Lichter Balken über brausenden Zügen
Hinter dem eher unspektulären Projektnamen „337939“ verbirgt sich ein imposantes Bauwerk: Die Architekten des britisch-französischen Büros „Flint & Neill“ haben sich für den künftigen „Negrellisteg“, der das Gleisfeld beim Zürcher Hauptbahnhhof überspannen soll, einen 150 Meter langen, schlanken, stützenfreien Balken ausgedacht.
H inter dem eher unspektakulären Namen «337 939» verbirgt sich ein imposantes Bauwerk: Die Architekten des britisch-französischen Büros Flint & Neill haben für den künftigen Negrellisteg, der das Gleisfeld beim Zürcher Hauptbahnhof überspannen soll, einen rund 150 Meter langen, schlanken, stützenfreien Balken entworfen. Mit ihrem Vorschlag hatten sie die Jury am internationalen Projektwettbewerb überzeugt: Der Raumfluss der Geleise werde trotz der Wucht der Brücke nicht unterbrochen, hiess es. Die Passerelle ist für Fussgänger und Velofahrer gedacht und besteht aus einer Brücke und zwei Rampen. Sie kommt auf der Höhe von Max Vogts denkmalgeschütztem Stellwerk zu stehen. Auf der gegenüberliegenden Seite sollen unter den Rampen verschiedene Nutzungen Platz finden.Das Bauwerk ist als materialtechnische, formale Einheit konzipiert und wird mit vorfabrizierten Elementen gebaut. Seine Konstruktion ist «monolithisch»: Sie nimmt die Längenänderungen aus Temperaturschwankungen durch elastische Verformungen auf. Sie atmet gewissermassen. Möglich macht dies die rohrartige Konstruktion aus «ultra-hochfestem faserverstärktem» Beton.
Der Baubeginn ist für 2015 geplant. Weil das Projekt mit Gesamtkosten von rund 30 Millionen Franken dem obligatorischen Referendum unterliegt, entscheiden die Stadtzürcher Stimmberechtigten über das Vorhaben. Ob sie den Steg absegnen, scheint derzeit nicht sicher. Schliesslich sorgten die Kosten bereits für teils heftige Kritik: Gian von Planta von der Grünliberalen Fraktion bezeichnete sie als «unvorstellbar hoch». Die SVP monierte in einer Medienmitteilung, dass das Projekt «fernab jeglicher finanzieller Realität» sei. Bei der Stadt sieht man es anders. Wie Stefan Hackh, Kommunikationsleiter des Tiefbauamts, gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärte, resultieren die 30 Millionen vor allem aus dem Umstand, dass bei regulärem Bahnbetrieb gebaut werden muss.
Die Passerelle ist übrigens dem Südtiroler Bahnpionier Alois Negrelli gewidmet. Er hat unter anderem an der Spanischbrötlibahn, der ersten Bahn der Schweiz, mitgearbeitet und sich unter anderem beim Bau des Suez-Kanals verdient gemacht. Mehr über ihn in untenstehendem Kasten. (mai)
Alois Negrelli
Der Ingenieur Alois Negrelli wurde 1799 in Fiera die Priemiero, damals Tirol, geboren. Er hat sich einen Namen als Erbauer von Strassen, Brücken und Eisenbahnlinien gemacht. Er starb 1858 in Wien.
Negrelli und die Schweiz
In der Schweiz ist der österreichische Ingenieur als Projektleiter der ersten Eisenbahn von Zürich nach Baden, der Spanischbrötlibahn bekannt. Auch als Erbauer der Münsterbrücke in Zürich (1836-1838) hat er sich einen Namen gemacht. Er wirkte mit bei der Planung der Alpenrhein-Regulierung, der späteren Rheinregulierung zwischen Österreich und der Schweiz. Zudem regte er schon um 1840 den Bau eines schweizerischen Eisenbahnnetzes an. Nach einem Studium der ersten Eisenbahnen in England, Belgien und Frankreich kam er zum vielbeachteten Schluss, dass sich dampfbetriebene Eisenbahnen auch in Gebirgsländern realisieren liessen.
Negrelli und Europa
Für Österreich, Ostdeutschland, Osteuropa und Norditalien ist er der grosse Bahnpionier der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es kaum ein Eisenbahnprojekt in Österrreich und den angrenzenden Ländern, an dem er nicht mitgewirkt hatte. Beispiele sind wichtige Strecken wie von Wien nach Olmütz und weiter nach Prag. Die von ihm gebaute, immer noch erhaltene erste Eisenbahnbrücke über die Moldau, bei Prag, war mit 1110 Metern bis 1910 die längste Eisenbahnbrücke Europas. Auch in Norditalien beteiligte er sich massgeblich an den Eisenbahnstrecken von Mailand bis Mestre und Mailand bis Como.
Negrelli und der Suezkanal
Bis zu seinem Tod, 1858, beschäftigte er sich mit dem Suezkanals;und zwar war als Mitglied der Internationalen Kommission über die Durchstechung der Landenge von Suez.Daneben erforschte er die für die Kanalmündung in Betracht kommenden Mittelmeer-Küsten. Die für die Projektierung des Kanals wichtigen Teilprojekte Negrellis wurden in die Gesamtplanung aufgenommen. Dabei ging es um die Verlagerung des Kanaleingangs nach Westen, Verzicht auf Schleusen, Verlegung des Hafens vom Timsahsee an die Kanalmündung. (mai)