Gottes Nähe durch Bäume spüren
In Flevoland markieren 178 Pappeln im Massstab 1:1 exakt den Grundriss und die Säulen der berühmten Kathedrale von Reims (Frankreich). Das grüne Gotteshaus ist ein Projekt der Künstlerbewegung Arte Povera aus den 1960er-Jahren.
Quelle: Museum De Paviljoens
Die grüne Kathedrale in Flevoland besteht aus 178 Pappeln.
Die niederländische Provinz Flevoland, auf Deutsch Neuland, ist in vielerlei Hinsicht speziell. Nicht nur, dass die als holländisches Atlantis bekannte Region erst durch die Trockenlegung des südlichen IJsselmeeres im Jahr 1986 entstanden ist, sie steht zudem wie kein anderer Ort in Niederland für Wachstum. Gerade der Westen der Provinz entwickelte sich zu einer Erweiterung des Einzugsgebiets von Amsterdam. Der Osten dagegen ist geprägt von Mühlen, Deichen und Schöpfwerken. In der ländlichen Umgebung findet sich auch ein Bauwerk der ganz besonderen Art. Die sogenannte „Grüne Kathedrale“ bestehend aus 178 Pappeln.
Vorbild in Frankreich
Das Konzept entwickelt hat der 1934 geborene Künstler und Bildhauer Marinus Boezem. Er gehört zusammen mit Jan Dibbets und Ger van Elk zu den Vertretern der Arte Povera der 1960er-Jahre in den Niederlanden. Boezem ist sowohl bekannt für seine radikale Konzeptkunst als auch für seine Arbeiten im öffentlichen Raum. Dazu gehört auch die „Grüne Kathedrale“. Entworfen hat er den besonderen Bau bereits 1978, gepflanzt wurden die ersten Pappeln allerdings erst 1987. Zehn Jahre später wurde das Kunstwerk für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Vorbild für Boezems Bauwerk ist die berühmte gotische Kathedrale in Reims. So entspricht die Pappeln-Anordnung exakt die der Säulen im französischen Pendant. Ein in den Boden eingelassenes Rastersystem aus Stein spiegelt zudem die einzelnen Kreuzrippengewölbe der Kathedrale von Reims wider. Aber während in den Gotteshäusern die Stille jeden Schritt hallen lässt, hüllt die natürliche Kathedrale aus Pappeln ihre Besucher in das Geräusch der Pappelzweige im Wind.
Vergängliche Kunst
Eines der Hauptanliegen der Arte Povera war es, dass die Kunst nicht weiter als Konsumgut betrachtet werden soll. Deshalb galt es Werke zu schaffen, die in keinem Museum, in keiner Galerie ausgestellt werden können, und zudem weder transportabel und käuflich noch von Dauer sind. Diesem Grundsatz entspricht die „Grüne Kathedrale“, weil sie vergänglich ist. Sobald die Pappeln ihre maximale Höhe von 30 Metern erreicht haben, sterben sie nämlich ab. (ffi/mgt)