Fragezeichen bei der Wärmedämmung
Reduziert Wärmedämmung in allen Fällen den Energiebedarf? In Deutschland ist eine Verschärfung der Energie-Einsparverordnung geplant. Dies führt zu einer Diskussion über Sinn und Unsinn intensiver Wärmedämmung an Gebäuden und über die Formeln zur Berechnung des theoretischen Heizenergiebedarfs.
Bisher standen in Deutschland bei kritischen Äusserungen über die Wärmedämmung von Gebäuden die Probleme der Schimmelbildung und neuerdings auch des Brandschutzes im Vordergrund. Nun werden auch die tatsächlichen Energieeinsparungen diskutiert. Auf Grund verschiedener auch älterer Studien wird die intensive Wärmedämmung an Gebäudefassaden kritisch hinterfragt. In der Tageszeitung „Welt“ wurde in diesen Tagen auch die Frage gestellt, ob die geplanten verschärften Vorschriften die Energiewende gar behindern.
Brisante Untersuchungsergebnisse
Gemäss „Welt“ kam eine Studie des IBP-Instituts für Bauphysik der Fraunhofer Gesellschaft in Stuttgart schon vor Jahren zum Schluss, dass bei Aussentemperaturen von Minus vier Grad die Verwendung von Dämmstoffen an den Fassaden den Energieverbrauch nicht senkt, sondern im Vergleich zu Massivwänden sogar in die Höhe treibt. Die Forscher sehen den Widerspruch zu den gängigen Vorstellungen darin, dass massive Mauern selbst im Winter in der Lage sind, die Wärme der Sonnenstrahlen zu speichern und in die Innenräume abzugeben. Gedämmte Wände führen dagegen dem Innenraum zu keinem Tageszeitpunkt Wärme zu.
In einem Forschungsprojekt der Universität Cambridge werden die in Deutschland zum Standart erhobenen Formeln zur Berechnung des theoretischen Heizenergiebedarfs in Frage gestellt. Die Forscher stellten die Ergebnisse theoretischer Bedarfsrechnungen, also den so genannten Energiekennwert, dem tatsächlichen Verbrauch von 3400 älteren Wohnhäusern mit geringer oder fehlender Dämmung gegenüber. Dabei zeigte es sich, dass der tatsächliche Öl- oder Gasverbrauch um 30 bis 40 Prozent unter den entsprechenden Energiekennwerten lag.
Überzeugte Dämmstoffhersteller
Die „Welt“ erwähnt zudem auch eine Studie des Hamburger Gewos-Institutes. In dieser wird der Heizenergieverbrauch von Mehrfamilienhäusern mit massiven Backsteinwänden mit jenem von Mehrfamilienhäusern mit zusätzlichen Aussendämmungen verglichen, die von 1984 bis 1992 gebaut wurden. Das Resultat: Mehrfamilienhäuser mit ungedämmten Massivwänden weisen einen niedrigeren Jahresbrennstoffverbrauch auf als entsprechende Gebäude mit zusätzlicher Aussenwand-Dämmung. Eine Langzeituntersuchung der Hochschule für angewandte Wissenschaft in Hildesheim unter Prof. Jens Fehrenberg kam zu vergleichbaren Resultaten. Der Heizenergie-Bedarf eines ungedämmten Miethauses mit massiven Backsteinwänden war niedriger als der Verbrauch eines gleichen, jedoch gedämmten Mehrfamilienhauses.
Die Dämmstoff-Industrie zeigt sich wenig beeindruckt und überzeugt vom Wert einer guten Gebäudedämmung. Sie weist darauf hin, dass eine gute Dämmung von Aussenfassaden bis zu 50 Prozent der Heizkosten einsparen kann.
Derweil fühlen sich deutsche Immobilienverbände durch die relativierenden Untersuchungen renommierter Institute bestärkt in ihrer Ablehnung der verschärften Wärmedämm-Vorschriften. Sie weisen auf die allgemeine Verteuerung von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern hin und auch darauf, dass die zusätzlichen Kosten für eine nochmals verstärkte Wärmedämmung kaum durch Einsparungen im Heizenergieverbrauch gedeckt werden können. Nicht berücksichtigt würden auch die aufwändigen Herstellungsverfahren für die Dämmstoffe.
Schwindendes Vertrauen in die Politik
In der Diskussion um das richtige Mass der Wärmedämmung spiegelt sich wohl auch das steigende Misstrauen gegenüber Entscheiden der Politik. Stichworte dazu gibt es genug. Die Eurokrise, in der Entscheide und Deklamation der Politik oft nach Tagen umgestossen werden. Das aus Umweltgründen ab 2011 eingeführte E10-Benzin für das Umweltorganisationen den Abbruch fordern, weil es zum Hunger in der Welt beiträgt. Oder auch der forcierte Atomausstieg, der zu neuen Kohle- und Gaskraftwerken für die Grundlast führt. (mai)