„Fotovoltaikanlagen auf Altstadtdächern wären unökologisch“
Der Wirbel um eine mögliche Solaranlage auf dem Lonza-Hochhaus in Basel hat sich gelegt. Doch die grundlegende Frage bleibt: Sollen und dürfen auf schützenswerten Gebäuden Solarpanels installiert werden? Daniel Schneller, Denkmalpfleger des Kantons Basel-Stadt, nimmt Stellung.
baublatt: Wie geht die Basler Denkmalpflege mit Baugesuchen für Solaranlagen um, die auf denkmalgeschützten oder schützenswerten Objekten vorgesehen sind?
Daniel Schneller: Die bisherige Praxis der Denkmalpflege in Bezug auf Fotovoltaikanlagen war so, dass Anlagen, die in Schutzzonen auf Flachdächern angebracht oder sogar auf Schutz- und Inventarobjekten verdeckt installiert werden konnten, bewilligt worden sind. Allerdings gab es bis jetzt noch keine Gesuche für eine Anlage auf einem Altstadtdach. Thermische Solaranlagen werden in der Regel bewilligt, wenn sie gut gestaltet und integriert sind.
Wie beurteilen Sie die Idee, an der Fassade des Lonza-Turms Solarpanels zu installieren?
Im Falle des Lonza-Hochhauses fanden wir den Vorschlag der Montage an der Fassade herausfordernd und spannend: Die Fassadenverkleidung der seitlichen zu einem Spitz zulaufenden Elemente ist auch jetzt eine technische, eine Metallverkleidung. Wir haben es nicht mit einer traditionellen gemauerten und verputzten Fassade zu tun. Insofern stellen Panels aus unserer Sicht nicht unbedingt ein Fremdkörper an der Fassade dar.
Wie könnte eine solche Lösung aussehen?
Kam es in anderen Fällen zu Interessenskonflikten zwischen Ihrer Behörde und dem Bau von Solaranlagen?
In Basel sind mir keine weiteren bekannt, da wir von Seiten der Denkmalpflege gegenüber thermischen Solaranlagen sehr offen eingestellt sind. In Basel besteht die gesetzliche Anforderung, dass das Warmwasser mit erneuerbarer Energie aufgeheizt werden muss. Wir können diese gesetzliche Bestimmung nicht einfach ignorieren und halten sie auch für sehr sinnvoll und wichtig. Von grossem Vorteil ist dabei das weit ausgebaute Fernwärmenetz, das von der Kehrrichtverbrennung gespeist wird. So sind in den meisten Fällen in den Schutzzonen der Altstadt gar keine thermischen Solaranlagen notwendig, da die Häuser an die Fernwärme angeschlossen werden können.
Wie sieht es bei der Fotovoltaik aus?
Haben Fukushima und der momentane politische Hype um erneuerbare Energien Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Ich glaube nicht, dass es sich um einen kurzfristigen «Hype» handelt. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass es von grosser Bedeutung ist, einen langfristig sinnvollen und umweltschonenden Umgang mit unseren Ressourcen und dem Thema Energie zu finden. Man würde eigentlich erwarten, dass die Nachfrage nach Solaranlagen steigt. Dies scheint derzeit aber nicht der Fall zu sein und stimmt eher bedenklich. Insbesondere könnten bei Neubauten die Fotovoltaikanlagen ja von Anfang an in die Fassaden integriert und als gestalterisches Element verwendet werden.
Welche Lösungsansätze gibt es aus Ihrer Sicht bei Konflikten wie beim Lonza-Gebäude?
Bei thermischen Solaranlagen sehe ich keine Zielkonflikte. Bei Fotovoltaikanlagen können Zielkonflikte entstehen. Allerdings sind Fotovoltaikanlagen nicht standortgebunden. In mehr als 90 Prozent der bebaubaren Fläche des Kantons Basel-Stadt können Fotovoltaikanlagen erstellt werden, ohne dass ein grosses Problem besteht. Weshalb wird es nicht gemacht?
Wie gross ist der Anteil der geschützten Flächen in der Stadt Basel?
Die mit Schutzzonen belegten Bauzonen sind im Verhältnis zu den gesamten bebaubaren Flächen gering: In Basel beträgt der Anteil der Schutzzonen an den gesamten Bauzonen 6,7 Prozent. Wenn man nur die Schutzzonen innerhalb der ehemaligen mittelalterlichen Altstadt betrachtet, wäre der Anteil noch kleiner.
Fotovoltaik würden Sie auf Dächern der Schutzzone nicht zulassen?
Muss die Denkmalpflege im Fall der Fotovoltaik kulanter werden?
Sicher muss die Denkmalpflege gegenüber dem Anliegen der Stromproduktion aus Fotovoltaikanlagen offen sein und die Anforderungen der Öffentlichkeit und der Politik ernst nehmen. Das geht gar nicht anders. Wir sind auch gerne bereit, nach Lösungen zu suchen, wie das Beispiel des Lonza-Hochhauses zeigt. Auf der anderen Seite muss man immer auch die Verhältnismässigkeit im Auge behalten. Aber es ist ja nicht so, dass Denkmalpfleger Atomstromfreunde und Umweltfeinde sind. Im Gegenteil. Gerade die Denkmalpflege hat langjährige Erfahrung im Umgang mit ressourcenschonenden Baumaterialien und Bauweisen.
Wie meinen Sie das?
Was sagen Sie zur Forderung: «Solaranlagen sollten überall erlaubt werden - sie können ja später wieder abmontiert werden»?
Dieses Argument hat etwas für sich, insbesondere was die thermischen Solaranlagen anbelangt. Aber auch in Bezug auf Fotovoltaik: Wir wissen nicht, was in 20 oder 30 Jahren ist und welche technischen Möglichkeiten dann für eine sinnvolle Stromproduktion zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite scheint es mir aber auch wichtig zu sein, dass mindestens unsere historischen Ortskerne und Altstädte vorderhand noch geschont werden und wir die wertvollen und schönen Dachlandschaften nicht mit Fotovoltaikanlagen belegen, solange es noch andere Möglichkeiten gibt: Denn das Potential der Dachflächen in den übrigen 90 Prozent der Bauzonen ist noch lange nicht ausgeschöpft! (Interview: mrm)