Hybride Baumaschinen: Auf dem Weg zur CO2-neutralen Baustelle
Rohstoffe und Energie verteuern sich drastisch und damit auch das Bauen. Neben dem Klimawandel sind die hohen Kosten ein weiterer Grund, möglichst CO2-arm zu arbeiten. Wiener Forscher haben anhand von vier gängigen Baustellentypen vorgerechnet, wie gross das Einsparpotential dank der bereits vorhandenen Technologien sein kann.
Quelle: zvg
Einige wenige voll elektrifizierte Beton-Fahrmischer sind bereits auf Schweizer Strassen unterwegs. Einer von vielen kleinen Schritten, die die CO2-intensive Branche unternimmt, um ihre Klimabilanz zu verbessern.
Auf Österreichs Baustelle der Zukunft
ist es auffallend leise. Und es riecht nicht nach Diesel. So stellt es sich
zumindest eine Gruppe von Ingenieuren an der Technischen Universität Wien vor.
Sie wollen nachweisen, dass in der Bauausführung Emissionen schon jetzt
reduziert werden könnten. Es brauche, so sagen sie, dafür nur wenige Schritte.
Und diese seien mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten bereits heute
durchführbar. Das ist nötig, denn die Bauindustrie ist laut den Forscherinnen
und Forschern weltweit für rund zehn Prozent aller CO2-Emissionen
verantwortlich.
Es beginnt damit, dass Transportfahrzeuge lokale Kennzeichen
tragen. «Indem die Materialien regional bezogen und mit
just-in-time-Lieferungen zur Baustelle gebracht werden, sparen wir Wege», sagt
Maximilian Weigert, Baubetriebsforscher an der TU Wien. Die Maschinen werden
elektrisch betrieben, was den Lärmpegel senkt.
Auch die Baustelleneinrichtung soll energieautark sein. Am
Beispiel des Baucontainers für den Bautrupp erklären sie: «Er ist thermisch gut
gedämmt. Auf seinem Dach befinden sich Solarpanels. Effiziente
Beleuchtungstechnik, Heiz- und Kühlsysteme verringern den Energieeinsatz.»
Zumindest Teile des auf der Baustelle benötigten Stroms wollen die Forschenden
über Wind- und Solarenergie direkt vor Ort erzeugen.
Entwicklungsschub erwartet
Grosse Baumaschinen, die noch nicht elektrifiziert sind,
sollen mit Wasserstoff oder E-Fuels angetrieben werden statt des fossilen
Diesels oder übergangsweise zumindest mit Biodiesel. Bei allen Arten von
Treibstoffen werde es bald Fortschritte geben, gibt sich Leopold Winkler von
der TU Wien überzeugt: «Wir werden bei Baufahrzeugen einen Entwicklungsschub
feststellen. Neue Antriebstechnologien stellen bereits in naher Zukunft
kosteneffiziente Alternativen dar.» Einen Blick in die Schweiz wagen die Wiener
dabei auch. Hyundai habe sieben Wasserstoff-LKW auf Schweizer Strassen
gebracht, Liebherr 2020 einen Transportbetonmischer. Und Liebherr hat 2021 den
Unternehmen Kibag und Holcim je einen vollelektrischen Betonmischer geliefert,
ein dritter an Sieber in Diepoldsau ist gerade in Auslieferung.
René Klaus, Spartenleiter Betontechnik bei Liebherr Schweiz, erläutert: «Die Fahrleistung eines Betonmischers beträgt 20000 bis 25000 Kilometer pro Jahr und die Fahrmischer scheinen sich hier zu bewähren. Beide Unternehmen haben auch in den nächsten Beschaffungsjahren wieder elektrische Betonmischer budgetiert. Für den Betrieb in der Stadt ist die Reichweite ausreichend.» Noch kosten solche Mischer zweieinhalb bis dreimal so viel wie ein herkömmliches Fahrzeug. Diese Mehrinvestition kann aber in der Schweiz und in der EU mittels Fördermassnahmen teilweise kompensiert werden. Auch Drehbohrgeräte sind bei Liebherr bereits im Angebot, aber noch nicht in der Schweiz im Einsatz.
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Liebherr hat letztes Jahr dem Unternehmen Kibag einen vollelektrischen Betonmischer geliefert. Für den Betrieb in der Stadt ist die Reichweite ausreichend.
