08:50 BAUBRANCHE

Infra-Tagung: Die Weko und die Bauwirtschaft

Teaserbild-Quelle: Bild: André Albrecht/zvg

Die Wettbewerbskommission (Weko) verfolge Kartelle, die der Volkswirtschaft schaden: Weko-Präsident Andreas Heinemann verteidigte an der Infra-Tagung die Tätigkeit der Wettbewerbshüter. Auch Infra Suisse bekennt sich zu einem fairen Wettbewerb. Die Compliance-Kultur in der Branche soll weiter gestärkt werden.

Die Wettbewerbskommission (Weko) hat in den letzten Jahren in der Baubranche für einigen Aufruhr gesorgt. Im letzten Frühling deckte sie nach sechsjähriger Untersuchung das grösste Baukartell der Schweiz auf: Im Engadin war es zwischen 1997 und 2012 bei rund 400 Bauprojekten mit einem Auftragsvolumen von über 100 Millionen Franken zu systematischen Manipulationen gekommen. Der Skandal bescherte der gesamten Bauwirtschaft einen Imageschaden. Gleichzeitig wurden Zweifel laut, ob das Vorgehen und die Massnahmen der Wettbewerbshüter immer angemessen waren.

Jetzt wagte sich Weko-Präsident Andreas Heinemann an die Infra-Tagung in Luzern, das wichtigste Branchentreffen des Schweizer Infrastrukturbaus. "Einer der Erfolgsgaranten der Schweiz ist das Prinzip Wettbewerb", erklärte Heinemann. So wie die Demokratie politischen Wettbewerb braucht, setzt die Marktwirtschaft auf wirtschaftlichen Wettbewerb. Wenn Konkurrenten den Wettbewerb durch Kartellabsprachen beseitigen, ist die Lage für die Kunden gleich wie im Monopol. Die Anbieter verlangen überrissene Preise, müssen nicht auf Qualität achten, können sich mit schwachem Service begnügen und haben nur geringe Anreize für Innovationen. Kartelle schaden damit der Volkswirtschaft.

Mit Bussen bedroht

Herrscht dagegen wirksamer Wettbewerb, können die Kunden bei den Unternehmen mit der besten Kombination aus Preisen, Qualität und Service einkaufen. Die Konkurrenten bemühen sich darum, Abnehmer zu gewinnen, und verbessern deshalb ihr Angebot und ihre Konditionen. Dazu gehört auch die ständige Suche nach neuen Produkten und Verfahren. Der Gesetzgeber hat deshalb im Gesetz die Kartelle und bestimmte andere Wettbewerbsbeschränkungen mit direkten Sanktionen – das heisst: Bussen – bedroht.

Die Weko hat den Auftrag, das Kartell- wie auch das Binnenmarktgesetz anzuwenden. Bei näherem Hinsehen setzt sie sich aus zwei Behörden zusammen: der Wettbewerbskommission im engeren Sinn und dem Sekretariat. Die Kommission besteht aus elf bis 15 Mitgliedern – Juristen, Ökonomen, unabhängige Sachverständige und Interessenvertreter, die nebenberuflich im Milizsystem tätig sind. Das Sekretariat verfügt über rund 70 überwiegend vollamtliche Mitarbeiter und ist in vier Dienste unterteilt: Infrastruktur, Dienstleistungen, Produkte und Bau. Es leitet selbstständig die Untersuchungen und stellt danach Antrag bei der Kommission. Die Weko entscheidet auf der Grundlage dieses Antrags, der Stellungnahmen der Parteien und einer mündlichen Anhörung, wie Heinemann erklärte. Sie mache sich ein eigenes Bild der Tatsachen und der Rechtsfragen, und ihre Entscheidung könne vom Antrag des Sekretariats abweichen.

