07:30 BAUBRANCHE

Bauen mit Holz: Wettbewerbsfähig mit System

Teaserbild-Quelle: Roger Frei, Zürich, rogerfrei.com

In Holz lassen sich selbst komplexe mehrgeschossige Büro- und Wohnbauten hochwertig realisieren. Doch Bauprojekte aus dem nachwachsenden Rohstoff stehen in Konkurrenz zu alternativen Massiv- und Stahlbauten. Im Wettbewerb besteht Holzbau, wenn er auch preislich in der gleichen Liga spielt.

MAD3-Gebäude der Kantonspolizei Freiburg

Quelle: Roger Frei, Zürich, rogerfrei.com

Das MAD3-Gebäude der Kantonspolizei Freiburg: Ein klares Stützenraster aus lokalem Massivholz prägt den Bau gestalterisch und konstruktiv.

Die Holzbauweise hat sich hierzulande etabliert. Letztes Jahr wurden in der Schweiz jedes fünfte neue Einfamilien- und jedes zehnte baubewilligte Mehrfamilienhaus in Holz geplant. «Profitieren dürfte der Holzbau zudem von der aktuell steigenden Nachfrage nach bestehenden Einfamilienhäusern, bei denen das Weiterbauen möglich ist – dies mit Nutzungskonzepten, die denen kleiner Mehrfamilienhäuser ähneln», sagte die Betriebsökonomin Birgit Neubauer-Letsch von der Berner Fachhochschule (BFH) am diesjährigen Holzbautag Biel. Der gut besuchte Traditionsanlass von BFH und Lignum Holzwirtschaft Schweiz stand unter dem Titel «Bauen mit Holz – wirtschaftlich und wettbewerbsfähig».

Aufgrund der Baubewilligungen zeichne sich für 2018 ab, dass «neu geplante Mehrfamilienhäuser in Holzbauweise immer grösser werden», so Neubauer-Letsch, Leiterin Marktforschung am Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft. Insbesondere im Bereich der Ersatzneubauten und Aufstockungen auf drei Geschosse sei mit einem deutlichen Zuwachs zu rechnen. Bei öffentlichen Bauten und Gewerbebauten kommen vermehrt Holzfassaden zum Einsatz, während beim Holz für die Tragkonstruktionen der jährliche Anteil relativ konstant bleibt.

Öffentliches Beschaffungswesen: Enge Spielräume nutzen

Mitverantwortlich dafür ist – so paradox es klingen mag – die diskriminierungsfreie Gesetzgebung im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens. Diese verbietet selbst einem Bauherrn mit Waldbesitz wie dem Kanton Freiburg, in seiner Ausschreibung regionales Holz direkt einzufordern. Dabei sei es doch eigentlich «unerlässlich, dass öffentliche Institutionen und der Kanton, die zusammen 56 Prozent der gesamten Freiburger Waldfläche besitzen, mit gutem Beispiel vorangehen und die Nutzung regionaler Hölzer in ihren Bauprojekten unterstützen», so Dominique Schaller vom Freiburger Amt für Wald.

Wir haben aufgezeigt, wie man auf dem Weg zu nachhaltigeren Gebäuden die vielen Hürden des öffentlichen Beschaffungswesens überwinden kann.

Gian Carlo Chiovè, Freiburger Kantonsarchitekt

Gian Carlo Chiovè, Freiburger Kantonsarchitekt

Beim Bau von MAD3, dem neuen kantonalen Polizeigebäude im Freiburger Vorort Granges-Paccot mit einem Volumen von 30'000 Kubikmetern und 7500 Quadratmetern Fläche, nutzte das federführende Hochbauamt den bei einer öffentlichen Beschaffung dennoch bestehenden engen Spielraum geschickt zur Förderung der lokalen Holzwirtschaft. Das geerntete Holz aus dem eigenen Staatswald wurde an Lager genommen und den beteiligten Holzbauunternehmen zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt. «Wir haben aufgezeigt, wie man auf dem Weg zu nachhaltigeren Gebäuden die vielen Hürden des öffentlichen Beschaffungswesens überwinden kann», sagt der Freiburger Kantonsarchitekt Gian Carlo Chiovè. «Und zwar mit einer frühzeitigen Planung und einem klaren Ziel.» Je früher der Bauherr die Leitplanken aufzeige, desto besser. Bei der Ausschreibung gelte es dann klar zu definieren, welche Produkte oder Materialien verwendet werden sollen. «Das ist unsere Macht, und diese haben wir beim MAD3-Projekt auch genutzt», so Chiovè.

