Mehr Holz dank Investoren mit weitem Horizont
Der Markt hat das grossvolumige Bauen mit Holz in einem erstaunlichen Tempo aufgenommen. Erst seit dem Jahr 2005 ist es ohne Ausnahmebewilligung möglich, Tragwerke in Holz bis zu sechs Geschossen zu erstellen und Fassaden bis zu acht Geschossen mit Holz zu verkleiden. Bis dahin war Holzanwendung ohne viel baurechtliche und technische Mühsal nur über zwei Stockwerke plus Dachausbau angesagt, und man sah landauf, landab auch wenig grundlegend anderes. Das hat sich in den letzten fünf Jahren radikal geändert; Holz findet in Bauten grossen Massstabs nicht zuletzt auch zurück ins städtische Umfeld. Wohl gegen 1500 mehrgeschossige Holzbauten sind von 2005 bis 2010 insgesamt in der Schweiz entstanden. Das ist ein veritabler Formel-1-Start.
Was und wer steht hinter dem offenbaren Boom des mehrgeschossigen Bauens mit Holz? Im Versuch einer Annäherung lohnt sich ein genauerer Blick auf eine Region im urbanen Kontext, die derzeit holzbauerisch für Aufsehen sorgt: Im Grossraum Zürich entstehen derzeit etwa 1000 Wohnungen in grossen Holzbauprojekten. Das ist erstaunlich, und die Frage nach dem Warum ist aufschlussreich.
Beachtung verdienen zuerst zwei aussergewöhnliche Gegebenheiten in der Limmatstadt. Zum Ersten: Die Stadt Zürich ist seit dem mutigen Beschluss ihrer Stimmbürger von Ende 2008, die 2000-Watt-Gesellschaft in der Gemeindeordnung zu verankern, zu einem Labor für zukunftsfähiges Bauen geworden. Zum Zweiten gibt es in der Limmatstadt allein über 100 Wohnbaugenossenschaften. Sie treten derzeit eine nach der andern mit Projekten für umfassende Ersatzneubauten auf den Plan, die mit Holz realisiert werden. In diesem Segment finden sich denn auch die meisten aktuellen Investoren für den grossvolumigen Holzbau auf dem Platz Zürich und in seiner Umgebung. Neben einigen privaten Bauherrschaften sticht ausserdem eine Grossbank mit eigenem Immobilienportfolio und einem Fonds ins Auge, der konsequent auf nachhaltige Objekte setzt.
Daraus ergibt sich eine doppelte Vermutung: Der grossvolumige Holzbau in seiner neuen, urbanen Form verdankt seinen Aufschwung zum einen Rahmenbedingungen, die Exzellenz hinsichtlich Ressourcenschonung und Energieeffizienz fordern und fördern, er verdankt ihn wesentlich aber auch Investoren mit einem langfristigen Horizont. Dessen Weite wird primär bestimmt durch das Eigentum an der Sache. Anders gesagt: Wer auch nach Jahren, vielleicht sogar nach Jahrzehnten noch Eigentümer einer Immobilie ist, verfolgt bei ihrer Realisierung andere Gedankengänge als ein «normaler» Investor, der sich nur eine begrenzte Zeitspanne zur Erwirtschaftung eines optimalen Ertrages zugesteht und sich oft bald nach der Realisierung mit der Veräusserung des Baus verabschiedet.
Dieses ausgeprägte Profil eines weiten Horizontes zeigen alle genannten Investoren des Beobachtungspunktes «Grossraum Zürich». Demselben Profil entspricht aber in einem weiteren Betrachtungsraum über die Limmatmetropole hinaus auch die öffentliche Hand in der ganzen Schweiz. Sie hat in den letzten Jahren auf allen Ebenen von der Gemeinde über den Kanton bis zum Bund mit Schul- und Verwaltungsbauten immer wieder ihre Offenheit für den Holzbau unter Beweis gestellt – zum Teil in eindrücklichen Grössenordnungen.
Es sind diese Bauherrschaften mit Langfristperspektive, bei denen die guten Argumente für den grossvolumigen Holzbau auf fruchtbaren Boden fallen. Sie betreiben nachhaltiges Immobilienmanagement, indem sie eine Betrachtung nach Lebenszykluskosten suchen, anstatt nur die kurzfristigen Parameter ihrer Investition zu prüfen und zu gewichten. Damit formen sie eine Avantgarde. In ihrem Kielwasser wird sich die Denkart im gesamten Baumarkt langfristig vermutlich substanziell wandeln.
Christoph Starck, Direktor von Lignum, Holzwirtschaft Schweiz