Kolumne: das Problem der «abstrakten Garantie»
In
der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das,
was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Konrad Imbach, Zentralpräsident des Schweizerischen Plattenverbands (SPV) mit dem Problem der «abstrakten Garantie».
Quelle: zvg
Konrad Imbach ist Zentralpräsident des Schweizerischen Plattenverbands (ZPV).
Auftraggeber, vor allem
Generalunternehmer und die öffentliche Hand, decken, insbesondere bei grösseren
Auftragsvolumen, immer häufiger Risiken ab, die über die Sicherheitsleistungen
hinausgeht, welche in der SIA 118 vorgesehenen sind. Diese Sicherheit besteht
in Form einer abstrakten Leistungsgarantie gemäss Art. 111 OR einer Bank- oder
Versicherungsgesellschaft mit Sitz in der Schweiz. So heisst es in einem
Werkvertrag: «Der Unternehmer hat eine abstrakte Garantie (auf erstes
Verlangen) einer Schweizer Bank oder Versicherungsgesellschaft über 10 Prozent
des Abrechnungsbetrages und über eine Dauer von 5 Jahren ab Garantiebeginn
nachzuweisen» In einer Gewährleistungsgarantie der Bank oder Versicherung für
den Auftraggeber steht: «Wir verpflichten uns, auf Ihre erste Anforderung,
ungeachtet der Gültigkeit und der Rechtswirkungen des erwähnten Vertrages und
unter Verzicht auf sämtliche Einwendungen und Einreden, an Sie die Zahlung
eines jeden Betrages bis zur oben genannten Höhe binnen fünf Werktagen zu leisten.»
Juristendeutsch, kurz erklärt
Die abstrakte Garantie – auch auf 1. Verlangen oder 1.
Anforderung bezeichnete Garantie – heisst, dass dem Garantieempfänger auf sein
erstes Verlangen hin ein bestimmter Betrag zu bezahlen ist. Es besteht keine
Einredemöglichkeit, die abstrakte Garantie funktioniert nach dem Grundsatz
«Erst zahlen, dann streiten». Ein Auftraggeber kann Ersatzleistungen fordern,
ohne Beweise für einen Schaden zu liefern oder zuerst einen Gerichtsprozess
dafür anstrengen zu müssen. Er hat daher eine sehr starke Stellung inne.
Wie weiter?
Für die Unternehmer kann die abstrakte Garantie zu hohen
Prämien und Liquiditätsengpässen führen. Leider sind sie der Situation
grösstenteils ausgeliefert. Sie müssen mit ihrer Bank oder Versicherung
verhandeln, dass ihnen die Garantie gewährt wird. Die Prämien sind nicht
unerheblich. Wird ihnen keine Garantie gewährt, müssen sie aus eigener Kraft
für die Forderungen aufkommen. Ein Auftraggeber kann zum Beispiel bei
Teilzahlungen bis zu 40 Prozent zurückhalten – und das während 5 Jahren! Leider
müssen wir feststellen, dass diese Praxis zunehmend Bewerber ausschliesst, was
zu einer nicht akzeptablen Wettbewerbsverzerrung führt.
Der SPV hat bei Bauenschweiz, dem Dachverband der Schweizer Bauwirtschaft, dieses Thema eingebracht. Aktuell wird auf verschiedenen Ebenen evaluiert, wie das Problem am besten angegangen werden kann. Solche übersteigerten Sicherheitsbedürfnisse müssen sich am Ende in den Preisen abbilden und führen bei Aufträgen der öffentlichen Hand zu zusätzlichem Verbrauch respektive zum Verschleudern von Steuergeldern.