Heisse Plattenbauten, kühle Einfamilienhäuschen
Wer empfindlich auf Hitze reagiert, sollte weder im Dach noch im Stadtzentrum wohnen. Zu diesem Schluss kommen Forscher des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in einer Studie. Sie soll aufzeigen, was bei der Stadtplanung im Zusammenhang mit dem Klimawandel beachtet werden muss.
Hitzebelastung ist – zusammen mit Starkregen, Hochwasser oder Stürmen – eines der meistdiskutierten Themen, wenn es um die Frage geht, wie sich Städte an den Klimawandel anpassen müssen. Die Forscher gingen von den Temperaturen in der Region Sachsens aus: Dort hat die globale Erwärmung die Temperaturen im letzten Jahrhundert durchschnittlich um fast ein Grad Celsius ansteigen lassen. „Während in der Vergangenheit im Schnitt sechs Hitzetage pro Jahr mit Temperaturen über 30 Grad Celsius in Leipzig gemessen wurden, zeigen Klimasimulationen für die Region einen mittleren Anstieg auf 16 Hitzetage bis 2060“, erklärt dazu Andreas Marx vom Mitteldeutschen Klimabüro am UFZ. Obwohl Mitteleuropäer einen Grossteil des Tages und der Nacht in Innenräumen verbringen, gibt es relativ wenig Studien über die Zusammenhänge zwischen Aussen- und Innentemperaturen sowie den damit verbundene Auswirkungen auf die Gesundheit. Darum haben Wissenschaftler im Sommer 2010 eine Messreihe an verschiedenen Punkten in Leipzig durchgeführt und mit Haushaltsbefragungen kombiniert. Das Interesse der Forscher galt dabei vor allem den Unterschieden zwischen verschiedenen Bebauungsformen, wie Ein- und Mehrfamilienhäusern mit Garten, Reihenhäusern, offenen Häuserblöcken mit begrünten Innenhöfen und geschlossenen Häuserblöcken.
Urbaner Hitzeeffekt
Im Juli vor drei Jahren herrschten in Leipzig hochsommerliche Temperaturen, zwischen 30 Grad am Tag und über 20 Grad in der Nacht. Die Hitzewelle sorgte dafür, dass dieser Juli mehr als 3 Grad Celsius über dem Durchschnitt lag. „Die Unterschiede zwischen Tag und Nacht waren in Gebieten mit Ein- und Zweifamilienhäusern am stärksten. Ein wichtiger Grund dafür könnte die im Vergleich zu geschlossenen Häuserblöcken geringere Bodenversiegelung sein“, sagt Ulrich Franck vom UFZ. Hinzu kommt allerdings, dass diese Gebäudeformen eher am Rande als im Zentrum von Städten anzutreffen sind. Das heisst: Die Wissenschaftler beobachteten bei ihren Messungen, dass die Aussentemperaturen entsprechend der Entfernung vom Stadtzentrum abnahmen, das heisst morgens um 0.67 Grad pro Kilometer und Abends 0.36 Grad pro Kilometer. Dieser sogenannte urbane Hitzeffekt konnte nicht nur in Häusern sondern auch in Wohnungen in ähnlichem Ausmass festgestellt werden. Grünflächen mit Büschen und Bäumen Pflanzen im Umfeld können allerdings eine kühlende Wirkung haben oder vielmehr die Aussentemperaturen am Morgen senken.
Heisse Lebensweise in den Städten
Zudem hatten die Wissenschaftler im Juni und Juli 2009 sowie im Juli 2010 über 800 Leipziger Haushalte befragt, um Zusammenhänge zwischen subjektiver Hitzebelastung und sozialen Strukturen erkennen zu können. Am stärksten wurde die Hitzebelastung in Platten- und Zeilenbauten empfunden, am geringsten in offenen Blockrandstrukturen oder Einfamilienhäusern. Allerdings war aus Sicht der Befragten nicht die eigene Wohnung der Ort, an dem Hitzebelastung als am stärksten empfunden wurde, sondern der Arbeitsplatz und die täglichen Wege. „Hitze wird vor allem dann als Problem wahrgenommen, wenn Rückzugsmöglichkeiten an kühle Orte fehlen“, erklärt Soziologin Katrin Grossmann vom UFZ. Erst wenn man dauernd der Hitze ausgesetzt sei, löse dies das Gefühl, extremem Wetter ausgeliefert zu sein. Hier werde die Wohnung entscheidend. Wer unflexible Arbeitszeiten oder lange Arbeitswege hat oder sich um Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen kümmern müsse, sei dabei eindeutig im Nachteil. „Die subjektive Hitzebelastung ist nicht nur eine Folge von Klimawandel und urbanem Wärmeinseleffekt, sondern auch eine Folge städtischer Vergesellschaftung“, sagt Grossmann. Die Strukturen der hoch spezialisierten, technisierten und mobilisierten Gesellschaft der Grossstädte verstärkten bei Hitze die physische Belastung. „Schülern geben wir hitzefrei, die Erwachsenen müssen weiter funktionieren.“ (mai/mgt)