Gerüstfrei bauen
In der Schweiz etabliert sich der Bau von hohen Gebäuden langsam aber sicher – in praktisch allen Regionen befinden sich solche in Planung oder bereits in Ausführung. Hohe Gebäude sind aber auch sicherheitstechnisch herausfordernd. Vor allem wenn aufgrund der Montage auf ein Gerüst verzichtet wird, wie zum Beispiel bei den Wohnhochhäusern «Hochzwei» in Luzern.
Quelle: zvg
Gerüstlose Bauweise: Rohbau mit Windschild, Fassadenmontage mit Zonenabschrankung und horizontaler Lifeline
In schwindelerregender Höhe verifiziert der Monteur der Fassadenfirma Yuanda die Einbaumasse zwischen den betonierten Bodenplatten. Er ist angeseilt, gesichert wie ein Bergsteiger in der Felswand. Wir stehen geschützt hinter der Abschrankung, die etwa zwei Meter von der äusseren Fassadenfront entfernt ist. In Luzern wird das Seitenschutzsystem Safe-Gard der Firma MBT, Mägert G&C Bautechnik in Hergiswil eingesetzt. An sich fordert der Gesetzgeber ab einer Absturzhöhe von drei Metern das Errichten eines Fassadengerüsts. Auch das systematische Sichern von Bodenöffnungen, die Montage von Auffangnetzen und das Anbringen eines Geländers ab zwei Metern Absturzhöhe ist Vorschrift. Die Gesetzgebung erlaubt es der Suva jedoch, in Sonderfällen eine Abweichung von der generellen Gerüstpflicht zu prüfen und allenfalls eine schriftliche Ausnahmebewilligung zu erteilen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sich mit der gewählten Ersatzlösung die Schutzziele für Arbeitnehmer und die Öffentlichkeit gleichwertig oder besser erreichen lassen und nicht zusätzliche Gefährdungen und Expositionszeiten geschaffen werden. Gründe für das Abweichen von der Gerüstpflicht können einzig technischer Natur sein. Zum Beispiel wenn die Gebäudehöhe oder die Gebäude-Architektur technisch ein Fassadengerüst verunmöglicht. Ist eine solche Situation gegeben, muss sich die Bauleitung bereits vor Baubeginn Gedanken machen, wie die geltenden Vorschriften auch ohne Gerüst eingehalten werden können. Das Erstellen eines projektspezifischen Sicherheitskonzepts über alle Bauphasen hat sich in Vergangenheit als geeignete Methode erwiesen.
Suva prüft das Sicherheitskonzept
Ein so eingereichtes Sicherheitskonzept wird von der Suva ganzheitlich geprüft und mit den Betroffenen in einem sehr frühen Projektstadium vorbesprochen. Stellt sich bei der Prüfung heraus, dass die massgebenden Kriterien für eine gerüstlose Bauweise ausnahmslos erfüllt werden, erteilt die Suva schriftlich eine Ausnahmebewilligung. Die daraus resultierenden ausführungsrelevanten Aspekte müssen bereits in der Ausschreibung der Arbeiten präzise aufgeführt und beziffert werden. Die eingesetzten Sicherheitsbauteile müssen den Normen entsprechen (SN EN13374). Werden Seitenschutzbauteile für die Fassadenmontage von der Absturzkante zurückversetzt montiert, müssen diese in erster Linie als Zonenabschrankung wirken. Sie müssen das Übersteigen durch eine Person wirksam verhindern. Dies kann beispielsweise mit einer Gitterabschrankung erfolgen, wobei die Maschenweite horizontal nicht mehr als 80 Millimeter und die Elementhöhe mindestens 1,20 Meter beträgt. Zudem muss in diesem Fall für den Geometer und den Fassadenbauer ein stockwerkumlaufendes Lifeline-System (EN795 zertifiziert) für das Arbeiten an der Deckenkante im Anseilschutz montiert sein, wobei deren Zwischenaufhängung überfahrbar sein müssen (Montagehöhe ca. 1,80 bis 2,00 Meter ab Standfläche). Für Arbeiten im Anseilschutz sind entsprechend ausgebildete Personen einzusetzen. (mgt/as)