La Grande Motte: Ideale Stadt oder hässlicher Touristenort?
Wo einst Weinberge wuchsen und Stiere auf sumpfigem Grund weideten, liegt heute der Touristenort La Grande Motte, mit zahllosen Ferienwohnungen, Campingplätzen und einem Yachthafen. Der Ort an der südfranzösischen Küste mag für die einen der Archetyp eines hässlichen Touristenortes sein, für andere ist er eine Architekturikone.
Quelle: Jjoulie - mairie grande motte, CC BY-SA 3.0, Wikimedia
La Grande Motte: Weisser Architektentraum am Meer?
In den 60er-Jahren von Jean Balladur (1924 – 2002) entworfen und ab 1967 auf teils künstlich aufgeschüttetem Grund erbaut, sieht La Grande Motte wie eine Wirklichkeit gewordene Science-Fiction-Vision aus. Die terrassenförmig angelegten, oft geschwungenen, leuchtend weissen Bauten wirken unter dem wolkenlosen Himmel – zumindest vom Meer aus gesehen – wie die Fata Morgana einer fremden Stadt. Die Inspiration dazu hatte Balladur denn auch in einer eher fremden Kultur gefunden: in den Pyramiden der Azteken. Umgeben werden die Bauten von üppigen Grünräumen.
In La Grande Motte sind ganzjährig rund 8600 Personen zu Hause. Doch während der Sommerferien wächst der Ort bevölkerungsmässig um nicht ganz das Zehnfache. 80 000 Menschen tummeln sich in der seit 1974 selbstständigen Gemeinde. Balladur hatte mit dem Ort sein persönliches Ideal einer Stadt verwirklicht: Jedes Detail war vom ihm festgelegt worden, sei es die Grössenordnung der Gebäude, die Breite der Strassen oder die Höhe der Trottoirs. Auch das Design der Bänke und Strassenlampen hatte er bestimmt.
Dass er seinen Traum realisieren konnte, verdankt Balladur Pierre Racine. Der Politiker war für die von Charles de Gaulle initiierte «Mission Racine» verantwortlich gewesen: Mit ihr wurde die in den 50er-Jahren noch unberührte Küste zwischen Montpellier und Perpignan zum Ferienparadies umgebaut oder vielmehr mit Ferienresorts zugebaut.La Grande Motte ist eines davon. Allerdings hat sich die Wahrnehmung des Ortes in der Öffentlichkeit in den letzten 50 Jahren gewandelt: 2011 erhielt La Grande Motte die Auszeichnung «Kulturererbe des 20. Jahrhunderts» – wegen der aussergewöhnlichen Architektur. (mai)