Lohndumping geht leicht zurück
Jeder dritte ausländische Betrieb und jeder vierte Schweizer Arbeitgeber betreiben Lohndumping. Die Resultate aus dem Bericht zu den flankierenden Massnahmen zeigen, dass trotz Kontrollen gegen Mindestlohnvorschriften verstossen wird. Allerdings sind die Zahlen leicht rückläufig.
Rund jedes dritte ausländische Unternehmen das in der Schweiz Aufträge erledigt, hat vergangenes Jahr vermutlich gegen gesamtarbeitsvertraglich geregelte Mindestlohnvorschriften verstossen. Allerdigns kommen auch inländische Unternehmen nicht viel besser weg: Jedes vierte hält die Mindestlöhne wahrscheinlich nicht ein. Allerdings sind diese Zahlen laut Serge Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), deutlich tiefer als im Vorjahr. Vordergründig ist vor allem bei Schweizer Arbeitgebern die Zahl der vermuteten Verstösse klar zurück gegangen, und zwar von 41 auf 26 Prozent. Dies ist dem Gastgewerbe zu verdanken, wo im Jahr 2011 Arbeitsmarktkontrolleure der paritätischen Kommissionen eine Verstossquote von lediglich 2,7 Prozent festgestellt haben. Im Vorjahr standen für diese Branche keine Zahlen zur Verfügung.
Unsaubere Reinigungsbranche
Nicht besonders sauber erweisen sich die Löhne bei in- und ausländischen Reinigungsunternehmen, wo in zwei Dritteln der Fälle Lohndumping vermutet wird und damit ein Verstoss gegen den allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Weniger hoch war die vermutete Missbauchsquote bei ausländischen Betrieben der Überwachungs- und Sicherungsbranche, hier lag sie bei 55 Prozent. Die Schweizer Arbeitgeber betrieben dort allerdings häufiger Lohndumping: Die Kontrolleure vermuteten in 64 Prozent der Fälle Lohnmissbrauch. Auch die Gartenbaubranche und der Handel kommen nicht gut weg.
Ohne GAV mehr Lohndumping
In Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (GAV) haben die Kontrolleure - hier die tripartiten Kommissionen der Kantone - eine zunehmende Zahl von Lohndumping verzeichnet. Insgesamt vermuteten sie bei 14 Prozent ihrer Kontrollen Verstösse bei ausländischen bzw. den Entsendebetrieben sowie eine Zunahme von vermutetem Lohndumping von sechs auf neun Prozent bei Schweizer Unternehmen. Das SECO führt diese Zahlen nicht generell auf tiefere Löhne zurück, sondern darauf, dass in gewissen Branchen verstärkt kontrolliert wurde. Dazu gehörten Das Baunebengewerb, Personalverleih, Gastgewerbe, Überwachungs- und Sicherheitsunternehmen sowie Reinigungsfirmen.
Vermutungen und wenig Sanktionen
Im Bericht werden Verstösse aufgeführt, die bei der Kontrolle "vermutet" werden- also nicht rechtskräftig sanktionierte Verstösse. Auch wird nur etwa jeder dritte vermutete Verstoss denn auch tatsächlich sanktioniert. Von den rund 2500 ausländischen Betrieben, die 2011 zwingende Mindestlöhne missachtet haben, wurden knapp 800 mit einer Konventionalstrafe belegt. 57 Betriebe wurden rückfällig.
In Einigungsverfahren wurden 323 Schweizer Betriebe dazu bewegt, branchenübliche Löhne zu bezahlen. In 222 Fällen waren diese Verfahren erfolgreich. Allerdings müssen Schweizer Arbeitgeber in Branchen ohne GAV müssen keine Mindestlöhne berücksichtigen und können nicht bestraft werden. Diese Gesetzeslücke soll mit der Revision des Entsendegesetzes geschlossen werden.
Gewerkschaften kritisieren Rückgang der Kontrollen
Im vergangenen Jahr wurden 140'000 Personen und 38'000 in- und ausländische Betriebe im Rahmen der flankierenden Massnahmen kontrolliert - das waren ungefähr 1200 Betriebe weniger als im Vorjahr. Dies trotz einer Rekordzahl von rund 180'000 (plus 22 Prozent) meldepflichtigen Kurzaufenthaltern, die auf dem Schweizer Arbeitsmarkt Aufträge erledigten.
Die Gewerkschaften kritisieren den Rückgang der Anzahl Kontrollen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund sprach in einer Mitteilung von einem „besorgniserregenden Bild“. Zudem sei in den besonders sensiblen Branchen mehr Lohndumping aufgedeckt worden. Er fordert daher die Einführung von Mindestlöhnen und aufgrund der Einwanderungszahlen mehr Kontrollen. Nach Meinung der Unia kann der Rückgang an Kontrollen darauf zurück geführt werden, dass der Bund die Mittel für die Kontrollen plafoniert hat. Auch sie fordert mehr Kontrollen und ebenfalls die Einführung einer Solidarhaftung, wie sie derzeit von den vorberatenden Kommissionen der eidgenössischen Räte diskutiert wird. (mai/sda)
Scheinselbstständigkeit
Ein separates Kapitel des Berichts widmet sich der Scheinselbständigkeit. Gemessen an der Zahl aller Beschäftigten in der Schweiz machen Scheinselbstständige zwar gerade mal 0.1 Prozent aus, wie Serge Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit beim Seco, anlässlich der Präsentation des Berichts erklärte. Die Zunahme und die Konzentration auf das Baunebengewerbe und erklärten aber, weshalb die Scheinselbstständigkeit in der politischen Diskussion soviel zu reden gegeben habe.
So bestand bei rund 10 Prozent der kontrollierten Selbstständigen der Verdacht auf Scheinselbstständigkeit. Dieser Anteil sei tiefer als 2010, so Gaillard. Er führt dies auf die Weisung des Seco zurück, die ab 2011 gültig wurde. Sie habe Klarheit geschaffen, nach welchen Kriterien die Selbstständigkeit überprüft werden könne. Allerdings kann sie nur beschränkt durchgesetzt werden. Der Grund: Wird heute der Nachweis der Selbstständigkeit verweigert wird, sind noch keine Sanktionen möglich. Diese Lücke soll das Bundesgesetz über die Anpassung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit schliessen, das der Bundesrat anfangs März verabschiedet hat und dessen Entwurf zurzeit von den eidgenössischen Räten diskutiert wird. Mit dem neuen Gesetz muss die Selbstständigkeit jederzeit mit entsprechenden Dokumenten nachgewiesen werden können. Damit werde es einfacher, Scheinselbstständigkeit zu verhindern, so Gaillard. (mai)