"Die Weko ist eine unabhängige Behörde, aber sie kann nicht machen, was sie will. Sie ist an Recht und Gesetz gebunden." Dazu gehören auch die zahlreichen Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren. Die Kommission untersteht zudem der Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht. Die Weko habe sich mit mehreren Baukartellen beschäftigt, doch sie befasse sich mit allen ökonomischen Sektoren, hielt Heinemann fest. Die Verfahren der letzten Jahre betrafen auch viele andere Branchen. Die bisher höchste Busse gegen ein Baukartell belief sich auf 7,5 Millionen Franken. Sie wurde in einem der Engadiner Fälle verhängt, wobei der Entscheid noch nicht rechtskräftig ist. Zum Vergleich: In den Libor-Fällen belegte die Weko Banken mit Sanktionen von insgesamt 99 Millionen Franken.

Abreden zwischen Wettbewerbern werden bisweilen mit dem Argument verteidigt, sie würden nicht für Preiserhöhungen eingesetzt, sondern seien erforderlich, um die ausgeschriebenen Aufträge gleichmässig zu verteilen und damit die jeweiligen Kapazitäten optimal auszulasten. Die Kartellbehörden haben andere Erfahrungen gemacht. So fielen zum Beispiel nach der Auflösung des Tessiner Strassenbelagkartells 2005 die Offertpreise um 30 Prozent. In internationalen Studien wurde ein durchschnittlicher Kartellaufschlag von 15 Prozent ermittelt. Der Kartellpreis orientiere sich häufig an den am wenigsten effizienten Teilnehmern, die auch noch einen Gewinn erwirtschaften wollen, so Heinemann.

Die Einführung der direkten Sanktionen 2004 hat gemäss dem Weko-Präsidenten einen Mentalitätswandel beschleunigt. An die Stelle der Kartellwirtschaft sei eine Kultur des Wettbewerbs getreten. Arbeitsgemeinschaften (Arge), wie es sie in der Bauwirtschaft häufig gibt, seien aber kartellrechtlich anerkannt. Sie dürfen allerdings nicht als Deckmantel für Kartellabsprachen missbraucht werden. Auch für Einkaufsgemeinschaften gebe es grossen kartellrechtlichen Spielraum. "Es ist auch nicht verboten, eine marktbeherrschende Stellung zu haben. Aber man darf diese Position nicht missbrauchen." Um innovativ zu sein, brauche der Infrastrukturbau auch einen fairen Wettbewerb, betonte Matthias Forster, Geschäftsführer von Infra Suisse. "Infra Suisse steht für liberale, marktwirtschaftliche Grundsätze. Der Vorstand hat beschlossen, die Compliance-Kultur in der Branche weiter zu stärken."

Solarkraftwerk Mont-Soleil: Die Energiestrategie 2050 macht Investitionen in die Energieversorgung nötig.

Quelle: Gesellschaft Mont-Soleil

Solarkraftwerk Mont-Soleil: Die Energiestrategie 2050 macht Investitionen in die Energieversorgung nötig.

Kaum Anreize für Investitionen

Einblicke in die strategischen Überlegungen der Energiebranche gab Roland Küpfer, Konzernleitungsmitglied bei der BKW Energie AG. Die Schweizer Energieversorger waren in den letzten Jahren gezwungen, grosse Infrastrukturprojekte auf Eis zu legen. Der Preiszerfall auf dem europäischen Strommarkt hatte die Investitionstätigkeiten der Energieunternehmen ausgebremst. Der Ausstieg aus der Atomenergie und die Umstellung auf erneuerbare Energien machen nun umfangreiche Investitionen in die Schweizer Energieversorgung notwendig. Zudem verlangt die Energiestrategie 2050 die Reduktion des Stromverbrauchs.

