09:23 BAUBRANCHE

Geothermie: Neue Erkenntnisse zu überkritischen Reservoiren

Teaserbild-Quelle: 2024 EPFL/A.Herzog - CC-BY-SA 4.0

EPFL-Forscher haben Erkenntnisse zu den Mechanismen in sogenannten überkritischen geothermischen Reservoiren in der Tiefe gewonnen. Laut dem Team sind auch Gesteine in bis zu acht Kilometern Tiefe durchlässig für Flüssigkeiten.

Gabriel Meyer EPFL

Quelle: 2024 EPFL/A.Herzog - CC-BY-SA 4.0

Gabriel Meyer führt die Gesteinsprobe in den Presskern ein, der Temperaturen von 100 Grad Celsius erreichen kann.

Die Geologie ist ein Gebiet mit vielen offenen Fragen. Je tiefer in die Erdkruste gegraben wird, desto weiter dringt man in unbekanntes Terrain vor, denn das Gestein wird immer schwerer zugänglich. Das tiefste Loch der Welt auf der Kola-Halbinsel in Russland reicht über 12 Kilometer in den Untergrund. Das entspricht aber noch immer weniger als 25 Prozent der durchschnittlichen Tiefe der kontinentalen Kruste.

Obwohl Geologen bereits so tief gegraben haben, ist es laut einem Bericht der ETH Lausanne (EPFL) fast unmöglich, in dieser Tiefe Messungen vorzunehmen. Viele Wissenschaftler arbeiten deshalb daran, die Bedingungen in ihren Forschungslabors nachzubilden. Diese Methode wählte auch Gabriel Meyer, Postdoc am Labortatory of Experimental Rock Mechanics (LEMR) der EPFL, für seine Forschung.

Meyer untersuchte insbesondere die Veränderungen, die in Gesteinen unter überkritischen Bedingungen stattfinden – in einer Tiefe von etwa zehn Kilometern. «Wissenschaftler haben einen Übergang im mechanischen Verhalten von Gesteinen in extremen Tiefen beobachtet», sagt Meyer. «Ich wollte verstehen, was da vor sich geht, denn wir können den Prozess ja nicht vor Ort beobachten.»

Dabei half ein am LEMR entwickeltes Instrument, das die Druck- und Temperaturbedingungen in solchen Tiefen nachbilden kann. Professorin Marie Violay, Leiterin des LEMR, und ihre Forschungsgruppe haben fast sechs Jahre gebraucht, um das Gerät zu entwickeln. Die ersten Entdeckungen, die das Instrument ermöglicht, wurden kürzlich im Fachmagazin «Nature Communications» veröffentlicht.

Wasser bei über 400 Grad Celsius

Geothermische Reservoirs mit überkritischem Wasser – also Wasser mit einer Temperatur von über 400 Grad Celsius – sind die nächste Grenze zur Nutzung der geothermischen Energie. Seit etwa 15 Jahren erforschen Ingenieure in verschiedenen Teilen der Welt das Potenzial dieser natürlichen Ressource. Nach Angaben der EPFL lässt sich damit die Energieerzeugung im Vergleich zu herkömmlichen Geothermie-Anlagen – die Wärme näher an der Oberfläche gewinnen – um den Faktor zehn steigern.

Überkritische Reservoire befinden sich in einer Tiefe von etwa zehn Kilometern. Die Kunst besteht darin, sie zu erreichen. Die ersten aussagekräftigen Tests der überkritischen geothermischen Technologie wurden bislang ausschliesslich in Vulkanregionen durchgeführt, wo überkritische Temperaturen in fünf Kilometern Tiefe zu finden sind. Überkritisches Wasser ist weder gasförmig noch flüssig – es befindet sich in einem Zustand, der es erlaubt, grosse Mengen an Energie zu extrahieren.

Grafik Geothermie Gesteinsproben EPFL

Quelle: Gabriel G. Meyer, Ghassan Shahin, Benoît Cordonnier & Marie Violay

Die mittlere Spalte zeigt vertikale Schnitte der Proben, während die linke und rechte Spalte radiale Querschnitte an den rot und gelb markierten Stellen zeigen. Die blauen Kästchen stellen die Teilvolumina dar, in denen die Permeabilität, die Risslänge und die Öffnung berechnet wurden.

Auch die mechanischen Eigenschaften des Gesteins ändern sich unter solchen Bedingungen. Während das Gestein in Oberflächennähe spröde ist und eine Vielzahl von Mikrobrüchen aufweist, wird es in grosser Tiefe duktil. «Wenn man sich der zehn-Kilometer-Marke nähert, bricht das Gestein nicht mehr, sondern verformt sich gleichmässig, wie weicher Karamell, und sein Verhalten wird komplex», sagt Meyer.

Diese Verformung finde auf der Ebene der kristallinen Strukturen im Kern statt. Der Forscher wollte herausfinden, ob Wasser in einem Gestein zirkulieren kann, das sich in diese ungewöhnliche, duktile Form verwandelt hat.

3D-Scans und Computersimulationen

Um die Durchlässigkeit des Gesteins zu messen, wandelten Meyer und seine Kollegen Granitproben von einer spröden in eine dehnbare Form um, indem sie diese den gleichen Temperatur- und Druckbedingungen aussetzten, wie sie tief im Inneren der Erdkruste herrschen. Mit Hilfe des neuen LEMR-Instruments übte das Team Druck auf die Gesteinsproben aus und verformte sie mit einem Kolben.

Temperatur und der Druck steigen dabei allmählich an und simulieren so die Bedingungen zwischen einigen 100 Metern und mehreren Kilometern unter der Erde. Die Proben wurden anschliessend mit einem Synchrotron gescannt, um 3D-Bilder zu erstellen, die in eine Computersimulation eingespeist wurden. Dabei zeigte sich: Obwohl das Gestein in solchen überkritischen Zonen dehnbar ist, kann es gebrochen werden und ist damit auch durchlässig für Wasser.

«Geologen dachten lange, dass der Übergang von spröde zu duktil die untere Grenze für die Wasserzirkulation in der Erdkruste sei», sagt Meyer. «Wir haben aber gezeigt, dass Wasser auch in duktilem Gestein zirkulieren kann. Dies ist eine vielversprechende Entdeckung, die weitere Forschungsmöglichkeiten in unserem Bereich eröffnet.» (Autor: Rebecca Mosimann, EPFL / Bearbeitung: pb)

Literaturhinweis

  • Gabriel G. Meyer, Ghassan Shahin, Benoît Cordonnier and Marie Violay. Permeability partitioning through the brittle-to-ductile transition and its implications for supercritical geothermal reservoirs. Nature Communications, September 2024. doi: 10.1038/s41467-024-52092-0

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