„Gravierender Sündenfall“
Die rund 40 Millionen schwere Unterstützung der Bündner Regierung für die angeschlagene Grosssägerei Mayr-Melnhof Swiss Timber in Domat/Ems sorgt für harsche Kritik. Der Verband Holzindustrie Schweiz überlegt sich gar rechtliche Schritte.
An seinem Jahreskongress in Freiburg befasste sich der Verband Holzindustrie Schweiz mit der Bündner Subventionspolitik zugunsten der landesweit grössten Sägerei: Die Subventionierung sei ein „gravierender Sündenfall mit Fortsetzung“, schrieb die Holzindustrie Schweiz in einem Communiqué. Der Branchenverband sei überzeugt, dass solche Fälle von Wettbewerbsverzerrungen nicht nur dem Rechtsempfinden widersprächen, sondern auch dem Recht selbst. Dem Wirken der Bündner Wirtschaftsförderung wolle der Verband „dringend Einhalt gebieten“, heisst es weiter. Die Wirtschaftsförderung sei getrieben von provinzieller Optik und dem internationalen Konzern Mayr-Melnhof nicht gewachsen, kritisiert der Verband. Ein „Subventions-Kontinuum“ sei entstanden, das die gesamte Branche massiv schädige.
Der von SVP-Nationalrat und Grosssägerei-Besitzer Jean-François Rime präsidierte Verband will gemäss eigenen Angaben die rechtlichen und politischen Mittel ausschöpfen, um eine erneute Subventionierung des Werks in Domat/Ems zu verhindern. Die Bündner Regierung hatte schon die Ansiedlung der Sägerei finanziell unterstützt. Der Verband prüfe, ob er rechtlich unter dem Titel Wirtschaftsfreiheit gegen die Subventionspolitik der Bündner vorgehen könne, sagte Hansruedi Streiff, Direktor von Holzindustrie Schweiz gegenüber der SDA. Die Wirtschaftlichkeit der übrigen Mitbewerber sei durch die Subventionspolitik der Bündner Regierung so stark tangiert, dass der Rechtsweg erfolgreich sein könne.
Der Verband will noch mehr unternehmen: Er will auch politisch aktiv werden. Es seien Vorstösse geplant, die in der Dezembersession der Eidgenössischen Räte eingereicht würden. Bereits müssten sich die Forstdirektoren der anderen Kantone mit der Situation in Graubünden befassen. Nach Angaben Streiffs haben 20 Holzunternehmen in 13 Kantonen wegen des Falles Mayr-Melnhof bei den Regierungen interveniert.
Wenig Überraschung
Bündner Regierungsrat Hansjörg Trachsel hat die Kritik seitens des Verbands erwartet und ist nicht überrascht, wie er gegenüber der SDA erklärte. Die Verlautbarungen seien aber einseitig, moniert Trachsel. Sie berücksichtigten nicht, dass die Bündner Waldwirtschaft vor der Zeit des Grosssägewerks in Domat/Ems acht Millionen Franken Defizit pro Jahr gemacht habe. Nicht berücksichtigt werde zudem, dass früher mindestens eine Million Kubikmeter Schweizer Holz zu nicht kostendeckenden Preisen exportiert worden seien. Den angekündigten rechtlichen und politischen Schritten sieht Trachsel gelassen entgegen. Im Tourismus würden schon lange einzelbetriebliche Beiträge ausgerichtet, ohne dass sie infrage gestellt worden wären.
Die auch in Graubünden umstrittenen Finanzspritzen an die Grosssägerei in Domat/Ems werden Kantonsregierung noch einige Zeit auf Trab halten. Denn im Dezember wird Volkswirtschaftsdirektor Trachsel im Bündner Grossen Rat Stellung zum Geschäft nehmen müssen. (mai/sda)
Hintergrund
Mayr-Melnhof mit Hauptsitz in Leoben im Bundesland Steiermark übernahm die Grosssägerei in Domat/Ems vor zwei Jahren von der österreichischen Stallinger/Kaufmann Gruppe. Das österreichische Unternehmen erzielte letztes Jahr in der Sparte Holz mit 1929 Angestellten einen Umsatz von 666 Millionen Franken. Die Mayr-Melnhof Holz Gruppe betreibt mehrere Sägewerke. Die fünf Standorte befinden sich Leoben (Ö), Frankenmarkt (Ö), Domat/Ems GR, Paskov (Tschechien) und Efimovskij (Russland). In der Sägerei in Domat/Ems sind 130 Personen beschäftigt. Die Holzweiterverarbeitung wird an vier Standorten durchgeführt, drei davon liegen in Österreich, einer in Deutschland. Die Mayr-Melnhof Holz Gruppe zählt nach eigenen Angaben zu den führenden europäischen Anbietern in den Bereichen Schnittholz und Holzweiterverarbeitung.
Mayr-Melnhof ist aber auch ein grosser Kartonhersteller, der weltweit grösste von gestrichenem Recyclingkarton sowie Firmenangaben zufolge Europas grösster Hersteller von Faltschachteln. Insgesamt beschäftigte die Karton-Gruppe vergangenes Jahr 8100 Angestellte und setzte rund 1,6 Milliarden Euro um. Die Mayr-Melnhof Karton AG ist seit 1994 börsenkotiert. In der Schweiz hatte die Karton-Gruppe im April dieses Jahres mit der Schliessung der Kartonfabrik im bernischen Deisswil für Schlagzeilen gesorgt. Über 250 Angestellte verloren ihre Arbeit. Im Juni wurde die Fabrik einer Investorengruppe um den Berner Firmensanierer Hans-Ulrich Müller verkauft. Die Auflage von Mayr-Melnhof lautete, dass in Deisswil kein Karton mehr fabriziert werden darf. In der früheren Kartonfabrik soll nun ein KMU-Park entstehen. (sda)