"Die aktuellen Strompreise geben aber kaum Anreize für Investitionen in den Ausbau der Kraftwerke und Netzinfrastruktur", stellte Küpfer fest. Damit die Schweiz auch künftig sicher mit Strom versorgt wird, müsse der Staat die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Trotz verschiedener Massnahmen werde der Stromverbrauch in naher Zukunft nicht sinken, sondern im Gegenteil signifikant steigen. Engpässe in der Stromversorgung dürften mittelfristig zum Thema werden. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Verteilung der Energie massiv zu. Fragen zur Netzstruktur, deren Kosten und intelligente Steue­rung harren einer Antwort. Um das Stromnetz an die künftigen Anforderungen anzupassen, brauche es einen Ausbau mit Kosten bis zu 15,3 Milliarden Franken, so Küpfer. Die Zeit dränge, da Planung und Bewilligung von Grossprojekten in der Energiebranche oft 25 bis 40 Jahre dauern." Das Jahr 2050 steht somit ­eigentlich bereits vor der Tür."

Cargo sous Terrain, Querschnitt der Strecke

Quelle: zvg

Zum System es Cargo sous terrain gehören Transporttunnel zwischen den Ballungsgebieten und Logistikzentren sowie eine effiziente Feinverteilung in Städten.

Für das neue unterirdische Transportsystem "Cargo sous terrain" (CST) warb Verwaltungsratspräsident Peter Sutterlüti. Mit CST könne die Schweiz bis 2045 ein vollautomatisches, digital gesteuertes Gesamtlogistiksystem erhalten, das die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Lebensqualität langfristig begünstigt. CST sei bodensparend, landschaftsschonend und nachhaltig, erklärte Sutterlüti. Das System liefert eine Antwort auf die zunehmenden Kapazitätsengpässe auf Strassen und Schienen und soll den Güterverkehr in den Städten um bis zu 30 Prozent reduzieren. "Dank der vollständigen Digitalisierung von der Quelle bis zur Senke operiert es äusserst flexibel, mit dynamischen Lieferungen in kleinen Einheiten und kann eine hohe Versorgungssicherheit und pünktliche Lieferungen von Paletten garantieren", so Sutterlüti.

Zum System gehören unterirdische Transporttunnel zwischen den städtischen Ballungsgebieten und Logistikzentren nördlich der Alpen, eine umweltschonende Feinverteilung in Städten und Industriegebieten, die sogenannte City-Logistik, sowie eine nahtlos integrierte IT-Lösung für einen vollautomatisierten Betrieb. Das System wird ausschliesslich mit erneuerbarer Energie betrieben. Das Netz reicht von Genf bis St. Gallen und von Basel bis Luzern, mit einem ergänzenden Ast von Bern nach Thun. Es wird über 80 Hubs zum Ein- und Ausladen von Waren für Industrie und Handel bedienen, wovon rund 10 Millionen Menschen profitieren können. CST wird gleichzeitig mit einer Million Quadratmetern Fläche unter dem Erdboden das grösste Lagerhaus der Schweiz sein. Laut dem Verwaltungsratspräsidenten wird es die Anzahl der schweren Lastwagen auf bestehenden Verkehrswegen, insbesondere den Strassenengpässen, um 40 Prozent senken.

Die erste Teilstrecke des Tunnelsystems soll den Logistikknotenpunkt Härkingen-Niederbipp mit Zürich verbinden und kann voraussichtlich 2030 in Betrieb genommen werden. Die Investitionskosten für die erste Etappe belaufen sich auf drei Milliarden Franken. Der schweizweite Ausbau des Netzes kommt auf 30 Milliarden Franken zu stehen. Das gesamte System soll privatwirtschaftlich finanziert werden. "Der Grund, ­warum 'Cargo sous terrain' in der Schweiz entstanden ist, liegt in der einmaligen Einbindung der Wirtschaft und der künftigen Nutzer sowie der Verbindung von Kapitalkraft und Innovations­fähigkeit", meinte Sutterlüti.