Bei den Betonmischern war Liebherr allerdings nur für die
Aufbauten zuständig, wie Klaus erklärt. Liebherr selbst hat eine Hybridlösung
im Angebot, bei der nur der Mischer selbst elektrisch angetrieben wird. Die
Konzeption der erwähnten vollelektrischen Betonmischer lag bei Designwerk
(ehemals Futuricum), die mittlerweile auch eine Reihe vollelektrischer LKW im
Angebot hat. Das Angebot wächst bei allen Herstellern. Noch aber sind
Reichweite und Anschaffungskosten Hemmnisse für breiten Einsatz.
Österreich zum Beispiel
Der «Kurier» aus Wien berichtet, dass Österreich deutlich ehrgeiziger an das Thema herangeht. So sollen im Jahr 2030 bereits 2000 mit «grünem» Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-LKW auf Österreichs Strassen fahren. Treiber des Projekts ist ein Konsortium der Konzerne Post, Spar und Rewe sowie den Fahrzeugentwicklern AVL List und Magna. Sie fordern allerdings Subventionen von mehr als 400 Millionen Euro, um die Mehrkosten abzudecken, die sich aufgrund der höheren Preise für die LKW im Vergleich zu den Dieselfahrzeugen ergeben.
Doch es ist fraglich, ob Subventionen in dieser Höhe
fliessen werden. Einer der in der Studie erwähnten Schweizer Wasserstoff-LKW
ist jedenfalls beim Speditionsunternehmen Gebrüder Weiss in Altenrhein im
Einsatz. Nach einem Betriebsjahr und 70000 gefahrenen Kilometern wurde letzten
März Bilanz gezogen. Fazit: Der Elektromotor hat selbst bei Steigungsstrecken
seine volle Leistung behalten und der Verbrauch ist sogar unter den Angaben des
Herstellers geblieben. Die durchschnittliche Tagesleistung lag bei 430
Kilometern, die nur durch die Verfügbarkeit von Wasserstofftankstellen
eingeschränkt wurde. Im Moment zählt die Schweiz neun Wasserstoff-Tankstellen.
Designwerk setzt daher voll auf die Elektrifizierung.
Vertriebsleiter Bernhard Kunz erklärt: «Auf Schweizer Strassen fahren bereits
105 Fahrzeuge, bei denen wir die Umrüstung auf Batteriebetrieb vorgenommen
haben. Sechs davon sind Betonmischer, bei den anderen handelt es sich um
Lastwagen, Krananwendungen und Zugfahrzeuge mit Hydraulik-Lösungen für
Zuggewichte bis 44 Tonnen und einer effektiven Autonomie von 500 Kilometern.»
Kieslogistik und Tunnelbau
Neben Spediteuren sei auch die Baubranche Abnehmer dieser
Camions. «Sie kommen vor allem in der Kieslogistik und im Tunnelbau zum
Einsatz. Die Roche-Baustelle in Basel wird zum Beispiel ab dem
Konsolidierungslager in Pratteln durch die Schweizerische Post ausschliesslich
mit unseren Elektrolastwagen beliefert», so Kunz weiter.
Bei der Reichweite müssten sich die Elektro-Nutzfahrzeuge
längst nicht mehr verstecken. «Eberhard Bau fährt mit einem von uns
umgerüsteten Elektro-Betonmischer mit Avesco-Aufbau auf der hydraulischen Basis
vollbeladen bereits in einem Radius von 150 Kilometern. Das ist in der Schweiz
mehr als ausreichend», sagt Kunz. «Unsere grössten E-Lastwagen sind
70-Tonnen-Fahrzeuge. Allerdings sind diese nicht in der Schweiz im Einsatz. In
Skandinavien setzt man bereits stark auf Elektrofahrzeuge. Ab 2025 dürfen in
Dänemark und Norwegen grösstenteils nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge in die
Städte fahren. Die Städte London und Paris haben ähnliche Pläne angekündigt.»
Andere Länder und Grossstädte werden nachziehen, da sei er sicher.
Vom ETH-Projekt zum E-Bagger
Im Moment kann Designwerk hundert Fahrzeuge pro Jahr
umrüsten. Ab 2023 soll die Kapazität um fünfzig Prozent erhöht werden. Möglich
wird das unter anderem, weil Volvo sechzig Prozent des Unternehmens übernommen
hat. Batteriebetriebene Bagger gibt es von Designwerk allerdings nicht, nur
eine passende Batterielösung.
