Es war einmal, vor 24`000 Jahren
Der Mensch hat das Schweizer Mittelland nach der Eiszeit rascher besiedelt als angenommen: Die Spuren, die er an den Ufern des Neuenburgersees und in der Nordwestschweiz hinterliess, sind 500 bis 1000 Jahre älter als bisher vermutet. Zu diesem Schluss kam ein Forscherteam der Universität Neuchâtel.
Quelle: zvg
Das Leben in der Tundra des Mittelllandes war hart. Wo die Menschen wohnten, hing von den Jagdmöglichkeiten ab, die ein Gebiet bot.
In der letzten Eiszeit vor 19'000 bis 25'000 Jahren war beinahe die ganze Schweiz von riesigen, bis zu zweitausend Metern dicken Gletschermassen bedeckt. Bisher war man der Meinung, dass Mitteleuropa und damit die Schweiz in dieser Periode menschenleer waren und dass dieses Gebiet erst nach der Erwärmung von Südwesteuropa her neu besiedelt wurde. Jüngste Untersuchungen eines Forschungsteams der Universität Neuchâtel um die Archäozoologen Werner Müller und Denise Leesch widerlegen dies. Die Wissenschaftler sind zur Erkenntnis gelangt, dass sich Menschen schon vor 17'000 Jahren im Schweizer Mittelland niedergelassen hatten. Knochenfunde aus Höhlen im Baselbieter Jura, der während der Eiszeit nicht vergletschert war, deuten sogar auf eine Besiedlung vor bis zu 24'000 Jahre hin.
Wenn Wildpferd- und Rentierknochen Auskunft geben
Die Neudatierung von 29 Knochen von Wildpferden und Rentieren aus bereits früher entdeckten Fundstellen mit Hilfe der so genannten Radiokarbonmethode erlaubte Rückschlüsse auf eine frühere Besiedelung als bisher angenommen. Von den vor Jahrzehnten ausgegrabenen Fundstellen liegen zwar bereits Datierungen vor. Die aktuellen Messungen unterscheiden sich aber massiv. Der Grund dafür liegt im technischen Fortschritt: Früher habe man grössere Mengen Knochen benötigt, um eine Datierung durchzuführen, sagt Müller. Dabei bestand die Gefahr, das Fragmente aus verschiedenen Fundschichten vermischt wurden. Heute benötige man bloss noch zwei Gramm Knochenmaterial für eine exakte Datierung.
Keine Nomaden sondern Jahresaufenthalter
Die Fundorte in Neuenberug lassen vermuten, dass diese vorab im Sommerhalbjahr bewohnt waren. Die Landschaft des Mittellandes war eine Tundra oder Steppe in der hauptsächlich Zwergbirken und Kriechweiden wuchsen. Die Bewohner machten Jagd auf Pferde und Rentiere. Die Beute war zu schwer, um sie Kilometer weit zu transportieren. Deshalb verlegten die Jäger ihren Wohnort an den Ort der Beute bis diese verspeist und verarbeitet war.
Interessant ist auch die Beweisführung der Forscher für die These des Ganzjahresaufenthaltes dieser frühen Bewohner der Schweiz. Weil viele Tiere nur im Frühling Junge bekommen, können Archäologen anhand des Zahnalters von Jungtieren abschätzen, in welcher Jahreszeit sie getötet wurden. In den Höhlen fanden die sie mit dieser Methode Hinweise darauf, dass Menschen damals das ganze Jahr über in der Schweiz gewohnt haben. Früher hatte man geglaubt, dass sie jeweils im Herbst nach Südfrankreich gezogen sind. Ob die Höhlen in allen Jahreszeiten benutzt wurden oder vor allem als Winterquartier dienten, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. (mai/mgt)
Leben nach der Eiszeit
Die damaligen Menschen werden der so genannten Magdalénien-Kultur (mehr dazu auf wikipedia.ch) zugeordnet und hatten bereits einen beachtlichen Entwicklungsstand: Sie lebten in Gruppen und errichteten Zelte mit einem Durchmesser von bis zu acht Metern. Ihr Essen kochten sie in Gruben, die sie mit Leder oder Tiermägen abgedichtet hatten. In diese gab man im Feuer erhitzte Steine, die die Flüssigkeit in den Gruben zum Sieden brachten. Aushöhlungen in Schieferplatten, die mit Fett und einem Docht gefüllt waren, dienten als Lampen. Zur Jagd nutzten sie Speere und Speerschleudern mit Knochenspitzen. Zudem kannten sie bereits Verfahren, um Löcher zu bohren. - Teils kunstvolle Verzierungen und Ritzereien auf Gegenständen deuten darauf hin, dass das Leben nicht nur vom reinen Überleben gekennzeichnet war. (mai)