16:18 BAUBRANCHE

Idealer Höhenunterschied zwischen zwei Stauseen

Teaserbild-Quelle: Bild: Eric Kocher

Bis 2015 soll zwischen den Stauseen Vieux Emosson und Emosson in den Walliser Alpen ein neues Pumpspeicherkraftwerk entstehen. Doch bevor mit dem Rohbauder unterirdischen Maschinenkaverne begonnen werden kann, muss ein mehr als fünf Kilometer langer Zugangsstollen gebaut werden.

Die geografische Lage der bestehenden Stauseen Vieux Emosson und Emosson ist ideal für den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks, denn der Höhenunterschied zwischen den beiden Stauseen ist beträchtlich und ihre horizontale Distanz gering. Die Idee für dieses Projekt entstand nach dem Jahr 2000 angesichts der sich seit Ende der 1990er-Jahre abzeichnenden Stromknappheit. Diese wurde vor allem im Hitzesommer 2003 aufgrund des gestiegenen Stromverbrauchs durch Klimaanlagen spürbar. «Der Mensch verbraucht immer mehr Energie. Das ist eine unbestreitbare Tatsache und ein Trend, der sich nur schwer umkehren lässt. Die Nutzung von erneuerbaren Energien, deren Produktion nicht konstant ist, wirkt sich deutlich auf den internationalen Strommix aus. Das stellt hohe Anforderungen an ein stabiles Stromversorgungsnetz, das gegenwärtige und zukünftige Verbrauchsspitzen abdecken kann», erläutert Eric Wuilloud, Geschäftsführer der Bauherrin Nant de Drance SA. Ein Pumpspeicherkraftwerk von dieser Grösse bringt hier klare Vorteile. Wenn wenig Strom benötigt wird (Bandenergie), wird der Überschuss an produzierter Energie gespeichert, damit diese in Zeiten mit grossem Verbrauch (Spitzenenergie) zur Verfügung steht. Dank der gespeicherten Energie wird die Versorgungssicherheit im Stromnetz der Schweiz und des benachbarten Europas gewährleistet, Verbrauchsschwankungen im Tagesverlauf werden ausgeglichen und bei Störungen kann rasch reagiert werden.

Ein steter Austausch

Das Prinzip des Kraftwerks Nant de Drance ist einfach: Nachts und am Wochenende, wenn der Stromverbrauch am geringsten ist, wird Wasser aus dem Unterbecken Emosson in das Oberbecken Vieux Emosson hochgepumpt. Zu Spitzenzeiten, wenn der Strombedarf gross ist, wird Wasser vom höher gelegenen Stausee über Turbinen in den tiefer gelegenen geleitet. Mit der gespeicherten Energie wird also Spitzenenergie erzeugt. Die neue Anlage Nant de Drance wird mit vier Pumpturbinen zu je 150 Megawatt eine Leistung von insgesamt 600 Megawatt aufweisen, womit jährlich 1500 Gigawatt pro Stunde Energie produziert werden können.

Kosten auf 990 Millionen geschätzt

Die Kosten für die neue Kraftwerksanlage, die zwischen den beiden Stauseen entsteht, werden auf 990 Millionen geschätzt. «Soweit ich weiss, gibt es in der Westschweiz keine andere Baustelle dieser Grössenordnung. Es müssen ein Bauarbeiterdorf, ein 5,6 Kilometer langer Zugangsstollen, eine Kaverne für die Pumpturbinen und die daran gekoppelten Motor-Generatoren, eine Trafo-Kaverne, zwei parallele Triebwasserwege mit je einem Ein- und Auslaufbauwerk, Ober- und Unterwasserdruckstollen sowie teilweise betonverkleidete Vertikalschächte gebaut werden», führt Eric Wuilloud aus. Die 50 Meter hohe, 30 Meter breite und 130 Meter lange Maschinenkaverne entspricht der Grösse eines zehnstöckigen Gebäudes und wird auf 1700 Meter über Meer unter einer Felsüberdeckung von 585 Metern unter Tage gebaut. Das Ausbruchvolumen für die gesamte Anlage beträgt 1,2 Millionen Kubikmeter und wird zu 25 Prozent für die Betonherstellung wiederverwendet, das restliche Ausbruchmaterial wird in die Deponie Le Châtelard gebracht, wo es bestmöglich in die Landschaft integriert wird.

