Leichteste Betonbrücke der Welt steht in Winterthur
Seit sechs Jahren entwickelt ein Forschungsteam in Winterthur ZH Betonplatten, die nicht mit Stahl, sondern mit vorgespanntem Carbon bewehrt sind. Die erste Brücke mit den sogenannten CPC-Betonplatten überquert nun die Eulach in Winterthur ZH und ist damit die leichteste Betonbrücke der Welt.
Vor rund einem Jahr wurde die Sanierung der Eulachbrücke in Winterthur beim Campus T der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) nötig. Die Stahlhauptträger konnten die erforderliche Tragsicherheit nicht mehr aufweisen. «Zwischen den aufliegenden Betonbohlen des Brückendecks lief Regenwasser hinunter und führte über die Jahre zu grossen Korrosionsschäden», wie ZHAW-Professor Josef Kurath erklärt. Anfang 2016 wurde die Brücke daher gesperrt. Das Hochbauamt des Kantons Zürich war offen für innovative Lösungsvorschläge, sodass für die neue Brücke prototypisch eine Konstruktion aus Carbon-Betonplatten eingesetzt werden konnte.
Seit vielen Jahren wird das Ersetzen der Stahlbewehrung im Beton durch Carbon erforscht. Die Entwicklungen mit schlaff eingelegten Fasern, Filamenten, Netzen oder Stäben aus Carbon stossen unter dem Namen Carbonbeton bereits auf reges Interesse. Vor rund sechs Jahren startete daher die Fachgruppe Faserverbundkunststoffe der ZHAW gemeinsam mit der Silidur AG ein KTI-Projekt (Kommission für Technologie und Innovation) und entwickelte eine sehr leistungsfähige, dünne Betonplatte, die ausschliesslich mit vorgespanntem Carbon bewehrt ist. «Wir wurden damals von Josef Kurath angefragt, ob wir bei einem Forschungsprojekt mitmachen wollen. Zwar waren wir anfangs noch ein wenig skeptisch, aber nach einem Jahr zeigte sich, dass das Projekt sehr interessant wird», erzählt Philipp Steiner, Geschäftsleiter der Silidur AG in Andelfingen.
CPC zum Schutz vor Witterung
Für die Sanierung der Fussgänger- und Fahrradbrücke über der Eulach wurde eine Modulbrücke der Silidur AG eingesetzt. Alle Teile und Elemente wurden im Werk in Andelfingen im CNC-Bearbeitungszentrum aus vorproduzierten, grossformatigen Tafeln ausgeschnitten. Danach wurden die Elemente zusammengesetzt, verklebt und verschraubt. «Theoretisch stülpten wir die Brücke einfach wie einen Tisch über die alte Konstruktion», führt Kurath aus. «Die Stahlträger werden jetzt durch die neue Brücke nicht mehr bewittert und erreichen dadurch die vorgesehene Nutzungsdauer.» Dies aus einem einfachen Grund: CPC-Betonplatten kommen ohne Stahlarmierung aus, sodass keine Korrosionsgefahr besteht und damit der Rest der Brücke geschützt wird.
Bruch- und Biegungstest des Werkstoffes mit menschlichem Gewicht. (Quelle: ZHAW)
Rekord mit Gewicht gebrochen
Mit ihrem jetzigen Gesamtgewicht von 3200 Kilogramm exklusive Geländer bricht der neue Übergang in Winterthur sogar einen Rekord: Die Eulachbrücke ist die leichteste Betonbrücke der Welt. «Mit zirka 190 Kilogramm auf einem Quadratmeter nutzbare Fläche ist die Konstruktion extrem leicht. Das entspricht etwa dem Gewicht einer leichten Stahlbrücke», weiss Kurath. Eine vergleichbare konventionelle Betonbrücke wäre etwa viermal schwerer. So konnten für die Sanierung auch Kosten und Zeit eingespart werden, da die Last auf die bestehenden Auflager auf rund 70 Prozent reduziert wurde.
Neben der Planung der Eulachbrücke wurde zudem ein Grossversuch konzipiert, in dem zum einen das Zusammenwirken der einzelnen Elemente getestet und zum anderen ein Experiment zur maximalen Belastung der Brücke durchgeführt wurde. Mit einem hydraulischen Druckzylinder testete die Fachgruppe Faserverbundkunststoffe die maximale Tragkraft des Balkens. Bei einer Bruchfestigkeit von 88,55 Kilonewton respektive 8855 Kilogramm Krafteinwirkung wurden die Erwartungen sogar um rund 10 Prozent übertroffen. Die Bruchfestigkeit und Biegung lässt sich zudem auch in einem kleineren Rahmen testen wie ein kurzes Video der ZHAW zeigt: Nämlich mit dem Gewicht eines erwachsenen Mannes. (Pascale Boschung)
Den ausführlichen Bericht lesen Sie im Baublatt 20 vom 19. Mai 2017.
CPC-Betonplatten
CPC-Betonplatten sind mit dünnen vorgespannten Carbonlitzen bewehrt und kommen ohne Stahlarmierung aus. So können sehr tragfähige, dünne Betonplatten hergestellt werden. Sie erreichen zudem die gleiche Tragfähigkeit wie konventionelle Platten, sind jedoch bis zu 80 Prozent dünner. Nur die Kosten bleiben gleich: So kostete die Eulachbrücke rund 30 000 Franken (ohne Geländer), was im Vergleich zu einer Stahlbrücke etwa auf das gleiche hinauskäme.
Einziger Hersteller der CPC-Betonplatten ist die Silidur AG in Andelfingen. Der Werkstoff kann im Format 2,38 x 10 Meter und in den Dicken 24 und 40 Millimeter fabriziert werden. Spezialanfertigungen in anderen Plattendicken sind ebenfalls möglich.
Die Fachgruppe Faserverbundkunststoff wird auch nach der Entwicklungsphase die Produktion der CPC-Betonplatten begleiten und weitere Material- und Bauteilprüfungen durchführen. Unter anderem werden laufend weitere Tests zur Biegung, Querkraft, hohen physikalischen Dauerbelastungen und Ermüdung durchgeführt. (pb)