Experten „hören“ genau hin
Gstaad soll ein Konzertsaal für das jährliche Yehudi-Menuhin-Festival erhalten. Nachdem das Projekt redimensioniert wurde, weil Anwohner und Fachleute Grösse und Dominanz des Baus monierten, haben Wissenschaftler der Universität Bern das Bauvorhaben auch noch unter die Lupe genommen. Sie setzen das eine und andere Fragzeichen.
Quelle: zvg
Ein Entwurf des Saals liegt schon länger vor: Er stammt vom französischen Architekten Rudy Ricciotti.
Die vom Forschungsinstitut Freizeit und Tourismus der Universität Bern im Auftrag der Stiftung „Les Arts Gstaad“ erstellte Studie zum 100-Millionen-Franken-Konzertsaalprojekt analysiert den Businessplan und die Planrechnung für 2011. Der ehemalige Institutsvorsteher Hans-Ruedi Müller und seine Nachfolgerin Monika Bandi sehen das Projekt verhalten positiv.
In einer vom Les-Arts-Gstaad-Stiftungsrat den Medien verschickten Zusammenfassung der Studie heisst es, der geplante Konzertsaal verfüge über das Potenzial „zu einem neuen Leuchtturm mit internationaler Ausstrahlung“. Wenn der Saal gebaut werde, sei von einem regionalen Wertschöpfungseffekt von rund 17,8 Mio. Franken jährlich auszugehen. Müller und Bandi gehen auch davon aus, dass bei einem Bau des Saals 202 Vollzeitstellen entstehen würden. Als „notwendig“ erachten Müller und Bandi den kürzlich getroffenen Entscheid des Stiftungsrats, die maximale Kapazität des Saals von 1400 auf 1200 zu reduzieren. Diese Zahl liege für die „beschauliche Destination Gstaad- Saanenland“ immer noch an der oberen Grenze. Dass der Stiftungsrat daran denkt, das geplante Gebäude auch für anderes als Konzerte nutzbar zu machen, findet die Zustimmung der Wissenschaftler.
Die Finanzplanung beurteilen Müller und Bandi hingegen als „recht ambitiös“. Und ob ein solches Kulturzentrum wirklich positive Auswirkungen auf die Logiernächte eines Tourismusorts habe, sei schwierig zu sagen. „Geöffnete Betriebe, verfügbare Bettenkapazitäten und mögliche Aktivitäten spielen eine ebenso grosse Rolle wie das Angebot kultureller Veranstaltungen.“
Vom Zelt in die Grotte
Das Projekt "Les Arts Gstaad" ist der breiteren Öffentlichkeit seit letztem Sommer bekannt. Auslöser für das Projekt war seinerzeit die Tatsache, dass nicht alle Musikliebhaber von der Akustik des Zelts begeistert sind, in dem im Berner Oberländer Nobelferienort jeweils das Yehudi-Menuhin-Festival durchgeführt wird. Zudem gab die Idee des legendären Violinisten und Gründers des Festivals eine Felsenoper zu bauen, den Ausschlag. Dieser Gedanke scheint auch in den Rudi Ricciottis Entwurf des Konzertsaals eingeflossen zu sein: Immerhin errinnert er ein bisschen an eine märchenhafte Kristallgrotte oder Höhle.
Stiftungsratspräsident J. Markus Kappeler und die übrigen Initianten wollen den Saal vollständig privat finanzieren. Zudem möchte der Stiftungsrat auch 50 Millionen Franken in einen Fonds für den baulichen Unterhalt legen und mit weiteren 35 Millionen das Menuhin-Festival langfristig sichern. (mai/sda)