Elektrobagger sind die Spezialität von Suncar. Die Firma ist aus einem ETH-Projekt von Studierenden der Elektroingenieurswissenschaften und dem Maschinenbau hervorgegangen. Ein Projekt war der weltweit erste batteriebetriebene E-Bagger. Die Firmengründung erfolgte, als dad Unternehmen Huppenkothen Baumaschinen einstieg. Mittlerweile gibt es sieben verschiedene Baggermodelle, dazu diverse Kommunalfahrzeuge. Suncar rüstet auf Kundenwunsch Nutzfahrzeuge aller Art um, beispielsweise auch Schneefräsen.
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Alternative Treibstoffe und Antriebsformen rechnen sich. Am meisten lässt sich sparen, indem die Transportdistanzen gering gehalten werden.
Das Angebot wächst somit auch in der Schweiz. Um den
Fahrzeugen trotz höheren Preisen zum Durchbruch zu verhelfen, bräuchte es aber
mehr politische Willen und allenfalls finanzielle Anreize. Und Kunz merkt an:
«Neben der Reichweite sind auch Kapazitäten der lokalen Stromnetzwerke ein
wichtiges Thema. Zum Teil ist der Strom nicht überall sofort verfügbar. Man
kann nicht an jedem beliebigen abgelegenen Ort plötzlich eine grosse Baustelle
einrichten und dort die Mengen an Strom beziehen, die es für den
elektrifizierten Betrieb braucht. Die Verfügbarkeit und der nachhaltige Mix von
Strom ist nicht unbedingt ein Thema in der Produktion, sondern eine politische
Frage.»
Vier Baustellentypen berechnet
In ihrer Studie berechnen die TU-Forschenden, dass der
CO2-Ausstoss mit aktuell vorhandenen Technologien im Vergleich zu herkömmlich
betriebenen Baustellen um die Hälfte reduziert werden kann. Damit das Ganze
auch wirklich läuft, raten sie dringen dazu, einen
Klimaverträglichkeitsbeauftragen für die Baustelle zu benennen, der die
Einhaltung der Massnahmen kontrolliert.
Zu Vergleichszwecken hat das Forscherteam vier
Baustellenarten hinsichtlich der konkreten Einsparpotentiale durchgerechnet.
Der erste Baustellentyp, der «Wiener Wohnbau» genannt wird, bezieht sich auf
den Neubau eines städtischen Mietshauses mit sieben Obergeschossen, 2000
Quadratmetern Grundfläche und insgesamt etwa 200 Wohnungen. Das Erdgeschoss
wird als Geschäftsfläche genutzt.
Die fiktive Baustelle Nummer zwei betrifft die thermische Sanierung eines Wohngebäudes mit 5200 Quadratmetern Fassadenfläche. Bei Baustellentyp Nummer drei handelt es sich um städtische Asphaltarbeiten ohne Erdbau, bei denen auf 4700 Quadratmetern geräuscharmer Splittmastix-Asphalt aufgetragen wird. Die Baustelle für den Abriss eines Bürogebäudes mit 5000 Quadratmetern Grundfläche und 60'000 Kubikmetern abzutragender Kubatur, ist das vierte fiktive Beispiel. Insgesamt müssen dort 8900 Tonnen Material abtransportiert werden.
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Beim Untertagebau können elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge ihre Vorteile ausspielen. Standard ist allerdings nach wie vor, die Energie für sämtliche Antriebe über einen Dieselmotor zu erzeugen.
Für alle gerechneten Baustellen liessen sich viele
Möglichkeiten finden, um kurzfristig CO2 einzusparen. Das Potential,
Treibhausgas-Emissionen zu verringern, lag je nach Baustellentyp und
Rahmenbedingungen zwischen 21 und 52 Prozent. Am meisten lässt sich sparen,
indem die Transportdistanzen gering gehalten werden. Auch alternative
Treibstoffe und Antriebsformen sowie der Zukauf von Strom aus erneuerbaren
Quellen tragen massgeblich zur CO2-Reduktion bei.