100 Prozent eigenes Holz

Mit dem fünfgeschossigen Neubau in Granges-Paccot hat der Kanton Freiburg also nicht nur sein grösstes Verwaltungsgebäude mit einem hölzernen Tragwerk realisiert, sondern dafür auch ausschliesslich eigenes Holz verwendet. «Die für das quadratische Hauptträgersystem benötigten 2500 Kubikmeter Massivholz stammen samt und sonders aus dem Freiburger Staatswald», sagt Architekt Alexandre Delley von den federführenden Deillon Delley Architekten aus Bulle FR. Der hybride Bau mit Holz-Beton-Verbunddecken und dem charakteristischen regelmässigen Stützenraster aus lokalem Holz erfülle die vom Kanton Freiburg aufgestellten Nachhaltigkeitskriterien bestmöglichst, betont der für das strukturelle Konzept verantwortliche Bauingenieur Martial Chabloz von der Lausanner Chabloz & Partner AG. «Für den Bau wurde wenig graue Energie verbraucht und die Nutzung der lokalen Waldressourcen gezielt gefördert.» Die gewissenhafte Führung des Projekts habe es zudem ermöglicht, den Baukredit in Höhe von 42,5 Millionen Franken genau einzuhalten. Der Freiburger Staatsrat und Baudirektor Jean-François Steiert betonte denn auch bei der MAD3-Einweihung im November 2017: «Dieses Projekt beweist, dass es möglich ist, Effizienz, Nachhaltigkeit und einen architektonisch gelungenen Bau miteinander zu vereinen.»

Gute und wirtschaftliche Architektur

Bei der Umnutzung der Kaserne Schwarzsee FR zum Ausbildungszentrum für Zivildienstleistende war es sogar die Vorgabe des Bauherrn, das architektonische Optimum aus dem gegebenen Budget für den Bau der beiden ergänzenden Unterkünfte herauszuholen. Zudem galt es, die beiden Neubauten in sehr kurzer Bauzeit zu realisieren. Zwischen der Auftragsvergabe und der Übergabe der Gebäude durften lediglich 17 Monate liegen. Denn sowohl der Kostenrahmen als auch der Terminplan waren verbindlich. Die Schärholzbau AG aus Altbüron LU traute es sich zu, die herausfordernden Eckwerte dank Systemansatz einzuhalten. Inhaber und Geschäftsleiter Walter Schär gewann die öffentliche Ausschreibung des Totalunternehmer-Auftrags und holte Oliver Schmid von den 0815 Architekten aus Freiburg ins Boot.

«Da Zeit und Kosten gegeben waren, mussten wir das Projekt optimieren», erläutert Architekt Schmid. Statt der beiden ursprünglich vorgesehenen, im Grundriss unterschiedlichen Schlafgebäude, umfasste die Baueingabe schliesslich aus Effizienzgründen zwei identische Trakte. Dafür obsiegte in der Evaluation eine windmühlenartige Anordnung der Zimmer rund um die zentral gelegenen Nasszellen. «Dieser architektonische Dreh hat zwar etwas gekostet, die Nutzer werden es aber danken», ist Holzbauer Schär überzeugt. Eine interne Vorgabe sei zudem von Anfang an gewesen, dass regionale Unternehmen mindestens einen Drittel der benötigten Arbeitsleistung für den Bau der 156Zimmer mit insgesamt 624Betten erbringen sollten. «Das war wichtig, um den Zeitfaktor zu meistern», so Schär.

Ausbildungszentrum «Zivi» am Schwarzsee FR

Quelle: Thomas Brückner

Eine der beiden Neubauten für das Ausbildungszentrum «Zivi» am Schwarzsee FR: Nur dank modularer Planung waren der verbindliche Kostenrahmen und die kurze Bauzeit von 17 Monaten einzuhalten.

