Indirekter Gegenvorschlagzur Landschaftsinitiative
Die vom Bundesrat geplante Totalrevision des Raumplanungsgesetzes ist vorerst gescheitert. Nun soll rasch eine kleine Teilrevision erarbeitet werden, die als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative taugt.
Selten wurde eine bundesrätliche Vorlage derart von allen Seiten zerzaust, wie diejenige zur Totalrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG). In der Vernehmlassung, die am April endete, hagelte es Kritik zu praktisch allen Kernpunkten und von praktisch allen angefragten Institutionen. Einzig aus Fachkreisen der Planungsbranche gab es eine gewisse Zustimmung, welcher sich aber wiederum unabhängige Instanzen wie die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung (VLP) nicht anschliessen konnten.
Kantone setzen Beteiligung durch
Zwar ist die Landesplanung von Natur aus kontrovers, da sie direkte Interessenkonflikte hervorruft, etwa zwischen Land- und Immobilienwirtschaft oder zwischen Landschaftsschützern und Bauwilligen. Aber letztlich waren weniger Auseinandersetzungen in der Sache für das Scheitern einer RPG-Totalrevision verantwortlich, als vielmehr politische Empfindlichkeiten. Die Kantone fühlten sich übergangen, nachdem der Bundesrat, beziehungsweise das federführende Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), sie nicht in gebührender Weise in die Entwicklung der Vorlage miteinbezogen hatte.
Tatsächlich hatte das ARE mit den Arbeiten an dem neuen Raumentwicklungsgesetz (REG) ganz ohne politische Vorabkonsultationen begonnen, sozusagen im stillen Kämmerlein. Dabei kam es auch zu peinlichen Pannen, etwa als einige Kantonsregierungen vorzeitig in den Besitz von Informationsmaterialien gelangten, während andere weiterhin auf offizielle amtliche Verlautbarungen warten mussten, um sich überhaupt mit der Materie auseinandersetzen zu können. Dies alles in einer Angelegenheit, der Raumplanung, die klar wie kaum eine andere den Kantonen obliegt. Daran scheiterte die Vorlage letztlich. Die Kantone waren ohne Mitsprache von Anfang an nicht bereit, diese mitzutragen.
Initiative erzeugt Druck
Inzwischen treibt die politische Agenda zur Eile an. Die RPG-Revision war ja nicht Selbstzweck, sondern auch als Reaktion auf die Volksinitiative «Raum für Mensch und Natur» gedacht, welche im August 2008 eingereicht wurde. Diese sogenannte Landschaftsinitiative sieht ein 20-jähriges «Einfrieren» der bestehenden Bauzonen auf ihre jetzige Grösse vor, um gegen übermässigen Bodenverbrauch und Zersiedelung anzukämpfen. Gemäss den Behandlungsfristen müssen National- und Ständerat diesem relativ radikalen Ansinnen bis Ende 2010 einen Gegenvorschlag entgegenhalten. Der REG-Entwurf des ARE enthielt dazu das Instrument sogenannter Reservebauzonen mit beschränktem Baurecht sowie eine Bebauungspflicht in erschlossenen Bauzonen, um der Baulandhortung entgegen zu treten.Nachdem aber in der Vernehmlassung gerade diese Massnahmen durchgefallen waren, sah sich das verantwortliche Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von Bundesrat Moritz Leuenberger vor einem Scherbenhaufen. Es zog rasch die Konsequenzen. Mit der etwas euphemistischen Begründung, die geplante totale RPG-Revision sei wohl zu «ehrgeizig» gewesen, kündigte Leuenberger im Juni an, in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen werde sich der Bund nunmehr auf einen indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative konzentrieren und dazu eine Teilrevision des RPG an die Hand nehmen. Der Bundesrat ging dabei auch auf parlamentarische Vorstösse ein, welche statt eines indirekten einen direkten Gegenvorschlag, also eine Verfassungsänderung, gefordert hatte; zweifellos zu Recht lehnte er dieses Vorgehen schon aus rein zeitlichen Gründen als untauglich ab.
Frage der Bauzonenfestlegung
Der Textentwurf für die kleine Revision ist nun offenbar bereits zügig an die Hand genommen worden. Erste Sitzungen fanden zwischen der kantonalen Bau- und Planungsdirektorenkonferenz (BPUK) und dem ARE bereits Anfang Juli statt, und es ist vorgesehen, dass die BPUK bereits Mitte September zu wichtigen politischen Vorentscheiden gelangen wird.
Beteiligt an den Arbeiten sind mehrere kantonale Baudirektoren sowie Fachleute aus den Kantonen und aus Organisationen, die mit Raumplanungsfragen befasst sind, darunter die VLP. Interessierte Kreise, namentlich die Dachverbände, zu denen unter anderen auch bauenschweiz, SIA und der Städte- und der Gemeindeverband gehören, werden von der BPUK laufend über die Fortschritte informiert.
Der Fokus der Revision wird auf jene Gesetzesbestimmungen gelegt werden, die eine Positionierung als indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative erlauben. Dazu gehören in erster Linie strengere Vorgaben für die weitere Ausscheidung von Bauzonen. Beispielsweise könnte ein regional statt wie bisher allein kommunal gegebener Bedarf zur Voraussetzung werden. Sicher wird auch die Frage von Auszonungen – natürlich unter Berücksichtigung allfälliger Kostenfolgen – zur Sprache kommen. Eventuell gilt das auch für eine subsidiäre Bundesregelung im Bereich der Mehrwertabschöpfung, nachdem eine Mehrheit der Kantone die Umsetzung dieses eigentlichen Obligatoriums im bestehenden RPG nie ernsthaft an die Hand genommen hat.
Weitere Themen werden die Planung in funktionalen Räumen (unter anderem durch die Aufnahme der Agglomerationsprogramme als Teil der Raumplanung in das Gesetz) und die Stärkung der kantonalen Richtplanung sein. Von vornherein von der Traktandenliste gestrichen wurde hingegen die Behandlung des Bauens ausserhalb der Bauzone.
LÖSUNGEN GEGEN ZU HOHEN LANDVERBRAUCH
Umfragen haben ergeben, dass die Zersiedlung freier Flächen und hoher Landverbrauch von grossen Teilen der Bevölkerung als Problem wahrgenommen werden. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten meinte bei einer im November 2008 vom Institut gfs-Zürich durchgeführten Studie, die Siedlungsfläche sollte nicht mehr vergrössert werden. Gar 80 Prozent fanden, in besonders schöne Landschaften sollte nur noch sehr beschränkt gebaut werden dürfen. Bestätigt werden solche Umfrageergebnisse durch gleich drei gültige Volksinitiativen, die sich mit dem Problem des hohen Landverbrauchs unter teilweise emotionaler Betitelung wie «Rettung des Schweizer Bodens» oder «Raum für Mensch und Natur» widmen. Bei einer Revision des Raumplanungsrechts wird es zwar auch darum gehen, solch ebenso simplen wie radikalen «Lösungen» der Zersiedelungsproblematik eine Absage zu erteilen. Aber gleichzeitig muss die offenkundig werdende Besorgnis in der Bevölkerung um die Landschaft ernst genommen werden. Am besten mit der Förderung einer verdichteten Bauweise in schon bestehenden Siedlungsgebieten, wohl aber auch mit praktikablen Lösungen, die einem weiteren ungehemmten Landverbrauch einen Riegel schieben.