Keine Alternative zu zweiter Gotthardröhre?
Bevor der Gotthard-Strassentunnel saniert werden kann, muss eine zweite Röhre her - dies fordern Tessiner Politiker und Wirtschaftsvertreter. Die Strategie des Bundes mit einer teilweisen oder vollständigen Sperrung hat ihrer Meinung nach „schwerwiegende Konsequenzen“.
Die Tessiner Regierung sei zum Schluss gelangt, dass der Bau einer zweiten Röhre unausweichlich sei, erklärte Regierungsrat Marco Borradori (Lega) im Namen des "Komitees für den Ausbau des Gotthardtunnels" heute Montag vor den Medien in Bern. Die Forderung unterlegten die Befürworter einer zweiten Röhre mit einer Studie, die das Komitee beim Basler Institut für Wirtschaftsstudien, in Auftrag gegeben hatte. So kritisierte Mitautor der Studie Silvio Borner einen entsprechenden Bericht des Bundesrats vom Dezember 2010: Dieser wiege nur die direkten Kosten der Varianten ab und vernachlässige die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. – Damals hatte der Bundesrat den zwingenden Sanierungsbedarf des Gotthardtunnels bis 2025 aufgezeigt und entsprechende Varianten verglichen. Als „beste Variante“ galt für ihn eine Totalsperrung während 900 Tagen. Es sei unzulässig, die Kosten der Totalsperrung (1,2 bis 1,4 Mrd. Franken) mit den Kosten einer zweiten Röhre (2,8 Mrd. Franken) zu vergleichen, hielt Borner fest. So fielen bei einer Sperrung im Güterverkehr wie im Personenverkehr Mehrkosten durch die Umwege an. Eine zweite Röhre hingegen würde darüber hinaus die Verkehrssicherheit erhöhen.
Alpeninitiatve wartet auf Resultate einer Seco-Studie
Die Forderung nach einer zweiten Röhre steht gemäss den Befürwortern nicht im Konflikt mit der Verfassung. Die mit der Alpeninitiative festgelegte Beschränkung des Transitverkehrs werde eingehalten, weil nach der Sanierung beide Tunnels einspurig befahren werden sollen und somit kein zusätzlicher Fahrstreifen entstehe. Dennoch sieht Borner in einer zweiten Röhre eine „Kapazitätsreserve“ für die Zukunft. Schliesslich könne die Verfassung geändert werden.
Postwendend bemängelte Alpeninitiative in einer Mitteilung, die Forderungen nach einer zweiten Röhre „sabotiere“ die Verlagerungspolitik von der Strasse auf die Schiene. Das Argument, wonach das Tessin durch eine Sperrung isoliert würde, sei eine „künstliche Dramatisierung“, liess sich Alpeninitiative-Präsident Fabio Pedrina zitieren. Nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels verfügt die Bahn laut der Alpeninitiative über genügend Kapazitäten, um den Verkehr des Strassentunnels aufzunehmen. Um die wirtschaftlichen Nachteile einer Sperrung beziffern zu können, warte man auf die Resultate einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO).
„Wir können uns keinen einzigen Tag
der Isolierung leisten“
Anderer Ansicht sind die Komitee-Mitglieder. „Wir können uns keinen einzigen Tag der Isolierung leisten“, sagte Borradori vor den Medien. Das Projekt berge „vielfache Risiken“ für die nationale Wirtschaft und insbesondere für das Tessin, sagte der Tessiner Nationalrat Fabio Regazzi (CVP). Gegen eine Totalsperrung sprach sich auch der abtretende Ständerat Christoffel Brändli (GR/SVP). Er tue dies nicht als Noch-Präsident der Verkehrskommission, sondern aus persönlicher Optik. Es sei für ihn „undenkbar“, den Gotthardverkehr über die San Bernardino-Route zu lenken. Zu gering sei die Kapazität und zu eng die Kurven. (mai/sda)