Werkgruppe als Erfolgsfaktor

Das Projekt für das «grösste Hotel des Kantons», – wie es die Gebäudeversicherung einmal formulierte – wurde von einer Werkgruppe erarbeitet, die Konstrukteur, Architekt und Handwerker umfasste. «Ich sehe mich als Nestbauer», erläutert Schär seine Rolle. «In diesem Nest können die verschiedenen Akteure in einem geschützten Rahmen so zusammenarbeiten, dass letztlich die gewünschte Leistung herauskommt.» In der kooperativen Planung und Ausführung stecke viel Potenzial, zeigt sich Schär überzeugt.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Architekt Schmid für den Entwurf und die technische Arbeiten seinen Arbeitsplatz für fast einen Monat von Freiburg ins luzernische Altbüron verlegte. «Der Architekt setzt sich so zum Holzbauer ins Büro», sagt Schär, um gleich zu ergänzen, dass diese «räumliche Geschichte fürs Gelingen des Projekts entscheidend» gewesen sei.

Da 156 identische Zimmer realisiert wurden, war die Abnahme der vorgesehenen Einteilung durch den Bauherrn ein wichtiger Meilenstein. Auf reiner Planbasis wäre die Entscheidungsfindung «relativ unsexy» gewesen und dies mit ungewissem Ausgang, wie Architekt Schmid betont. Schärholzbau erstellte daher ein Mock-up, setzte also eines der geplanten Zimmer eins zu eins um.

Einerseits konnten so gleich die Produktions- und Montagezeiten ausgetestet werden, was die Risiken der späteren modularen Serienfertigung minimierte. Andererseits konnten sich Bauherr, Nutzer, Architekt und Holzbauer gemeinsam zur Entscheidungsfindung im Musterzimmer treffen, was den Prozess merklich beschleunigt habe. «In einer halben Stunde war das Ganze gegessen», erinnert sich Schmid. «Ohne das gemeinsame Raumerlebnis im Mock-up hätte es hingegen wohl mehrere Wochen gedauert.»

Wandelbares Bauholz

Bis auf die Fundamente in Stahlbeton und deren Auflager in Stahl wurden die beiden Gebäude vollständig als Holzelementbau vorgefertigt. «Aufgrund des grossen Volumens und der notwendigen Geschwindigkeit entschieden wir uns, die Baustelle beim Schwarzsee als effiziente Fabrik zu nutzen und die aufgelösten Zellen vor Ort zu montieren», erläutert Schär. Pro Woche konnten die Holzbauer dank hoher Präzision ein Stockwerk aufrichten.

Beim Innenausbau entschieden sich die Verantwortlichen gegen Katalogmobiliar und für eine ökologisch sinnvolle Variante. Schmid: «Wir haben restliches Bauholz in massgeschneiderte Möbel umgewandelt und so viel Stimmung in die Gebäude gebracht.» Diese Architekturqualität sei für den Bauherrn aber auch wirtschaftlicher. «Die gewählten Lösungen zeichnen sich nämlich durch hohe Vandalensicherheit aus, was beim Zielpublikum nicht unwichtig ist», so Schmid.
Als Novum konnten dank der Anwendung der neuen Brandschutzvorschriften auch die Fluchttreppen in Holz realisiert werden. «Das brachte in der Montage bezüglich Präzision grosse Vorteile», sagt Schär. Die Treppenhäuser mit den massiven Eichentritten würden zudem zum wohnlichen Charakter der Gebäude beitragen. Dank der engen interdisziplinären Zusammenarbeit konnten die Zivilschutz-Unterkünfte termingerecht und im gegebenen Kostenrahmen dem Kanton Freiburg übergeben werden.

Was für einen Holzbau spricht
Ob ein Holzbauprojekt zum Zug kommt, entscheidet sich oft im Rahmen eines Architekturwettbewerbs. Höchst erfolgreich in solchen waren jüngst die Zürcher Burkhalter Sumi Architekten. Gleich dreimal hiess es für sie «Holz gewinnt»: bei einer Wohnüberbauung in St. Gallen, einer Schulhaus­erweiterung in Adliswil und einem Ersatzneubau in Bellinzona. «Wir hatten sicher das Glück, dass wir bei zwei der drei Projekte bereits die strategische Planung begleiten konnten. Das hat uns erlaubt, die Wohnungsgrössendiskussion mitzugestalten», erzählt Architekt und Mitinhaber Yves Schihin. «Genau darum sind wir wohl positiv aufgefallen.»

