Mumpitz und Hafenkäse
Von Michel Buro, Präsident des Fachverbands Infra
Die Berufslehre stosse langsam aber sicher an ihre Grenzen. Denn wolle man international wettbewerbsfähig bleiben, müsse sich die Maturandenquote bis ins Jahr 2030 verdoppeln. Mindestens 70 Prozent der Schweizer Jugendlichen soll am Ende ihrer Schulkarriere dereinst einen Universitäts- oder Hochschulabschluss in der Tasche haben. Dies verlangen die «Akademien der Wissenschaft Schweiz» in ihrem Weissbuch.
Diese Forderung ist in meinen Augen, Sie entschuldigen, Mumpitz und Hafenkäse. Oder einfach die Ausgeburt einer weltfremden Bildungselite. Ich halte die Autoren für schlicht unvernünftig, wenn diese mir mit ihrem Weissbuch weismachen wollen, dass es in Zukunft die Wissenschaftler sein werden, die für unseren wirtschaftlichen Wohlstand garantieren.
Sie sehen nämlich nicht, dass sich der Erfolg eines Bildungssystems nicht einfach über die Quote der Hochschulabgänger bemessen lässt. In der Schweiz legen wir den Schwerpunkt bewusst etwas anders als in anderen Ländern. Unser Berufsbildungsgesetz verlangt «ein Berufsbildungssystem, das den Einzelnen die berufliche und persönliche Entfaltung und die Integration in die Gesellschaft, insbesondere in die Arbeitswelt, ermöglicht». Die Ausbildung hat darüber hinaus «der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe» zu dienen.
Bei der Integration der Schulabgänger in den Arbeitsmarkt stehen wir international gut da. Unser duales System, mit der Wählmöglichkeit für die Berufslehre oder die gymnasiale und universitäre Bildung, haben wir offensichtlich auf das richtige Pferd gesetzt. Die Schüler in Frankreich, Italien oder Finnland mögen zwar in der PISA-Studie die besseren Werte erzielt haben, doch sind ausgerechnet in diesen Ländern ein Fünftel bis ein Viertel der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos. Bei uns sind es – selbst in Krisenzeiten – nie mehr als fünf Prozent.
Wir müssen es darum nicht einfach den anderen europäischen Ländern gleich tun. Fördern wir stattdessen unser bewährtes duales Bildungssystem. Es bietet unserer Jugend und unserer Wirtschaft vielfache Chancen. Die Durchlässigkeit über die Weiterbildungs-, Umschulungs- und Fortbildungsangebote gilt es weiter zu verbessern, garantieren sie uns doch die nötige Flexibilität und Mobilität in einem sich ständig wandelnden Umfeld. Der ausgeprägte Föderalismus in der Schweiz ist der Entwicklung des Bildungsbereichs nicht wirklich förderlich. Dem Bund müssen endlich mehr Kompetenzen zugestanden werden.Die Berufslehre und das Gymnasium: Das Nebeneinander dieser zwei Bildungswege macht die Stärke des Schweizer Bildungssystems aus. Die Berufslehre zu opfern, wäre fatal. Viel mehr gilt es, die Berufslehre mit den höheren Fachausbildungen und die universitäre Ausbildung gleichwertig zu fördern. Das verstehen hoffentlich auch unsere Akademiker.