"Harte Zeiten" für Schweizer Hypothekarbanken?
Womöglich steht der Schweizer Immobilienmarkt steht vor grösseren Veränderungen. Verlierer könnten die verschiedenen Regional- und Kantonalbanken sowie die Raiffeisen-Institute sein. Dies prognostiziert ein heute veröffentlichter Bericht der Ratingagentur Moody’s. Allerdings sehen dies etwa Fachleute der UBS anders.
Der Moody’s-Bericht warnt, dass Schweizer Inlandbanken "harte Zeiten" bevorstehen, sollten angedachte Gesetzesänderungen wie geplant umgesetzt werden. Ausserdem würde der drohende "fundamentale Wandel" die Institute ausserdem zu einem kritischen Zeitpunkt im Konjunkturzyklus treffen, schreibt Moody's-Experte Mathias Külpmann in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Weniger tangiert seien die Grossbanken UBS und Credit Suisse, weil diese diversifizierter seien und ihre Marktanteile am Hypothekenmarkt in den letzten Jahren zurückgefahren hätten.
Grund für die Warnung sind zwei aktuelle politische Entwicklungen: die angedachte kombinierte Abschaffung von Eigenmietwert und Hypothekarzins-Steuerabzug sowie der mögliche Eintritt von Postfinance in den Hypothekarmarkt. Die Abschaffung des Steuerabzugs für Hypothekenzinsen würde laut der Ratingagentur zu schnelleren Amortisationen führen. Die Hausbesitzer würden ihre Schulden also rascher zurückzahlen. Und dies hätte gemäss der Studie "erhebliche Auswirkungen" auf das Geschäftsmodell der inlandorientierten Banken. Die "Haupteinnahmequelle" dieser Institute geriete demnach unter Druck. Die Ratingagentur erinnert daran, dass Hypotheken bei diesen Geldhäusern über 90 Prozent der gesamten Kredite ausmachen - was schöne Zinsen abwerfe und Erträge aus Gebühren ermögliche. Darüber hinaus würde die Erteilung einer Vollbanklizenz an Postfinance würde den Wettbewerbsdruck auf die Banken erhöhen, heisst es im Bericht.
Postfinance verfüge heute über neun Prozent aller inländischen Einlagen. Es sei zu erwarten, dass die Bank im Laufe der Zeit auf einen ähnlichen Marktanteil wie auf dem Hypothekenmarkt kommen werde. So hatte Postfinance-Chef Hansruedi Köng in einem Zeitungsinterview erklärt, er strebe einen prozentual tiefen, einstelligen Marktanteil an.
Der Bundesrat hatte anfangs September vorgeschlagen, der Postfinance eine Vollbankenlizenz zu erteilen - und ihr damit die Vergabe von Hypotheken zu erlauben. Der Anlass dafür war die Ertragsschwäche des Instituts infolge der Negativzinsen. Die Eckwerte für ein neues System der Wohneigentumsbesteuerung stammen aus der Küche der ständerätlichen Wirtschaftskommission; diese hatte Ende August die Verwaltung beauftragt, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.
Keine Änderungen über Nacht
Verschiedene Experten hatten bei beiden Vorlagen darauf hingewiesen, dass diese nicht unmittelbar wirken würden. So sind die Postfinance-Pläne des Bundesrats heftig umstritten, was im Parlament zu Änderungen führen könnte. Und selbst wenn die Vorhaben umgesetzt werden sollten, ändere sich über Nacht nicht viel, meinen Beobachter. So seien etwa viele Hausbesitzer wegen der Laufzeiten ihrer Hypotheken noch über Jahre gebunden. Ähnlich zeigt sich die Situation bei der Immobilienfinanzierung. So rechnen die UBS-Analysten mit einer Umsetzung frühestens im Jahr 2022. Sollte das Referendum ergriffen werden, komme es zu einer zusätzlichen Verzögerung.
Die UBS-Experten sind sich darüber hinaus im Gegensatz zu Moody's auch nicht sicher, ob es zu Rückzahlungen von Hypotheken im grossen Stil kommen wird. Dies, weil der Anreiz, die Schulden stehen zu lassen und mit den verfügbaren Mitteln in Anlagen mit steuerfreien Kapitalgewinnen und Dividenden zu investieren, grundsätzlich nicht verloren ginge.
Folgen hoher Land- und Immobilienvermögenswerte
Laut den UBS-Ökonomen ist die aktuell hohe Hypothekarverschuldung hierzulande auch nicht nur eine Folge steuerlicher Begünstigungen. Vielmehr sei sie auch eine Konsequenz der hohen Land- und Immobilienvermögenswerte in Relation zur Wirtschaftsleistung und der relativ tiefen und stabilen Inflation, welche die Vergabe von Hypotheken ohne vollständige Amortisationspflicht erst ermöglicht habe.
Offensichtlich ist der Schweizer Immobilienmarkt trotz der politischen Vorschläge für manche Finanzinstitute denn auch nach wie vor ein attraktives Umfeld: So ist am Wochenende bekannt geworden, dass die US-Investmentbank Goldman Sachs einen Eintritt in den Schweizer Hypothekenmarkt prüft. (sda/mgt)