Damit CST im vorgesehenen Zeitraum realisiert werden kann, muss eine eigenständige gesetzliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen werden. Dabei ist eine Abstimmung zwischen Bundesrecht und kantonalen Richtplänen notwendig. Das Gesetz wird auch die Anforderung eines diskriminierungsfreien Zugangs enthalten. Sutterlüti rechnet mit einem Parlamentsbeschluss im kommenden Jahr.

2021 sollen die Hauptarbeiten für den Bau des zweiten Strassentunnels am Gotthard starten. Der Bund konnte das Projekt in nur wenigen Jahren voranbringen.

Quelle: Bild: André Albrecht/zvg

2021 sollen die Hauptarbeiten für den Bau des zweiten Strassentunnels am Gotthard starten. Der Bund konnte das Projekt in nur wenigen Jahren voranbringen.

Volks-Ja erleichtert Tunnelbau

Erstaunlich zügig voran kommt das Megavorhaben für den zweiten Strassentunnel am Gotthard. "Obwohl es sich um ein äusserst komplexes und auch symbolträchtiges Grossprojekt handelt, konnten wir die Vorbereitungen in nur wenigen Jahren entscheidend voranbringen", erklärte Guido Biaggio, Vizedirektor im Bundesamt für Strassen (Astra). Dafür sei auch der Volksentscheid im Jahr 2016 verantwortlich. "Volksabstimmungen können ein Projekt zeitlich beschleunigen." Denn diese verlangten emotionslose und zielgerichtete Beiträge aller Projektbeteiligten.

Auch eine frühzeitige Mitwirkung aller Beteiligten kann gemäss Biaggio eine Projektentwicklung verkürzen. Von Beginn an habe das Astra das Gespräch mit Gemeinden, Kantonen, Bundesämtern, Anwohnern und Umweltorganisationen gesucht. Das Ziel sei nicht die hoheitliche Entwicklung ­eines Bundesprojekts gewesen, sondern die Erarbeitung eines gemeinsamen, allseits getra­genen Projekts mit optimierten Lösungen. Diese intensive Zusammenarbeit habe es ermöglicht, innovative Ideen in das Projekt aufzunehmen und kompromissfähige Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig habe man auch die Grenzen von ­untersuchten Ideen erläutern und damit Verständnis für Projektbestandteile schaffen können, die sonst wohl stark kritisiert worden wären. So seien bei der öffentlichen Auflage des Tunnelprojekts nur 14 Einsprachen eingereicht worden, was für ein Projekt dieser Grössenordnung ein hervorragendes Resultat sei.

Die ersten Vorarbeiten am Gotthard werden voraussichtlich im Laufe des Jahrs 2020 ausgeführt, und die Hauptarbeiten sollen rund ein Jahr später starten. Neben den grossen Tunnel-Hauptlosen stellt das Astra auch verschiedene Vorbereitungs- und Nebenlose in Aussicht. Diese sollen kleineren Betrieben und lokalen Firmen Chancen auf einen Auftrag bieten. Dazu wird das Astra den Submissionsunterlagen ein Dossier mit Dienstleistungsangeboten aus der Region beilegen, um die effiziente Ausarbeitung eines Angebots zu unterstützen.

Parallele Planung mit BIM

Mindestens an einer Tunnelzentrale und einem rund einen Kilometer langen Abschnitt der Röhre sollen ergänzend zur klassischen Planung auch Erfahrungen mit einer parallelen Planung mit Building Information Modeling (BIM) gesammelt werden. "Die Erkenntnisse aus diesen Arbeiten werden die Anwendung von BIM in unseren weiteren Infrastrukturprojekten massgebend beeinflussen", erklärte der Astra-Vizedirektor. Die Projektpipeline des Astra ist auch in Zukunft gut gefüllt. Die Projekte, die in den heute bekannten Realisierungshorizonten geplant sind, sehen Investitionen von gut 30 Milliarden Franken vor. "Das Astra muss deshalb in den kommenden Jahrzehnten gewaltige Herausforderungen bewältigen", sagte Biaggio. (stg)

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