Harte Vorwürfe gegen Baufirmen
Die Wettbewerbskommission (Weko) darf die Unterlagen sichten, die sie bei ihrer Untersuchung zu mutmasslichen Absprachen beim Strassen- und Tiefbau in den Kantonen Zürich und Aargau beschlagnahmt hat. Das Bundesstrafgericht hat ein Entsiegelungsgesuch des Weko-Sekretariats gegen den Willen der betroffenen Firmen gut geheissen.
Im Rahmen seiner Untersuchungen hatte das Weko-Sekretariat im vergangenen Juni bei zahlreichen Bauunternehmen in den Kantonen Aargau und Zürich Hausdurchsuchungen durchgeführt. Von Untersuchungen betroffen davon waren Implenia, Walo Bertschinger, Marti und StraBAG sowie weitere Unternehmen, wie Birchmeier, Cellere, Erne, Granella, Knecht, Meier Söhne, Umbricht, Egli, Flexbelag Bau, Hüppi, Tibau und Vago.
Auf Einsprache einer der Firmen wurden die bei ihr beschlagnahmten Unterlagen vorerst versiegelt. Nun hat das Bundesstrafgericht aber entschieden, dass die Weko die Unterlagen einsehen darf. Gemäss seinem Entscheid besteht im gegenwärtigen Anfangsstadium des Verfahrens ein hinreichender Verdacht für unzulässige Wettbewerbsabreden. Bei diesen Einschätzungen stützt sich das Gericht auf eine Zusammenfassung der Anzeige, welche die Untersuchung der Weko ausgelöst hat. Die Identität der anzeigenerstattenden Person oder Unternehmung wird von der Weko dabei geheim gehalten.
Aus dem Urteil geht hervor, dass die Weko erstmals im März 2008 per E-Mail auf mögliche Absprachen aufmerksam gemacht wurde. Gemäss dem Anzeiger sollen sämtliche Arbeiten im Strassenbau in den Kantonen Zürich und Aargau bei wöchentlichen Sitzungen der Unternehmer kartellmässig abgesprochen worden sein.
Entschädigungen eingerechnet
Bei späteren Kontakten mit der Weko führte der Anzeiger aus, dass in die Offerten für Grossprojekte auch "Schutz-Entschädigungen" eingerechnet worden seien. Diese sollen dann vom Auftragsempfänger an die kooperierenden Unternehmen ausbezahlt worden sein. Die Absprachesitzungen seien zunächst bei den jeweiligen kantonalen Baumeisterverbänden abgehalten worden. Submissionen, an denen die Firmen interessiert gewesen seien, seien den kantonalen Verbänden gemeldet worden. So hätten sich die Unternehmen ein Bild über ihre Mitbewerber machen und diese kontaktieren können. Entweder sei dann bereits am Telefon ein "Schutz" vereinbart oder ein späteres Treffen eingefädelt worden. Zudem soll gemäss dem Anzeigeerstatter im Sinne eines "Gentlemen's Agreement" ein Gebietsschutz bestehen, indem Zürcher Unternehmer in der Regel nicht bei Aargauer Ausschreibungen offerieren und umgekehrt.
Nicht vom Anwaltsgeheimnis gedeckt
Dass diese Angaben von einem anonymen Zeugen stammen, spielt laut Gericht zumindest im Moment noch keine Rolle. Ob die anonyme Zeugenaussage dereinst als Beweismittel zulässig sein könnte, habe die letztlich entscheidende Strafbehörde zu beurteilen. Die Firma hatte weiter argumentiert, dass in den sichergestellten Unterlagen auch Dokumente enthalten seien, die dem Anwaltsgeheimnis unterstünden. Beim beschlagnahmten Briefverkehr zwischen der Firma und ihren verschiedenen Anwälten handelt es sich laut Gericht indessen nicht um geschützte Strafverteidigerkorrespondenz. (sda)