In Europa leiden die Buchenwälder leiden unter dem Klimawandel
Der Klimawandel bedroht Europas Buchenwälder. Das gilt vor allem für südeuropäische Länder, aber auch für Mitteleuropa. Laut Modellrechnungen könnte das Wachstum von Buchen je nach Klimaszenario und Region in den nächsten 70 Jahren zwischen 20 und über 50 Prozent zurückgehen.
Quelle: Felix Mittermeier, Pixabay-Lizenz
Insgesamt rund 100 Buchenwaldgebiete sind in 18 europäischen Ländern als Unesco-Welterbe gelistet. Seit letztem Jahr stehen in der Schweiz die alten Buchenwälder in den Tessiner Tälern Lodano, Busai und Soladino sowie der Buchenwald auf dem Bettlachstock (SO) auf der Liste.
Die Buche ist einer der wichtigsten Waldbäume in Europa. Denn Buchenwälder spielen nicht nur wirtschaftlich sondern auch ökologisch gesehen eine wichtige Rolle. - Aber wie lange noch? Der Klimawandel könnte sie in Zukunft stark unter Druck setzen. Das zeigen regionale Studien. Eine umfassende Analyse fehlte bisher jedoch.
Deshalb hat Edurne Martinez del Castillo von der Klimatologie-Arbeitsgruppe der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) die Entwicklung der Buche – oder Fagus sylvatica – im Rahmen einer Studie untersucht; zusammen mit Kooperationspartnern aus 32 weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen. Für die Studie nahmen die Forscherin und ihre Kollegen an 324 über ganz Europa verteilten Standorten – vom griechischen Festland bis hin zum Norden Schottlands - über 780‘000 Baumringmessungen an 5‘800 Bäumen vor. Mit Hilfe der so gesammelten Daten konnten die Wachstumsraten der Bäume in den vergangenen sechs Jahrzehnten analysiert und darauf aufbauend anhand von gängigen Klimaszenarien die wahrscheinliche Entwicklung in der Zukunft prognostiziert werden.
Wachstumseinbussen im Süden von bis zu 20 Prozent
Für die Studie sind zwei Zeiträume untersucht worden: 1955 bis 1985 und von 1986 bis 2016. Die Resultate unterscheiden sich je nach geographischer Lage stark. So war die Wachstumsrate eines Modellbaums in den vergangenen sechs Dekaden in den tiefer gelegenen Gebieten Nordwest- und Mitteleuropas und in den Küstenregionen in Belgien, den Niederlanden, Dänemark und auf den Britischen Inseln zwei- bis dreimal höher als an der südlichen Verbreitungsgrenze.
Vergleicht man die Resultate der der beiden Zeiträume miteinander, lässt sich ein „bemerkenswerter Rückgang des Baumwachstums in fast allen Verbreitungsgebieten“ erkennen, wie der Medienmitteilung der JGU zu entnehmen ist. Besonders krass unterscheidet sich Nordeuropa mit Schweden und Norwegen, wo das Wachstum plus 20 Prozent beträgt, von Südeuropa, wo starke Wachstumseinbussen von bis zu 20 Prozent berechnet wurden.
Dramatische Folgen bei einem Temperaturanstieg von fünf Grad
Welche Situation erwartete die Buchenwälder in den kommenden 70 Jahren? Martinez del Castillo hat die voraussichtliche Entwicklung bis 2090 kalkuliert, Anhand von zwei weitverbreiteten Szenarien der Klimaforschung des Coupled Model Intercomparison Project (CMIP) bis 2090. „Selbst bei einem relativ optimistischen Szenario der Klimaentwicklung werden wir in Südeuropa im Zeitraum 2020 bis 2050 starke Wachstumsreduktionen um bis zu 30 Prozent erleben im Vergleich zur Periode 1986 bis 2016“, so Martinez des Castillo.
Während das optimistische Klimamodell unter anderem von einem Temperaturanstieg um ein Grad Celsius bis 2090 ausgeht, wird im pessimistischen Szenario mit einer Erwärmung um fünf Grad Celsius gerechnet. In letzterem Fall müssten dramatische Folgen befürchtet werden: Die Produktivität der Buchen ginge in weiten Teilen Europas stark zurück, in den meisten Wäldern Mitteleuropas um 20 bis 30 Prozent. „In Südeuropa könnten die Einbussen sogar über 50 Prozent betragen“, sagt Martinez del Castillo und verweist darauf, dass hier die vermehrte Trockenheit eine Rolle spielt. Dagegen wäre im Norden und in Berggebieten der Wachstumstrend im Plus. Insgesamt sind die Zuwächse aber weder räumlich noch in absoluten Zahlen so gross wie die Verluste.
Angesichts dieser Prognosen raten Martinez del Castillo und ihre Kollegen dazu, möglichst schnell entsprechende Massnahmen zu ergreifen, damit schwerwiegende ökologische und wirtschaftliche Konsequenzen abgefedert werden können. Zumal bei einem weiteren Waldsterben, das aufgrund des geringeren Baumwachstums zu erwarten sei, auch die Funktion der Buchenwälder als Kohlendioxidsenke abnehme. (mai/mgt)