Ein geschlossener Wasserkreislauf

In Übereinkunft mit dem WWF ist das Projekt für eine sanfte Nutzung im Einklang mit der Natur ausgelegt. Die Wassernutzung im geschlossenen Kreislauf hat keinen Einfluss auf die natürlichen Wasserläufe der Umgebung. Zudem werden die meisten Anlagen unterirdisch gebaut. Über den Zugangsstollen können die Arbeiten vollständig unter Tage ausgeführt werden und der Transportverkehr auf den Zufahrtstrassen bleibt gering, sodass die ländliche Ruhe nicht gestört wird. Die natürlichen Lebensräume und die Landschaft bleiben in ihrer ganzen Schönheit erhalten.

Eine Planung für fast zehn Jahre

Die Vorbereitungsarbeiten umfassten Räumungsarbeiten und Waldrodungen in Le Châtelard sowie den Bau eines kurzen Zufahrtstunnels und einer Brücke zwischen Bauplatz und Kantonsstrasse. Die erste Sprengung für den Bau des Vortunnels fand am 12. Dezember 2008 statt. Die Rohbauarbeiten begannen im Januar 2009 mit dem Aushub und der Sicherung des Voreinschnitts für den Hauptzugangsstollen. Gleichzeitig wurden ein Bauarbeiterdorf für rund 250 Arbeiter, eine Kantine sowie Büros für die Unternehmen, die Bauleitung und den Bauherrn erstellt.
2010 steht nun der Bau des mehr als fünf Kilometer langen Stollens auf dem Programm. «Die ersten 100 Meter sind bereits im Sprengvortrieb gebaut. Seit letztem August wird die Tunnelbohrmaschine montiert. Sie kam im Dezember bereits das erste Mal zum Einsatz. Im Februar wird sie erneut eingesetzt, dazwischen muss das Materialförderband montiert werden. Wir arbeiten mit zwei Vortriebs- und einer Sicherungsmannschaft rund um die Uhr», erläutert Bertholet.

Die Bauarbeiten für das Kraftwerk werden im Frühling wieder aufgenommen. Die verschiedenen Bauetappen werden insgesamt bis 2017 dauern. Ab 2015 kann der Kraftwerksbetrieb schrittweise aufgenommen werden. (Emilie Veillon)


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Das Projekt in Kürze

Vor dem Hintergrund der Stromknappheit nach der Jahrtausendwende führen das Ingenieurbüro AF-Colenco und der Stromkonzern Atel eine Machbarkeitsstudie für ein Pumpspeicherkraftwerk zwischen den beiden Stauseen durch. Das Projekt, das vollständig auf Schweizer Boden liegt, findet die Zustimmung der Dienststelle für Energie und Wasserkraft des Kantons Wallis. Das Projekt wird unter Vorbehalt der Erteilung der Bundeskonzession genehmigt.

Im März 2007 wird das Dossier beim Bundesamt für Energie (BFE) in Bern eingereicht. Ein Jahr später genehmigen die Verwaltungsräte von Atel und SBB die gemeinschaftliche Umsetzung des Kraftwerkprojekts. Im August 2008 erteilt das BFE die Konzession und die Baugenehmigung. Im November 2008 gründen Atel und SBB die Bau- und Betriebsgesellschaft Nant de Drance SA und betrauen Eric Wuilloud mit der Geschäftsführung. Der Walliser Energiedienstleister FMV beteiligt sich mit zehn Prozent an der Nant de Drance SA. Ende 2008 wird mit den ersten Bauarbeiten begonnen. (ev)

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