Massnahmen kostenpositiv
Dass sie mit ihren Vorschlägen bei Bauherrschaften und
Baubranche nicht zwingend offene Türen einrennen, ist den Wissenschaftlern
klar. Das Bewusstsein, dass sich etwas ändern muss, ist jedoch da. Aber die
Frage nach den Mehrkosten kommt jeweils sofort. Natürlich haben sie nachgerechnet.
«Wir konnten zeigen, dass viele Massnahmen kostenneutral bis kostenpositiv
sind. Beispielsweise rentiert sich die Anschaffung kleiner E-Bagger in vielen
Fällen bereits heute», so Weigert. Batteriebetriebene Fahrzeuge sind in der
Anschaffung teurer als Verbrenner. Die Kosten für Antrieb, Reparatur und
Wartung sind jedoch meist niedriger als bei herkömmlich betriebenen
Fahrzeugen.»
Herumgesprochen hat sich all das noch nicht unbedingt.
Möglichst noch in diesem Jahr wollen sie nun den Praxistest machen und die
erste CO2-neutrale Baustelle Österreichs umsetzen. Aktuell sind sie auf der
Suche nach Projektpartnern. Publicity dürfte den teilnehmenden Bauunternehmen
sicher sein. Dafür müssen sie sich auf Neuland begeben und sich auf die enge
wissenschaftliche Begleitung einlassen.
Die Berechnungen zu verschiedenen Baustellentypen der Wiener Studie finden sich hier: www.iww.de
Baggerschaufel mit Hybridantrieb
Quelle: Niklas Bargen KIT
Dieser 15 Tonnen schwere Hybrid-Bagger wurde hundert Tage lang auf diversen Baustellen eingesetzt und mittels Sensoren überwacht, um das Einsparpotential des elektrischen Betriebs zu berechnen. Bei solchen Lösungen handelt es sich um Übergangstechnologien bis zur vollständigen Elektrifizierung.
Bei Autos sind Hybridantriebe, also die Kombination verschiedener Antriebssysteme und Energiespeicher, schon länger gebräuchlich. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben testweise einen Bagger mit Sensoren bestückt und untersucht, wie er möglichst effizient arbeiten kann.
Baumaschinen haben meist ohnehin mehrere Antriebe, wie Fahr-, Schwenk- und Arbeitsantrieb, die alle hybridisiert werden könnten. Standard ist allerdings nach wie vor, die Energie für sämtliche Antriebe über einen Dieselmotor zu erzeugen.
Der mit Sensoren gespickte, 15 Tonnen schwere Bagger wurde hundert Tage lang bei der Arbeit auf unterschiedlichen Baustellen überwacht. Die Sensoren am Hybridbagger lieferten Daten zum Einsparpotential. «Anschliessend haben wir verschiedene Varianten der Hybridisierung am Rechner simuliert und ermittelt, welches Potenzial zur Effizienzsteigerung sie im realen Betrieb haben würden», erläutert Niklas Bargen vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik des KIT.
Schwenkwerk birgt Potential
Der elektrische Betrieb des Schwenkwerks eines Hydraulikbaggers bringt beim Laden von Erdreich oder Schutt auf einen Lastwagen eine Effizienzsteigerung von elf Prozent. Gleichzeitig lassen sich rund acht Prozent Dieseltreibstoff sparen. Wird zusätzlich die Bewegungsenergie beim Absenken des Baggerarms zurückgewonnen sind sogar Effizienzsteigerungen von insgesamt 12,5 Prozent sowie ein um neun Prozent geringerer Spritverbrauch zu erwarten.
«Wir gehen davon aus, dass sogar noch weiteres Potenzial vorhanden ist. Zum Beispiel durch eine Software, die bedarfsgerecht und nach Effizienzgesichtspunkten entscheidet, mit welchem Antrieb die unterschiedlichen Funktionen des Baggers gerade am besten betrieben werden sollen», erzählt Bargen.
Hybrid als Brückentechnologie
Der Verbrauch eines mittelschweren Baggers liegt über seinen kompletten Lebenszyklus gerechnet bei 100 000 Litern Diesel. Entsprechend gross wäre das Energiesparpotenzial bei Hybridantrieben für Baumaschinen. «Wir sehen die Hybridisierung dennoch eher als Brückentechnologie auf dem Weg zur vollständigen Elektrifizierung von Baumaschinen», so Bargen. Noch sind die Hürden hoch, etwa wegen des hohen Energiebedarfs der Maschinen und fehlender Speichertechnologie. (ava)