Kommunal Global: Besser Wohnen in der „Platte“
In Rostock, Schwerin und Greifswald verteilt sich die Armut sich besonders ungleich: Grosswohnsiedlungen - einst sozial durchmischte Wohnviertel - sind zu Quartieren mit hohen Armutsquoten und einem grossen Anteil von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund geworden. Stadtumbauprogramme könnten die Situation für die Bewohnerinnen und Bewohner verbessern. Dies zeigt eine aktuelle Untersuchung.
In ostdeutschen Städten verteilen sich soziale Gruppen besonders
ungleich über die einzelnen Stadtteile. Geprägt wird dieser Umstand vor
allem von den grossen Unterschiede zwischen den Grosswohnsiedlungen
und den übrigen Wohngebieten. So ist in Grosswohnsiedlungen die
Armutsquote deutlich höher und der Anteil von Personen mit akademischen
Abschluss oder Haushalten mit höherem Einkommen klar geringer als im
Rest der Stadt. Überdies ist sind in den letzten Jahren vermehrt
Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund zugezogen. Das betrifft
im besonderen die Städte Roststock, Schwerin und Greifswald, wie eine
Auswertung amtlicher Daten zeigt. Hier ballt sich die Armut in den
Grosswohnsiedlungen.
Grosse Unterschiede zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung in der Grosswohnsiedlung
Ist Wohnen in solchen Siedlungen oder vielmehr in der „Platte“ wirklich unbeliebt? Gibt es zwischen der gemäss den Daten prekären sozialen Situation dieser Stadtteile und der Wohnzufriedenheit, der Wertschätzung für das eigene Viertel und dem nachbarschaftlichen Zusammenleben Zusammenhänge? Diesen Fragen sind Marcel Helbig und Sebastian Steinmetz vom Leibnitz Institut für Bildungsverläufe (LIFBi) mit einer Umfrage, an der sich über 8200 Personen beteiligten, auf den Grund gegangen; in Zusammenarbeit mit den Stadtverwaltungen von Greifswald, Rostock und Schwerin im Rahmen des Projekts „Wissenschaftliche Begleitung der Wohnungsbaupolitik in Mecklenburg-Vorpommern“.
Überraschend ist laut dem Institut, dass zwar die Zufriedenheit mit der eigenen Wohnqualität oft nur gering von den gesamtstädtischen Werten abweicht, aber die Frage „Würden Sie einer befreundeten Person Ihr Viertel zum Wohnen empfehlen?“ überdurchschnittlich oft verneint worden ist. Eigen- und Fremdwahrnehmung der Stadtteile sind damit nicht deckungsgleich. Des Weiteren kristallisierte sich bei der Umfrage heraus, dass in den Grosswohnsiedlungen Probleme wie Vandalismus, Verschmutzung, Kriminalität und Lärm stärker wahrgenommen werden als in anderen Stadtteilen. Auch das nachbarschaftliche Zusammenleben werde in den meisten Grosswohnsiedlungen schlechter bewertet als in anderen Quartieren, aber auch dort, wo viele jüngere Bewohnerinnen und Bewohner lebten, heisst es dazu in einer Medienmitteilung des LIFBi. Insgesamt zeige sich, dass die Grosswohnsiedlungen in den verschiedenen Städten sehr unterschiedlich wahrgenommen würden.
Städtebauliche Programme und eine bessere Durchmischung helfen
Des Weiteren sind Helbig und Steinmetz der Frage nachgegangen, ob die bauliche Struktur der Plattenbauten eine grössere Unzufriedenheit mit der Wohnsituation zur Folge hat oder ob es an anderen Faktoren liegt. In ihren Analysen kommen sie zum Schluss, dass die ungünstige soziale Zusammensetzung solcher Siedlungen für Unzufriedenheit sorgt.
Eine
deutlich bessere Beurteilung und eine positive Entwicklung des eigenen
Viertels machten die beiden Wissenschaftler dort aus, wo Kommunen aktiv
städtebauliche Programme durchgeführt haben und die soziale
Zusammensetzung der Siedlungen infolgedessen gemischter ist. Beispiele
dafür sind etwa das Ostseeviertel in Greifswald, Lankow in Schwerin und
Lichtenhagen in Rostock: Hier sind neben den Plattenbauten neue Ein- und
Zweifamilienhäuser entstanden, die Wohnungen sind weitgehend im
kommunalen Bestand. In Gebieten, in denen Wohnungen privatwirtschaftlich
vermarktet würden, hätten die Kommunen dagegen nur sehr geringen
Einfluss auf die städtebauliche Entwicklung, schreibt das LIFBi weiter.
Damit stünden Kommunen vor einem grossen Handlungsdruck. (mgt/mai)