qualität erhöhen Mieten
Die durchschnittlichen Baukosten pro Wohnung liegen bei rund 430 000 Schweizer Franken. Hierbei liegen die Baukosten pro Wohnung bei Neubauten mit über einer halben Million Schweizer Franken rund 82 Prozent über jenen der Umbau- und Erweiterungsprojekte. Die durchschnittlichen Nettomieten der 16 632 Projekte, denen Mietinserate zugeordnet werden konnten, liegen bei 271 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Interessanterweise sind die Nettomieten im Umbau und der Erweiterung mit 287 Franken pro Quadratmeter und Jahr höher als Neubaumieten mit 247 Franken.
Die Gründe hierfür können unterschiedlich sein und beispielsweise mit der Lage beziehungsweise der Zentralität der beiden Teilstichproben zusammenhängen. Die Baukosten pro Wohnung sind stark von der Grösse eines Projekts bestimmt, wie die Analyse zeigt. Dank Skaleneffekten sinken die Durchschnittskosten pro Einheit je mehr Wohnungen mit einem Projekt realisiert werden. Die Wahl der unterschiedlichen Bauteile im jeweiligen Gewerk wirkt sich direkt auf die Baukosten pro Wohnung aus. Mit Hilfe statistischer Methoden lassen sich diese Kostenunterschiede zwischen nachhaltigen und konventionellen Bauteilen herausschälen. Darüber hinaus sind qualitativ hochwertige Materialien wie beispielsweise Natursteinböden und gehobene Ausstattungen wie Cheminées kostentreibend.
Die statistischen Mietmodelle bestätigen die Branchenweisheit, dass die Miete hauptsächlich durch die Lage bestimmt ist. Heizsysteme und Materialisierung, die nicht direkt als zusätzliche wahrnehmbare Qualitäten und damit auch keinen direkten Nutzen für den Bewohner erzeugt, schlagen sich nur vereinzelt in den Mieten nieder.
Quelle: Baublatt / Bauinfo-Center Docu Media Schweiz GmbH
Zusammenfassung der Effekte nachhaltiger Massnahmen auf Baukosten und Mieten.
Dachbegrünung wird geschätzt
Die Effekte verschiedener Baumassnahmen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Baukostenseitig zeigen nachhaltige Massnahmen im Vergleich zu Standardlösungen überwiegend und mehrheitlich positive statistisch signifikante Effekte. Lediglich mit der Holztragkonstruktion lassen sich im Vergleich zu Beton zirka vier Prozent der Kosten einsparen. Bei Holzfassaden und -fenstern beträgt der Kostenaufschlag zum verputzten Mauerwerk respektive Kunststofffenstern zirka 2,5 Prozent. Obwohl sich höhere Erstellungskosten des nachwachsenden Rohstoffs Holz nicht in höhere Mieten ummünzen lassen, fallen diese doch moderat aus.
Dachbegrünungen ziehen zwar ungefähr sieben Prozent höhere Erstellungskosten nach sich, weisen aber aufgrund ihrer für den Mieter wahrnehmbaren Vorteile im Vergleich zu den restlichen Dacheindeckungen auch höhere Nettomieten auf. Die Investition in eine Photovoltaikanlage zur Stromgewinnung erhöht die Baukosten um 3,1 Prozent. Mit Hilfe des Solarstroms können zwar die Nebenkosten für Mieter reduziert werden, Effekte auf die Nettomietzinse bleiben jedoch aus.
Die Fernwärme ist mit 5,8 Prozent ein im Vergleich zur Ölheizung teures Heizsystem. Die am häufigsten zum Einsatz kommende Wärmepumpe erhöht im Vergleich zur Ölheizung die Kosten nur um 2,3 Prozent. Solarheizsysteme unterscheiden sich kostenseitig nicht von Ölheizungen. Die als besonders nachhaltig und sauber geltende Geothermie ist im Vergleich zur Ölheizung um 4,9 Prozent teurer. Diese erhöhten Investitionskosten lassen sich aber mit 1,9 Prozent auf höhere Nettomieten übertragen.
* Christian Kraft ist Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Luzern. Constantin Kempf wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ (HSLU).
Veranstaltungshinweis
Die «Konferenz Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2021» geht detailliert auf das Thema ein. Vorgestellt werden etwa Lösungsansätze für erneuerbare Wärme im Bestand und das Praxisbeispiel einer komplexen Grosssanierung.
Der Anlass wird vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) organisiert und findet am 15. Dezember 2021 in Rotkreuz statt.
Weitere Informationen: www.hslu.ch
Buchtipp
Nachhaltige Wohnungswirtschaft in der Schweiz – Erkenntnisse aus Forschung und Praxis; Christian Kraft und Constantin Kempf; Springer Gabler Verlag; 162 Seiten; ISBN: 978-3-658-34807-6; 65,60 Franken.