Wie die drei Beispiele zeigen, kann der Holzbau auf verschiedenen Ebenen punkten. In Adliswil ist der Schulneubau auf einer bestehenden Zivilschutzanlage zu erstellen, die als Fundament dient. Deshalb forderte die Bauherrin ausdrücklich Holz als leichtes Baumaterial. Die Holzbauweise ermöglicht gemäss Schihin zudem eine kurze Bauzeit: «Das erlaubt uns, den Schulrohbau in den Sommerferien aufzurichten.» Für die Wohnüberbauung Waldacker in St. Gallen forderte die ausschreibende Ortsbürgergemeinde einen Holzbau, um für diesen nachwachsendes Material aus dem gemeindeeigenen Wald verwenden zu können. Die Bauherrin war überzeugt, dass sich ein nachhaltiges Projekt im politischen Prozess besser durchsetzen lasse.

Wie professionelle Bauherren ticken
Beim Wettbewerb für den Wohnersatzneubau Ghiringhelli in Bellinzona konnte Burkhalter Sumi schliesslich den Beweis antreten, dass ihr Projekt mit den charakteristischen übertiefen Veranden gegenüber Entwürfen in konventioneller Bauweise auch wirtschaftlich besteht. «Im spezifischen Fall verursacht die Holzbauweise keine Mehrkosten», hält Schihin fest. Durch eine geschickte Raumaufteilung sei es gelungen, viele Wohnungen in die beiden Baukörper zu integrieren. Der Ersatzneubau biete in der Vermarktung zudem grosse Chancen, denn der Bauherr könne auf die Karte «stimmungsvolles Holz» setzen. «Und nicht zuletzt verkürzen sich – dank der kurzen Bauzeit – auch die Leerstandszeiten.»

Wenn es darum geht, institutionelle oder öffentliche Anleger vom Holzbau zu überzeugen, zählt also immer auch die Wirtschaftlichkeit. Mit einem geschickten Entwurf insbesondere in Bezug auf die Raumeinteilung lässt sich beim Bauen mit Holz der leicht höhere Materialpreis oft kompensieren. «Erst wenn wir beweisen, dass der Holzbau in einem spezifischen Projekt kostenneutral zur konventionellen Bauweise erstellt werden kann, punkten wir in zweiter Linie auch mit den weichen Faktoren», so Schihin. Zu diesen zählt der Architekt die «physiologischen, psychologischen, materialimminenten und fabrikationstechnischen Vorteile des Holzbaus». Und tatsächlich sieht Holz nicht nur gut aus, es steht auch für Wohnlichkeit und lässt sich zu präzisen Bauteilen vorfertigen.

ahb.bfh.ch/holzbautag

Buchtipp

MAD3 nennt sich das imposante fünfstöckige Holzhaus der Kantonspolizei Freiburg in Granges-Paccot. Der Bau wurde nach Plänen der Deillon und Delley Architekten sowie des Ingenieurbüros Chabloz & Partner realisiert. Dessen aussergewöhnliche Tragstruktur besteht aus 2500 Kubikmetern lokalem Holz. Vom Holzfällen bis zur Montage der vorfabrizierten Elemente wurden alle Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt.
Das reich illustrierte Buch stellt die Akteure ins Zentrum und erzählt die Geschichte eines Rohstoffes aus dem Freiburger Staatswald, der dem grössten öffentlichen Holzbau des Kantons einen lebendigen Ausdruck verleiht. Zudem zeigt es exemplarisch auf, wie ein gewagter politischer Entscheid der regionalen Holzverarbeitung Schub verleihen kann. (pd/gd)

MAD3 – Gebäude der Kantonspolizei Granges-Paccot; Mélanie Rouiller, Michel Niquille, Audanne Comment; Lignum Fribourg, Bulle, 2017; Texte FR / DE, 22 cm × 28 cm, 128 Seiten; Art.-Nr. 53019, CHF 49.00; www.lignum.ch/fr/shop/livres_de_reference/architecture

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