In Zürich tanzen die Strichfiguren
In den 70er Jahren galten seine verspielten Sprayereien als Verschandelung von Fassaden. Heute ist Harald Nägeli ein arrivierter Künstler. Und er scheint sich in Zürich wieder seiner Kunst zu widmen.
Quelle: Keystone
Harald Nägeli vor seiner "Undine", bevor sie restauriert wurde.
„Der Sprayer von Zürich“ scheint wieder unterwegs und vor allem aktiv zu sein. Dies berichtete „20 Minuten“ in seiner aktuellen Ausgabe. Wie das Gratisblatt weiss, will die städtische Graffitibeauftragte Priska Rast während der vergangenen zwölf Monate insgesamt 20 von Harald Nägelis Strichfiguren per Zufall entdeckt haben: Sie sei sich sicher, dass sie aus der Spraydose von Harald Nägeli stammen, so Rast gegenüber „20 Minuten“.
Stammen die filigranen Wesen und verspielten Linien tatsächlich von Nägeli? In einem Interview im „Magazin“ antwortete heute 70jährige vor einigen Jahren auf die Frage, ob er noch spraye: „Nur gelegentlich. Bedenken Sie, ich bin ein älterer Herr. Aber in Zürich gibt es einen Nachahmer, der meinen Stil verblüffend genau trifft.“ Allerdings liess er 2008 im „Tages-Anzeiger“ verlauten, dass er in Deutschland zum Sprayen zurückgekehrt sei. Und er fügte seiner Aussage sybilinisch hinzu: „Hier kommt es noch, wer weiss.“ Bereits letztes Jahr gab es den Verdacht, dass er an der Limmat wieder seiner Kunst frönt. Doch diese Vermutung wies er damals weit von sich: «Das ist so in der Kunst, dass man kopiert wird.»
Anarchist mit Spraydose
Harald Nägeli war in den 70er Jahren als „Sprayer von Zürich“ bekannt geworden, nachdem er unzählige Strichfiguren auf Wände und Mauern gesprayt hatte. Damals stiessen seine Werke zumindest beim breiten Publikum kaum auf Begeisterung. Das Obergericht verurteilte ihn wegen Sachbeschädigung im Jahr 1981 zu einer neunmonatigen Haftstrafe und einer happigen Busse. Doch Nägeli war nicht anwesend; er war in der Zwischenzeit ins Ausland gegangen und widmete sich seiner Kunst in Städten wie Berlin, Paris und Kopenhagen. In der Folge wurde er international ausgeschrieben. Zwei Jahre später erwischte man ihn in Deutschland und lieferte ihn an die Schweiz aus, wo er seine Strafe absitzen musste. Nach seiner Entlassung zog er wieder in den Norden, nach Deutschland. Heute hat er zwei Wohnsitze, in Düsseldorf und in Zürich.
In Düsseldorf hat er sich unlängst auf einem Bürogebäude verewigt. Jetzt ermittelt die Polizei gegen ihn wegen Sachbeschädigung. – Anders sieht es in Zürich aus. Dort wurde seine Undine, die über die Fassade des Deutschen Seminars bei der Universität tanzt, vor wenigen Jahren restauriert. (mai)