Konjunktur: Schweizer Wirtschaft dürfte sich rasch erholen
Gute Aussichten für die Schweizer Wirtschaft: Die Stimmung hellt sich weiter auf. Doch auch wenn sich die Anzeichen mehren, dass der letzte Coronataucher rasch aufgeholt wird, werden nur zögerlich neue Mitarbeiter angestellt.
Nachdem die Schweizer Wirtschaft im ersten Quartal 2021 unter der Pandemie nochmals markant gelitten haben dürfte, gehen Ökonomen davon aus, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) wegen der neuerlichen Lockdown-Massnahmen in dieser Periode geschrumpft ist. Die grosse Hoffnung war, dass sich dies im Verlauf des zweiten Quartals und in der zweiten Jahreshälfte ändern wird. Und dass somit im Gesamtjahr ein sattes Wachstum resultieren wird, welches den Rückgang des BIP im 2020 infolge der Seuche mehr oder weniger ausgleicht.
Diese Hoffnungen sind nun wahrscheinlicher geworden: So deuten gleich zwei Frühindikatoren für die Schweizer Wirtschaft auf eine schnelle Erholung hin. Einerseits hat sich das Ende letzter Woche veröffentlichte KOF-Konjunkturbarometer im April weiter belebt und ist auf einen historischen Höchststand geklettert (mehr dazu im Artikel Historischer Höchststand beim Konjunkturbarometer) und übertraf die Werte, die in der Erholungsphase von der Finanzkrise erreicht worden sind. Andererseits zeichnet der Einkaufsmanager-Indizes (PMI) heute Montag nun ein ähnliches Bild. Damit weist auch dieser Stimmungsindikator auf eine rasche Erholung hin.
Industrie treibt Konjunktur an
Als eigentliche Konjunkturlokomotive entpuppt sich bei beiden Frühindikatoren die Industrie: Im April ist der Industrie-PMI prompt saisonbereinigt zum Vormonat um 3,2 auf 69,5 Punkte gestiegen und befindet sich damit auf dem höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1995. Derweil legte der Dienstleistungs-PMI zwar ebenfalls zu (um 2,1 auf 57,6 Zähler), ist aber vom Niveau des Industrie-PMI noch weit entfernt.
Die Indizes messen, wie optimistisch die Einkaufsmanager auf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung blicken: Werte von über 50 Punkten lassen auf Wachstum hin schliessen. Auf dem Höhepunkt der Coronakrise im letzten Frühling war der Industrie-Index auf 41,2 Punkte abgetaucht, jener für den Dienstleistungsbereich auf gegen 20 Punkte.
Generell sei die Dynamik im Dienstleistungssektor nach wie vor geringer als in der Industrie, schreibt die Credit Suisse, die den Index zusammen mit dem Branchenverband Procure.ch. berechnet, heute Montag in ihrer Mitteilung. Das habe damit zu tun, dass dieser Wirtschaftszweig stärker vom Binnenkonsum abhänge - und dieser nach wie vor von der Pandemie und den Lockdown-Massnahmen gebremst werde. Tendenziell gilt dies auch für die Industrie-KMU: Im Vormonat hatte der jeweils von der Raiffeisen erstellte Industrie-PMI erstmals nach acht Monaten wieder die Marke von 50 Punkten überschritten: Er kam bei 58,4 Punkten zu liegen - und damit nach wie vor klar unterhalb des Industrie-PMI der grossen Firmen.
Zurückhaltung bei Personalsuche
Der Aufschwung in der Industrie sei zwar breit abgestützt, heisst es in der Mitteilung der CS weiter. Laut den CS-Ökonomen sollte der Rekordstand aber „angesichts des starken Einbruchs während der Corona-Pandemie“ nicht überinterpretiert werden. Dazu passe, dass sich die Unternehmen bei der Anstellung von zusätzlichem Personal zurückhielten. Dies könnte laut den Experten damit zusammenhängen, dass es "eine gewisse Skepsis" gebe zur Dauer des Booms.
Auch die Dienstleistungsunternehmen seien zögerlich, neues Personal einzustellen, ist weiter zu lesen. Immerhin sei im April aber erstmals seit 14 Monaten der Personalabbau gestoppt worden. Ins Bild passt eine neuerliche Publikation der KOF (siehe Box). Demnach hat sich Beschäftigungsdynamik zwar verbessert, sie liege aber noch immer im negativen Bereich. Getrübt wird das Bild etwa durch das Gastgewerbe, wo von einer Erholung nach wie vor kaum etwas zu spüren sei. (sda/awp/mai)
Arbeitsmarkt: KOF sieht Aufhellungen
Auch auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich ein Silberstreifen am Horizont ab. So lag der von der Konjunkturforschungstelle der ETH (KOF) berechnete Beschäftigungsindikator gemäss der April-Umfrage nur noch bei -1,8 Punkten, nachdem er im Januar noch -6,3 Punkte betragen hatte.
Ein Minus signalisiert eine negative Beschäftigungsdynamik
am Arbeitsmarkt. Zum Vergleich: Vor einem Jahr war der Wert im Zuge des ersten
Corona-Lockdowns auf -20,5 Punkte eingebrochen. Somit habe der KOF-Indikator
einen Grossteil des coronabedingten Einbruchs wettgemacht, schreibt die KOF am
Montag in ihrer Medienmitteilung. Auch seien zum ersten Mal seit Beginn der
Coronakrise mehr Firmen gezählt worden, welche die Zahl an Mitarbeitenden in
den nächsten drei Monaten erhöhen wollen, als solche, die sie reduzieren
möchten.
Starke Erholung bei der Industrie
In den meisten Branchen sind die Beschäftigungsindikatoren laut KOF zuletzt deutlich angestiegen. Stark erholt hat sich die Lage im Verarbeitenden Gewerbe. Zwar liege der Indikator dort noch leicht im Minusbereich, doch hätten eine Vielzahl von Firmen angegeben, dass sie die Belegschaft in den nächsten drei Monaten ausbauen möchten.
Robust präsentiert sich der Dienstleistungssektor: In der Versicherungsbranche etwa möchte die Mehrheit der Unternehmen den Personalbestand erhöhen.
Robuste Situation im Baugewerbe
Und auch bei den übrigen Dienstleistungsfirmen, im Baugewerbe sowie im Grosshandel lägen die Beschäftigungsindikatoren im positiven Bereich. Getrübt wird das Bild allerdings vom Gastgewerbe. Dort liegt der Beschäftigungsindikator im April mit -34,5 Punkten nach wie vor auf einem sehr tiefen Niveau. Er habe sich seit dem ersten Quartal sogar verschlechtert, so die KOF. Immerhin gebe es einige wenige Gastrobetriebe, die mit einer Verbesserung der Beschäftigungslage rechneten.
Der Beschäftigungsindikator wird aus den vierteljährlichen Konjunkturumfragen der KOF berechnet. Die Auswertungen für dieses Quartal basieren auf den Antworten von mehr als 4500 Unternehmen, die im April zu ihren Beschäftigungsplänen und -erwartungen befragt wurden. (sda/awp/mai)